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       # taz.de -- Klimaschutz im Wohnungsbau: Mit gutem Willen und etwas Kohle
       
       > Der Hamburger Senat hat untersuchen lassen, wie der Bestand an Wohnungen
       > bis 2045 klimaneutral werden könnte. Er setzt auf Kooperation und
       > Förderung.
       
   IMG Bild: Viel zu tun für Handwerker: Wärmeisolierung
       
       Hamburg taz | Dämmung, neue Fenster, Nahwärme: [1][Den Hamburger
       Wohnungsbestand bis 2045 klimaneutral zu gestalten] ist machbar, ohne dass
       es zu einem Aufstand der Mieter und Eigentümer kommt. Eine Studie im
       Auftrag des rot-grünen Senats hat ermittelt, dass dafür 1,7 statt bisher
       ein Prozent des Bestandes pro Jahr im Sinne des Klimaschutzes saniert
       werden könnten.
       
       Stand September vergangenen Jahres dürfte das 32 Milliarden Euro kosten.
       Der Senat setzt dabei auf den Anreiz hoher Energiepreise und die
       ökologische Einsicht der Vermieter. Zudem will er ein neues Förderprogramm
       auflegen, für das er in den nächsten vier Jahren in Summe 210 Millionen
       Euro locker macht.
       
       Auf ordnungsrechtliche Vorgaben, die über die des Hamburger
       Klimaschutzgesetzes hinausgehen, will Stadtentwicklungssenatorin Dorothee
       Stapelfeldt (SPD) verzichten. Das Gesetz sieht vor, dass nach einem
       Heizungstausch [2][ein „Mindestanteil von 15 Prozent des
       Wärmeenergiebedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt“ werden muss].
       
       Die Studienautoren der fünf beteiligten Beratungsbüros gehen davon aus,
       dass der größte CO2-Minderungseffekt sich durch eine CO2-freie Strom- und
       Wärmeversorgung einstellt. Diese ergibt sich zum einen auf
       bundespolitischer Ebene durch den [3][steigenden Anteil an grünem Strom],
       auf Landesebene durch die Bemühungen des Senats, [4][die von der Stadt
       bereit gestellte Fernwärme CO2-neutral zu machen].
       
       ## Größter Hebel bei Nachkriegsbauten
       
       Für das, was darüber hinaus geht, schlägt die Studie einen
       Sanierungsfahrplan vor. Das heißt, gesteuert durch Fördergeld soll zunächst
       dort investiert werden, wo es am meisten bringt und wo die Mieter am
       wenigsten belastet werden. Das betrifft zum einen Maßnahmen, die wenig
       kosten und zum Teil schon vorgeschrieben sind, wie den hydraulischen
       Abgleich der Heizung oder effiziente Heizungspumpen.
       
       Zum anderen haben die Berater eine Baualtersklasse ausgemacht, die sich als
       erstes Sanierungsziel eignet. „Wir können erkennen, welche Bestände die
       größte Hebelwirkung haben“, sagte Dietmar Walberg von der Kieler
       Arbeitsgemeinschaft für zeitgenössisches Bauen (Arge), und das seien die
       oft sehr anspruchslos gemachten Häuser aus dem Wiederaufbau der Jahre 1949
       bis 1978.
       
       Die von den Studienautoren vorgeschlagene Sanierungsrate ist so gewählt,
       dass die energetischen Verbesserungen an den Gebäuden in der Regel als
       Sanierungen verbucht werden können. Im Gegensatz zu Modernisierungen können
       diese nicht auf die Mieter umgelegt werden. Der Clou dabei ist, dass keine
       Bauteile ausgetauscht werden, bevor sie nicht das Ende ihrer Nutzungsdauer
       erreicht haben.
       
       Der Umweltverband BUND kritisierte, dass Stadtentwicklungssenatorin
       Stapelfeldt explizit auf Freiwilligkeit setzt. Dabei seien doch bereits
       deutlich niedrigere Fördertöpfe in der Vergangenheit bei weitem nicht
       ausgeschöpft worden. „Eine verantwortungsvolle Klimapolitik braucht aber
       klare politische Vorgaben, zumal der Gebäudesektor für rund 30 Prozent des
       Energieverbrauchs in Deutschland verantwortlich ist“, sagt
       BUND-Landesgeschäftsführer Lucas Schäfer.
       
       ## Linke fordert Vorgaben
       
       Aus Sicht der Bürgerschaftsabgeordneten Heike Sudmann von der Linken geht
       es nicht ohne staatliche Vorgaben: „Wir brauchen im gesamtstädtischen
       Interesse für die Energiewende eine starke staatliche Komponente, die die
       Fernwärme und Energiekonzepte für Quartierslösungen auch ordnungspolitisch
       präferiert.“
       
       Der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), in dem vor allem
       Genossenschaften und öffentliche Unternehmen organisiert sind, lobte eben
       diesen Quartiersansatz, den er schon lange fordert. Dieser überlässt es den
       Unternehmen, ob sie Fassaden dämmen oder lieber die Abwärme eines
       benachbarten Industriebetriebes anzapfen. Das könnte auch eine Lösung sein
       für die zwölf Prozent der Wohngebäude, deren Fassade nicht gedämmt werden
       soll, weil sie denkmalgeschützt ist oder das Stadtbild prägt.
       
       12 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wohnungsbau-versus-Klimaziele/!5819024
   DIR [2] https://www.hamburg.de/klimaschutzgesetz/14754374/pflicht-zur-nutzung-erneuerbarer-energien/
   DIR [3] /Hamburgs-CO2-Bilanz-2019/!5813665
   DIR [4] /Klimaschutz-in-Hamburg/!5813984
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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       Umweltverbände.