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       # taz.de -- Bundestagsabgeordnete in Taiwan: „Selbstverständliche Kontaktpflege“
       
       > Zum Ärger Pekings haben Abgeordnete aller Bundestagsfraktionen Taiwan
       > besucht. Wie fällt das Fazit der Delegation aus?
       
   IMG Bild: Im taiwanischen Außenministerium: die Abgeordnete Willsch (CDU) und Budde (SPD, rechts)
       
       Taipeh taz | Rund 50 Gruppen von Bundestagsabgeordneten pflegen Beziehungen
       zu bestimmten Ländern und besuchen sie regelmäßig. Die fünftägige
       Taiwanreise des „Parlamentarischen Freundeskreises Berlin-Taipei“ war da
       eigentlich keine Ausnahme. Doch „noch keine Reise hat für solche
       Aufmerksamkeit gesorgt“, sagte die Linke-Abgeordnete Caren Lay am
       Donnerstag zum Abschluss des Besuchs in Taiwans Hauptstadt Taipeh.
       
       Der Grund für die große Aufmerksamkeit ist die offizielle Ein-China-Politik
       und die von Peking vehement betriebene diplomatische Isolation der
       Inselrepublik, die nur von sehr wenigen Staaten diplomatisch anerkannt
       wird.
       
       Dabei sei der Besuch nur „selbstverständliche Kontaktpflege unter
       Parlamentariern“. Als „Rückkehr zur Normalität“ nach pandemiebedingter
       Unterbrechung bezeichnete Klaus-Peter Willsch (CDU) die Kernbotschaft der
       Reise.
       
       Neben taiwanischen Parlamentskollegen und dem dortigen Außenminister
       [1][trafen die deutschen Abgeordneten auch Präsidentin Tsai Ing-wen] und
       ihren Vizepräsidenten und wurden bei ihren Auftritten stets von Medien
       begleitet.
       
       Deren Fragen drehten sich vor allem um Berlins China-Politik und auch schon
       mal um die Chancen der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Taiwan. Weil
       sie da nichts zu entscheiden haben, mussten die Abgeordneten sich immer
       wieder für nicht zuständig erklären.
       
       Lay hatte „den Eindruck, man hält uns für Sprecher des Außenministeriums“.
       Sie war als erste Abgeordnete ihrer Partei seit gut 20 Jahren auf der Insel
       – die Linke legt traditionell weniger Augenmerk auf Taiwans Situation und
       mehr auf die Beziehungen zu Peking.
       
       Dass die sechsköpfige Gruppe jetzt alle Fraktionen umfasste, wurde in
       Taiwan als deutsche Unterstützung für die durch Chinas Machtansprüche
       bedrohte Demokratie gewertet.
       
       In deutschen Onlinekommentarspalten ernteten die Parlamentarier zuweilen
       heftige Kritik: Sie würden „Öl ins Feuer gießen“ und einen neuen
       geopolitischen Konflikt vom Zaun brechen.
       
       Sensibilisiert für die Spannungen um Taiwan ist Deutschland spätestens seit
       China im August auf eine [2][Taiwan-Reise von Nancy Pelosi], der
       Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, mit massiven Militärmanövern
       reagiert hatte. Nun dominierte Pekings Kritik an der Delegation die
       öffentliche Wahrnehmung.
       
       Dabei hatten bis zur Pandemie solche Reisen regelmäßig stattgefunden, ohne
       dass Peking je derart öffentlich protestiert hatte. Frank Schäffler (FDP)
       nannte Pekings Protestnote voller Floskeln, wie China sie regelmäßig zu
       Taiwan äußert, „unangemessen und verstörend“.
       
       „Nett sein gegenüber Diktaturen hat noch nie geholfen“, betonte auch die
       SPD-Abgeordnete Katrin Budde. Unter demokratischen Staaten gehöre es sich,
       Solidarität zu üben.
       
       ## Nächste Reisen in Planung
       
       Russlands Überfall auf die Ukraine hat gezeigt, wie latente Konflikte
       eskalieren können. Angesichts allgegenwärtiger Unsicherheiten wies Till
       Steffen (Grüne) auf Parallelen hin: So wie die Taiwaner trotz andauernder
       Bedrohung nicht in Panik verfielen, müsse Deutschland konkret an Lösungen
       für die Energiekrise arbeiten, um weniger anfällig zu werden.
       Unabhängigkeit von Energieimporten sei auch für Taiwan ein großes Thema.
       Deutschland könne vor allem bei Offshore-Windenergie und Wasserstoff helfen
       und selbst von Taiwans technologischer Innovationskraft lernen.
       
       So lieferte Taiwan jedem Delegationsmitglied Themen für die jeweilige
       Klientel. Dass die [3][Halbleiter-Großmacht] vor Chinas Küste „innerhalb
       der Lieferketten ein Glied von enormer Wichtigkeit für die deutsche
       Industrie ist“, diese Erkenntnis will Rainer Kraft seiner AfD-Fraktion
       vermitteln.
       
       Der FDP-Mann Schäffler möchte auf europäischer Ebene ein angedachtes
       Investitionsabkommen mit Taiwan wieder aufleben lassen. Auch ein
       Freihandelsabkommen wäre „wirtschaftlich wünschenswert“.
       
       Taiwanbesuche sollen in jedem Fall wieder Normalität werden. Noch dieses
       Jahr wird eine Delegation des Menschenrechtsausschusses erwartet. Für 2023
       sind Reisen weiterer Bundestagsabgeordneter sowie der SED-Opferbeauftragten
       Evelyn Zupke geplant.
       
       6 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Bardenhagen
       
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