# taz.de -- Geflüchtete in Deutschland: Nicht alle gleich erwünscht
> Die Innenministerin spricht sich für Solidarität mit ukrainischen
> Geflüchteten aus – und gegen illegale Einreise. Und was ist mit Syrern
> und Afghanen?
IMG Bild: Unterkunft für Geflüchtete in Berlin
Man muss sich diesen Satz von Nancy Faeser auf der Zunge zergehen lassen:
„Wir sind gemeinsam in der Verantwortung, illegale Einreisen zu stoppen,
damit wir weiter den Menschen helfen können, die dringend unsere
Unterstützung brauchen.“ Das sagte die Bundesinnenministerin am Dienstag
nach einem [1][Spitzengespräch zur aktuellen Flüchtlingssituation]. Ja,
zurzeit suchen viele Menschen Schutz in Deutschland. Ja, vielerorts sind
die Kommunen am Rande ihrer Kapazitäten. Und trotzdem ist Faesers Satz
grundfalsch.
Zum einen verschleiert er, dass das Ressourcenproblem in vielen Fällen ein
hausgemachtes ist. Natürlich sind die Plätze in Aufnahmeeinrichtungen rar,
weil man in den vergangenen Jahren Menschen gezwungen hat, dort unnötig
lange zu leben – um eine [2][Flucht nach Deutschland] möglichst unattraktiv
zu machen. Natürlich mangelt es an bezahlbarem Wohnraum und an Kitaplätzen
für Geflüchtete, wenn davon ohnehin schon zu wenig da ist – weil politisch
immer anderes wichtiger ist.
Vor allem aber straft dieser Satz Nancy Faeser Lügen, wenn sie kurz danach
erklärt, es gebe keine unterschiedliche Behandlung von Geflüchteten. „Wir
geben Menschen aus humanitären Gründen Aufenthalt in der Bundesrepublik“,
so Faeser. Aber, so der Subtext: Wer aus der Ukraine kommt, braucht Hilfe.
Wer über die Balkanroute kommt, reist illegal ein – und muss möglichst
ferngehalten werden.
Allein: Der Großteil derer, die ankommen, sind Geflüchtete aus Syrien und
Afghanistan. Menschen also, die vor Gewalt und Krieg fliehen. Und die –
anders eben als die Ukrainer*innen – kaum Wege haben, Deutschland legal
zu erreichen. Die häufig überhaupt nur dann hier einen Asylantrag stellen
können, wenn sie illegal einreisen, nach langwieriger und oft
lebensgefährlicher Flucht über Land und Meer.
Und das nicht zuletzt, weil die Bundesregierung seit Monaten die Umsetzung
ihrer Versprechen zum Beispiel an die Menschen in Afghanistan verschleppt.
Mehr als ein Jahr ist seit dem Abzug aus Afghanistan vergangen. Noch immer
harren dort Tausende in Not aus, teils sogar mit Aufnahmezusage aus
Deutschland. Noch immer ist von dem [3][Bundesaufnahmeprogramm], das die
Ampel-Koalition versprochen hat, nichts zu sehen.
Diesen Menschen wirft Nancy Faeser nun vor, dass sie ihr Leben selbst zu
retten versuchen. Mehr noch, sie spielt sie gegen die Geflüchteten aus der
Ukraine aus: Wir können den einen nur dann weiterhin helfen, wenn die
anderen wegbleiben. Not derart nach Herkunft zu priorisieren, ist einer
humanen Flüchtlingspolitik unwürdig.
11 Oct 2022
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## AUTOREN
DIR Dinah Riese
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