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       # taz.de -- Proteste für Frauenrechte in Iran: Brennende Autos und Festnahmen
       
       > Die 28-jährige Sahar Gadan war bei einer Demonstration in Rasht im
       > Nordiran mit dabei. Ein Protokoll aus einer Stadt im Ausnahmezustand.
       
   IMG Bild: „Was wir hier zur Zeit erleben, ist anders als jemals zuvor“, so unsere Autorin
       
       Rasht taz | Ich kann nicht glauben, dass ich noch lebe. Es sind
       unglaubliche Szenen, die in Rasht passieren. Es herrscht ein Krieg zwischen
       den Sicherheitskräften und [1][den Protestierenden]. Wir waren auf der
       Straße unterwegs und ich sah mit eigenen Augen, wie ein Polizeiauto in die
       Menge fuhr. Es hielt kurz an und explodierte auf einmal.
       
       Ich war mit ein paar Leuten unterwegs, wir wollten umdrehen, doch dann
       sahen wir einen Mann, der vor unseren Füßen zusammenbrach. Er war so um die
       40 Jahre alt. Wir haben ihn gefragt, ob es ihm gut geht. Erst dann merkten
       wir, dass er stark am Kopf blutete. Einige fotografierten ihn, um die
       Gewalt zu dokumentieren. Ich hoffe, dass der Mann überlebt hat.
       
       Dann wechselten wir die Richtung und kamen in eine Menge, in der laut
       geschrien wurde. Alles war voller Rauch. Überall atmete man Tränengas ein.
       Auch dort wurde wieder ein Auto angezündet. Dann stürzten die
       Repressionseinheiten wieder in die Menge. Es waren unterschiedliche Kräfte
       dabei: die Polizei, die Revolutionsgarde, die Basidschis (paramilitärische
       Miliz in Iran) und andere. Wir drehten wieder um.
       
       Dann kamen wir auf den „Shahrdari“-Platz, das Zentrum von Rasht. Dort war
       es erstaunlich ruhig. Menschen saßen entspannt in Restaurants beim Essen.
       Viele Kinder waren zu sehen. Dann marschierten auch dort die
       Sicherheitskräfte ein. Der Platz war völlig leer und sie setzten trotzdem
       Tränengas ein. Der Krieg geht definitiv vom Staat aus. Die Menschen
       versuchen lediglich sich zu wehren.
       
       „Es herrschte Krieg“ 
       
       Wir kamen in eine der berühmtesten Straßen von Rasht, den „Golsar“. Dort
       trafen wir eine junge Frau, die uns berichtete, dass ihre Freundin verletzt
       wurde. Die Sicherheitseinheiten nahmen auch hier wahllos Menschen fest. Wir
       rannten weg. Egal wo wir in Rasht landeten, es herrschte Krieg. Die
       Protestierenden sind kaum dazu gekommen, [2][Parolen zu rufen], da sie sich
       ständig verteidigen mussten. Wir trafen auf eine Menge von
       schwarzgekleideten Jugendlichen, die versuchten sich gegen die
       Sicherheitskräfte zu wehren. Sie wurden vor unseren Augen festgenommen.
       Dann sperrten sie einen Laden.
       
       Über eine Gasse wollten wir der Situation entkommen. Dort sahen wir mehr
       als 800 Milizen, die „Allahu Akbar“ und „Heydar, Heydar“ riefen. Auch sie
       verhafteten wahllos Jugendliche. Aus Sicherheitsgründen hatten wir weder
       Handys noch Bankkarten dabei. Wir hatten auch kein Geld mehr. Wir
       versuchten einen Ausweg zu finden, dann landeten wir in dem Viertel „Sabzeh
       Meydan“, wo einige der Protestierenden eine Busstation anzündeten.
       
       Was wir hier zur Zeit erleben, ist anders als jemals zuvor. Es ist auch
       nicht vergleichbar mit den [3][großen Protesten 2009]. Der Unterschied ist,
       dass die Proteste nicht nur auf den Hauptplätzen und Straßen der Stadt
       stattfinden. In jedem kleinen, armen Viertel kommt es zu unglaublichen
       Auseinandersetzungen. Es ist in unserer Geschichte einmalig, dass sogar
       junge Männer aus der ArbeiterInnenklasse und der Unterschicht sich in den
       Protesten, wo es konkret um Genderungerechtigkeit und die gesamte Diktatur
       geht, zur Wehr setzen. Es ist der revolutionärste Protest unserer Zeit.
       
       Aus dem Persischen: Mina Khani. Aus Sicherheitsgründen wurde der Name der
       Autorin geändert.
       
       25 Sep 2022
       
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