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       # taz.de -- Triathlon-Trainer über Ironman Hawaii: „Ich sehe jeden Pulsschlag“
       
       > Dan Lorang ist einer der erfolgreichsten Triathlon-Trainer. Er spricht
       > über den Ironman Hawaii und die Chancen von Anne Haug, die als
       > Titelverteidigerin startet.
       
   IMG Bild: Der Schnellmacher: Triathlon- und Rad-Coach Dan Lorang
       
       taz: Herr Lorang, wo erleben Sie den diesjährigen Ironman Hawaii? 
       
       Dan Lorang: Ich bin am Sonntag nach Hawaii geflogen, um das Frauen-Rennen
       am Donnerstag live vor Ort zu verfolgen.
       
       Unter den Athleten häufen sich die Beschwerden, dass die Kosten für
       Startgeld, Flug, Unterkunft und Verpflegung explodiert sind. 10.000 Euro
       reichen bei vielen nicht mehr aus, um sich den Traum zu erfüllen. Und wer
       als Profi nicht mindestens auf Platz zehn kommt, wo es 11.300 Euro
       Preisgeld gibt, zahlt drauf. 
       
       Die Preise haben sich in der Tat verdoppelt. Ich habe das Glück, dass ich
       bei Bekannten unterkomme. Ich finde es vor allem für die Agegrouper extrem,
       wie viel Geld sie für die Teilnahme in den Hand nehmen müssen. Auch die
       Preisgelder bei den Profis stehen nicht in Relation zu den Kosten. Das ist
       ein großer Kritikpunkt.
       
       Die Preisexplosion hat nicht nur mit der Energiekrise zu tun, sondern vor
       allem damit, dass nach den ausgefallenen Rennen 2020 und 2021 jetzt fast
       5.000 Triathleten starten. 
       
       Ja. Wer früh gebucht hat, konnte eine Unterkunft für 1.500 Euro pro Person
       ergattern. Wer relativ spät dran war, musste für dieselben Apartments
       15.000 Euro für eine Woche zahlen. Ich sehe es wirklich kritisch, die
       doppelte Anzahl von Startern nach Hawaii zu bringen. Der Mythos lebt doch
       davon, dass es etwas ganz, ganz Besonderes war, dieses Rennen bestreiten zu
       dürfen. Warum bleibt das nicht so?
       
       Finden Sie es gut, dass erstmals in der Geschichte des Ironman der Start
       der Frauen zwei Tage vorgezogen wurde? 
       
       Eher nicht. Für mich hatte es schon seinen Reiz, dass alle an einem Tag
       gestartet sind. Profis und Amateure, Frauen und Männer. Man muss mal
       abwarten, ob die Frauen in ihrem Einzelrennen am Donnerstag wirklich mehr
       Aufmerksamkeit generieren. Jetzt ist das schwer abzuschätzen.
       
       Anne Haug startet als Titelverteidigerin. Sie kennen die 39-Jährige aus
       gemeinsamen Münchner Tagen seit 2007. Was ist von ihr am Donnerstag zu
       erwarten? 
       
       Ich kann auf jeden Fall sagen, dass sie körperlich und mental gut drauf
       ist, auch wenn es bei der Leistungsdichte extrem schwer sein wird, dieses
       Rennen noch einmal zu gewinnen. Sie ist bereit, alles zu riskieren. Anne
       hat dafür in der Vorbereitung alles gegeben.
       
       Ist ihre Erfahrung ein Vorteil? 
       
       Sie ist 2018 Dritte geworden und hat 2019 gewonnen: Sie weiß auf jeden
       Fall, wie es geht, um aufs Podium zu kommen.
       
       Ist sie besser drauf als die von Ihnen betreute und zehn Jahre jüngere Lucy
       Charles-Barclay, von der Sie ja auch Leistungsdaten vorliegen haben? 
       
       Es ist jedem bekannt, dass Lucy die bessere Schwimmerin, etwas stärkere
       Radfahrerin und Anne die stärkere Läuferin ist.
       
       Wie oft sehen Sie eigentlich Ihre Triathleten? 
       
       Eigentlich kaum, das ist auch der große Nachteil unserer Zusammenarbeit.
       Ich habe Anne das letzte Mal beim Challenge Roth gesehen, vorher aber auch
       extrem selten. Wir schreiben, wir telefonieren, wir skypen – ich kann aus
       ihren Rückmeldungen durch unsere lange Zusammenarbeit viel herauslesen.
       Sobald die Athleten nach Hause kommen, laden sie ihr Training hoch: Ich
       sehe jede Wattzahl, jeden Kilometer, jeden Pulsschlag. Sie haben von mir
       einen Plan, der zu absolvieren ist – und der wird auch zu 99 Prozent
       erfüllt.
       
       Diese Daten werte ich aus und gebe Feedback. Ansonsten bekomme ich immer
       wieder auch Rückmeldung von der Physiotherapie am Olympiastützpunkt
       Saarbrücken oder aus Bayreuth. Das ist natürlich nie der Idealzustand, aber
       die einzige Bedingung, unter der ich Triathleten überhaupt betreuen kann,
       weil mein Hauptjob beim Radteam Bora ist. So lange das für Anne oder Jan
       Frodeno in Ordnung ist, werde ich das machen.
       
       Wie problematisch ist es im Langstrecken-Triathlon, dass seriös nur zwei
       volle Wettkämpfe im Jahr möglich sind. Alles ist also auf einen Tag
       ausgerichtet, an dem Kopf und Körper funktionieren müssen. Kann man das
       überhaupt trainieren? 
       
       Man kann daran arbeiten, um unter Druck auf den Punkt seine Leistung
       abzurufen. Wenn man allerdings mit zehn Triathleten redet, stellt man fest,
       dass es zehn verschiedene Wege gibt. Ich habe ehrlicherweise Glück, weil
       Anne, Jan oder auch Lucy alles Wettkämpfer sind: Wenn die an der Startlinie
       stehen, ist der Race-Modus an.
       
       Wie viel ist bei einem Ironman Mentalität und wie viel Training? 
       
       Die Basis ist das Training. Wer seine Arbeit nicht macht, kann auch über
       den Kopf nicht genug abrufen.
       
       Die Pandemie hat im Triathlon noch mehr durcheinandergebracht als in
       anderen Sportarten: Zwei Auflagen auf Hawaii fielen aus, bei vielen litt
       die Motivation, bei Anne Haug aber nicht. Oder? 
       
       Tatsächlich hatte sie weniger Probleme, weil sie das Training so liebt; sie
       mag diesen Prozess, an ihrem Körper zu arbeiten, um besser zu werden.
       Deshalb konnte Anne mit der Corona-Zeit sehr gut umgehen.
       
       Müssen Sie Anne Haug auch dazu anhalten, mal eine Ruhepause einzulegen? 
       
       Das ergibt sich nach dem Hawaii-Rennen automatisch: Danach wird sie eine
       Woche lang durchatmen, nur sie würde es nicht gut finden, wenn ich ihr vier
       Wochen Pause gönnen würde. Sie fragt als Erste: „Kriege ich jetzt mal
       wieder einen Plan?“
       
       Im Schwimmen kann man einen Ironman nicht gewinnen, höchstens verlieren.
       Auf dem Rad fährt kaum jemand mehr alles in Grund und Boden. Also
       entscheidet der Marathon. Stimmt der Trend? 
       
       Man hat jetzt mehr Wissen als früher, kann jederzeit auf seinen Wattmesser
       schauen. Wer einst einem Norman Stadler auf dem Rad zehn Kilometer
       hinterher jagte, ist bald darauf explodiert. Das riskiert keiner mehr. Auf
       dem Rad wird deshalb mehr taktiert als früher; man sieht oft gar nicht die
       Leistung, die möglich wäre, weil jeder sich über die Folgen fürs Laufen im
       Klaren ist. Ich erwarte weder bei den Frauen noch den Männern, dass beim
       Radfahren jemand richtig weit rausbricht.
       
       Können Sebastian Kienle oder Patrick Lange die deutsche Siegesserie seit
       2014 noch mal verlängern oder gibt es an diesem Wochenende die Wachablösung
       durch die Norweger Kristian Blummenfelt oder Gustav Iden? 
       
       Die Norweger haben faszinierende Leistungen in diesem Jahr abgeliefert. Ich
       kenne die beiden Jungs gut. Wenn keiner von denen krank wird, stürzt oder
       einen Platten hat, wird es extrem schwer, sie auf Hawaii zu schlagen.
       
       6 Oct 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Hellmann
       
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