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       # taz.de -- Empfehlung der Ständigen Impfkommission: Unmut über unzureichende Daten
       
       > Die Datenlage für die an Omikron-Varianten angepassten Impfstoffe ist
       > dünn. Die Stiko empfiehlt einen zweiten Booster weiterhin nur für
       > Risikogruppen.
       
   IMG Bild: In Bremen werden erstmals die überarbeiteten Corona-Impfstoffe verimpft
       
       Berlin taz | Die neue Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zur
       [1][Covid-19-Impfung] ist da. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
       hatte sie bereits angekündigt und „für jedes Alter eine Botschaft“
       gefordert. Hintergrund sind die neuen, an verschiedene
       [2][Omikron-Varianten angepassten Impfstoffe] und die Frage, wer genau sich
       denn nun damit impfen lassen soll.
       
       „An der grundsätzlichen Indikation ändert sich nichts“, sagt Christian
       Bogdan, Direktor des Mikrobiologischen Instituts am Universitätsklinikum
       Erlangen und Mitglied der Stiko, zur neuen Empfehlung. Mehrere Mitglieder
       der Stiko äußerten sich im Vorfeld kritisch zu politisch geweckten
       Erwartungen und zu der dünnen Datenlage bei den neuen Zulassungsstudien.
       
       Zunächst einmal die Empfehlung in kurzen Fakten: Eine Impfung mit den
       neuen, an die [3][Omikron-Varianten BA.1 und BA.4/5] angepassten
       Impfstoffen der Hersteller Biontech/Pfizer und Moderna ist nur für die
       Auffrischungsimpfung zugelassen und soll hier nun bevorzugt verwendet
       werden. Eine Auffrischungsimpfung (also dritte Impfung nach der
       Grundimmunisierung) wird allen Menschen ab 12 empfohlen. Eine zweite
       Auffrischungsimpfung (also 4. Impfung) wird weiterhin nur Menschen ab 60
       sowie jüngeren, immungeschwächten Menschen und Menschen mit besonders hohem
       Ansteckungsrisiko – etwa Pflegekräften – empfohlen.
       
       Die Daten, auf deren Grundlage die neuen Impfstoffe zugelassen wurden,
       wurden dabei von mehreren Expert:innen kritisiert. So sind für die
       Zulassung des BA.1-Impfstoffs nur wenige Hundert Proband:innen geimpft
       wurden. Untersucht wurde im Gegensatz zu den vorhergehenden Impfstoffen
       lediglich die Antikörperantwort, nicht der Schutz vor Ansteckung oder
       schwerem Verlauf. Nicht ideal, aber: „Es ist legitim anzunehmen, dass mit
       einer verbesserten Antikörperantwort ein besserer Immunschutz einhergeht“,
       sagt Bogdan.
       
       ## Hausärzt:innen warten auf neue Impfstoffe
       
       Ab dieser Woche soll aber auch der BA.4/BA.5-Impfstoff in Deutschland
       verfügbar sein. Viele Menschen warten – auch auf Empfehlung ihrer
       Hausärzt:innen –, darauf, denn die Variante BA.5 ist inzwischen absolut
       vorherrschend in Deutschland. Ausgerechnet bei diesem Impfstoff ist die
       Datenlage aber noch dünner. Die Hersteller haben hier lediglich eine
       Mausstudie zur Zulassung eingereicht.
       
       „Es ist nicht nachvollziehbar, dass keine Humandaten vorliegen“, sagt
       Bogdan. „Da stellen sich mir die Nackenhaare auf, aber wir müssen mit dem
       arbeiten, was da ist“, bekräftigt Jörg Meerpohl, Direktor des Instituts für
       Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg und ebenfalls
       Mitglied der Stiko. Eine neue Impfung, so Meerpohl, würde auf dieser
       Grundlage überhaupt keine Empfehlung durch die Stiko bekommen.
       
       Bogdan und Meerpohl betonen, dass es keinen Grund zu der Annahme gebe, dass
       die angepassten Impfstoffe bedenklich seien. Allerdings dürfe es nicht zum
       neuen Standard in der Zulassung werden, dass Annahmen zur Wirksamkeit und
       Verträglichkeit allein über Analogien zu vorherigen Impfstoffen getroffen
       werden. „Omikron gibt es seit neun Monaten, da hätten wir uns seitens der
       Hersteller mehr gewünscht“, so Meerpohl. „Für die Zukunft ist das keine
       akzeptable Situation.“ Auch der Vergleich mit den jährlich angepassten
       Grippeimpfstoffen hinke laut Bogdan, da dieser auf Jahrzehnten an Erfahrung
       beruhe.
       
       ## Vierte Impfung für alle, die gut durch den Winter wollen?
       
       Zurück zum Bundesgesundheitsminister, der in Wortbeiträgen und den sozialen
       Medien immer wieder betont, wie nützlich der angepasste Impfstoff auch für
       Jüngere sei. Also doch eine vierte Impfung für alle, die gut durch Herbst
       und Winter kommen wollen?
       
       Bogdan betont zum einen, dass aktuelle Studien nahelegten, dass die
       Immun-Vorerfahrung durch Impfung oder Infektion in der Bevölkerung bereits
       bei 95 Prozent läge. 26 Millionen Menschen hätten sich laut offizieller
       Statistik seit Anfang des Jahres mit Omikron infiziert. „Diese Zahl können
       Sie getrost mal zwei nehmen“, so Bogdan. Viele Infektionen werden
       inzwischen nicht mehr statistisch erfasst, das Testaufkommen ist massiv
       zurückgegangen.
       
       Ein immungesunder Mensch, der dreimal geimpft oder grundimmunisiert und
       genesen ist, brauche vor diesem Hintergrund erst einmal keine weitere
       Impfung, erklärt Bogdan zur aktuellen Stiko-Empfehlung. Infektionen, auch
       wenn sie mit Fieber und Krankheitsgefühl einhergehen, seien aus
       immunologischer Sicht kein schweres Ereignis und kein Grund für eine
       Impfung. Bogdan beklagt „die Idee, die in der Bevölkerung
       bedauerlicherweise durch ungünstige politische Äußerungen getriggert wurde,
       man müsse jetzt auch harmlose Infektionen verhindern, indem man sich am
       besten alle drei Monate impfen lässt.“
       
       Bleibt noch die Frage nach Long Covid. Man sehe anteilig deutlich weniger
       Long-Covid-Fälle als vor der Verfügbarkeit der Impfstoffe und seit Omikron
       noch einmal weniger, sagt Christine Falk, Präsidentin der Deutschen
       Gesellschaft für Immunologie und Mitglied des Corona-Expertenrats der
       Bundesregierung. Sowohl sie als auch Bogdan beklagen aber die Unschärfe in
       der Diagnose und die schlechte Datenlage insgesamt. Eine Empfehlung für
       eine vierte Impfung zur Verhinderung von Long Covid lasse sich daraus nicht
       ableiten.
       
       20 Sep 2022
       
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       Die Ständige Impfkomission empfiehlt Menschen über 60 Jahren eine zweite
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       infiziert.