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       # taz.de -- Energiepreisbremse der Bundesregierung: Es geht um Grundbedürfnisse
       
       > Die Regierung nimmt viel Geld in die Hand – gut so. Gezielte Hilfen sind
       > unrealistisch: Energie ist nicht das richtige Feld für
       > Gerechtigkeitspolitik.
       
   IMG Bild: Beim Heizen oder Kochen mit Gas geht es um Grundbedürfnisse
       
       Bürger:innen und Unternehmen blicken mit Angst auf den Winter, weil sie
       nicht wissen, welche Energiekosten auf sie zukommen. Sie fragen sich, ob
       sie im Kalten sitzen werden, ob sie ihre Rücklagen aufzehren müssen, ob sie
       die Produktion aufrechterhalten können, ob Kurzarbeit droht oder sie ihren
       Arbeitsplatz verlieren.
       
       Bundeskanzler Olaf Scholz wollte ihnen diese Sorgen nehmen, als er am
       Donnerstag [1][seinen „Doppelwumms“ ankündigte]: einen 200 Milliarden Euro
       schweren Schirm zur Abwehr der Energiekrise für drei Jahre. Das ist viel
       Geld. Aber keine Antwort auf die drängende Frage, wie teuer die Krise
       jede:n Einzelne:n kommt. Und angesichts der 500 Milliarden Euro, die die
       damalige Bundesregierung 2008 zur Rettung der Banken bereitgestellt hat,
       ist der „Wumms“ nicht so kräftig, wie er auf den ersten Blick erscheint.
       
       Die Regierung will eine Strom- und eine Gaspreisbremse. Aber wie die genau
       aussehen sollen, bleibt ebenso unklar wie der Zeitpunkt, ab dem sie gezogen
       werden. Unternehmen können weiterhin nicht kalkulieren, Privathaushalte
       bleiben in Unsicherheit. Eines ist allerdings klar: Teurer wird es auf
       jeden Fall, denn die Preise werden nicht gesenkt, sondern der Anstieg
       gedeckelt.
       
       Auch wenn 200 Milliarden viel sind – aus dem Topf muss viel finanziert
       werden: Unter anderem die 34 Milliarden Euro, [2][die mit der Gasumlage
       ursprünglich] von den Kund:innen kommen sollten, sowie die Finanzierung
       weiterer Ersatzbeschaffungskosten, die Energiekonzerne wegen ausbleibenden
       russischen Gases haben – viele weitere Milliarden.
       
       Auch Unternehmen, die aufgrund des Krieges in Schieflage geraten und nicht
       ausreichend von den Energiepreisbremsen erfasst werden, sollen davon
       profitieren. Wie viel das ist, ist unklar. Die geplante Strompreisbremse
       soll zwar durch die Abschöpfung übermäßiger Gewinne von Energiekonzernen
       finanziert werden. Reicht das aber nicht, wird Geld aus dem
       200-Milliarden-Topf genommen.
       
       Spannend ist also, wie viel für die Subventionierung der Gaskosten
       überhaupt übrig bleibt. Um welche Summen es geht, zeigen Berechnungen der
       gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Danach [3][würde ein
       Gaspreisdeckel allein für die Privathaushalte je nach Modell zwischen 15
       Milliarden und 37 Milliarden Euro] im Jahr kosten – hinzu kämen gewaltige
       Summen für Unternehmen. Die Wissenschaftler:innen gehen bei den
       niedrigeren Kosten von einem Grundkontingent von 5.000 Kilowattstunden pro
       Haushalt aus, das um 2.000 Kilowattstunde pro weitere Person im Haushalt
       aufgestockt wird. Deutlich teurer wäre eine Lösung, bei der der Preisdeckel
       für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs gelten würde. Es ist richtig, dass
       die Bundesregierung die Energiekosten subventioniert – und zwar spürbar.
       Von symbolischen Maßnahmen hat niemand etwas.
       
       Dass Energie gespart werden muss, wissen die Bürger:innen, auch wenn die
       Bundesnetzagentur in aktuellen Meldungen etwas anderes unterstellt. Der
       Gasverbrauch ist aktuell höher als im vergangenen Jahr. Aber es ist auch
       viel kälter. Der Vergleich des derzeitigen Verbrauchs mit ähnlich kalten
       Zeiten zeigt, dass bereits weniger geheizt wird. Den meisten
       Bürger:innen ist der Ernst der Lage bewusst – eine Preisbremse wird sie
       nicht vom Sparen abhalten.
       
       ## Preisexplosion trifft viele
       
       Ein häufiges Argument gegen die Preisbremse ist die „Gießkanne“: Weil auch
       Wohlhabende profitieren, die hohe Kosten wegstecken oder vielleicht nur auf
       den dritten Urlaub im Jahr verzichten müssten, sei die Energiepreisbremse
       sozial nicht treffsicher und sollte durch gezielte Zuschüsse ersetzt
       werden. Aber was ist in dieser Krise gezielt? Bis das politisch definiert
       ist, ist der Winter vorbei. Und die Preisexplosion betrifft weite Teile der
       Gesellschaft.
       
       Der Staat muss auch denen helfen, die ansonsten nicht auf Unterstützung
       angewiesen sind. Beim Heizen oder Kochen mit Gas geht es um
       Grundbedürfnisse. In Deutschland gibt es eine krasse Vermögensungleichheit,
       gegen die dringend etwas unternommen werden muss. Aber die Energiekrise
       ist dafür nicht das richtige Feld, das muss über eine gerechte Abgaben- und
       Steuerpolitik erfolgen. Doch da ist die Ampel leider bislang ein
       Totalausfall.
       
       30 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bundesregierung-verkuendet-Gaspreisbremse/!5880548
   DIR [2] /Umstrittene-Energieabgabe/!5880157
   DIR [3] https://www.boeckler.de/pdf/pm_imk_2022_09_30.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
       
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