# taz.de -- Proteste in Iran: Viele Tote, viel Widerstand
> Videos und Bilder aus Iran zeigen, wie der Staat versucht, die Proteste
> aufzuhalten. Gerade in den kurdischen Gebieten sind die Repressionen
> hart.
IMG Bild: Schaufensterpuppen mit islamischer Kopfbedeckung in der iranischen Stadt Sanandaj (Archivbild)
Berlin taz | Die Ausschreitungen zwischen Protestierenden und
Sicherheitskräften in Sanandaj – kurdisch Sine genannt –, Hauptstadt der
westiranischen Provinz Kurdistan, nehmen weiter zu.
Zahlreiche Videos und Bilder, die von kurdischen Journalisten:innen
und Menschenrechtsorganisationen verifiziert wurden, zeigen, dass viele
Straßen in und nach Sanandajs von Protestierenden gesperrt wurden. Die
[1][kurdische Menschenrechtsorganisation Hengaw] schreibt auf Twitter:
„Sanandaj hat die islamische Republik lahmgelegt.“
Schon am Samstag vermeldete sie vier Tote in der Stadt. Augenzeugen
berichten der taz, dass mehr als 20 Menschen allein in den letzten beiden
Tagen in Sanandaj erschossen wurden. Sie berichtet weiter, dass die Stadt
in der Nacht von Sonntag zu Montag einen ihrer seit Beginn der Proteste
unruhigsten Moment erlebte.
Die Polizeikräfte des Regimes sollen in Sanandaj laut Augenzeugen auch
Kriegswaffen eingesetzt haben. Hengaw bestätigt das.
## Der kurdische Einfluss
Dennoch sind wohl viele Protestierende hoffnungsvoll. Hengaw
veröffentlichte etwa diese Nachricht aus der Stadt: „Heute Nacht riecht es
in Sanandaj nach einer Revolution. Wir haben die Sicherheitskräfte des
Staates in allen Stadtteilen zurückgedrängt.“
Doch der iranische Staat versucht nun, in die Offensive zu gehen. Videos in
den sozialen Medien zeigen Brände in unterschiedlichen Stadtteilen
Sanandajs. Aus dem Viertel Baharan wurde gegen Mitternacht über Hangaw
gemeldet, dass die Kräfte des Regimes nicht aufhören würden, scharf zu
schießen. Andere Bilder in den sozialen Medien sollen zeigen, dass der
Staat neue Kräfte Richtung Sanandaj schickt, um den anhaltenden Protesten
zu begegnen.
Sasan Amjadi, ein kurdisch-iranischer Analyst, erklärt der taz: „Laut
unbestätigten Berichten aus Sanandaj ist die Anzahl der Toten viel höher
als bestätigt. Gesichert ist aber, dass der Staat versucht, die Stadt
Sanandaj zu militarisieren. Sie versuchen, die kurdische Gesellschaft dazu
zu bringen, sich wehren zu müssen. Vor allem die Parteien in Kurdistan
sollen zur Reaktion gezwungen werden.“ Der militärische Druck solle
außerdem die ethnische Spaltung in Iran vertiefen.
[2][Jila Mostajer], Direktorin von Hengaw, bestätigt die harten
[3][Repressionen des Staates in den kurdischen Gebieten]. In einem
Interview mit dem in London ansässigen, auf Persisch sendenden
Fernsehsender Manoto sagt sie: „Es gibt viele Meldungen von Toten, aber
auch viel Widerstand.“ Seit Tagen werde massiv protestiert und gestreikt.
Die Proteste würden sich radikalisieren, so die kurdische
Menschenrechtsaktivistin.
In der Provinz Kurdistan wurde seit Beginn der landesweiten Proteste Mitte
September insgesamt dreimal zum Generalstreik aufgerufen – mit Erfolg. Auch
die ersten Szenen von Frauen, die ihre Kopftücher öffentlich abgelegten,
stammten aus Kurdistan – von der Beerdigung [4][Mahsa „Zhina“ Aminis].
Die kurdische Zivilgesellschaft, darunter auch die Familie von Mahsa
„Zhina“ Amini, haben eine entscheidende Rolle dabei gespielt, dass ihr Tod
als Femizid verstanden wird. Auch in anderen Städten des Iran rufen die
Protestierenden die kurdische Parole „Frauen, Leben, Freiheit“ (Zhin,
Zhian, Azadi). Das hat dafür gesorgt, dass Kurd:innen mehr als denn je
als Teil des Widerstands gegen den Staat Iran verstanden werden.
11 Oct 2022
## LINKS
DIR [1] https://hengaw.net
DIR [2] https://mobile.twitter.com/jilamostajer
DIR [3] /Proteste-in-Iran/!5884701
DIR [4] /Nach-dem-Tod-von-Mahsa-Zhina-Amini/!5881370
## AUTOREN
DIR Mina Khani
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