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       # taz.de -- Arbeitskräftemangel und Besteuerung: Familienarbeit berücksichtigen!
       
       > Das Ehegattensplitting komplett abschaffen? Hilfreicher wären bessere
       > Kinderbetreuung, bessere Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung.
       
   IMG Bild: Um mehr Frauen in Erwerbsarbeit zu bringen, müsste auch die institutionelle Kinderbetreuung ausgebaut werden
       
       Die Abschaffung [1][des Ehegattensplittings] ist ein heikles Thema, auch in
       linken Milieus. Die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes, [2][Yasmin
       Fahimi], erklärte in einem Interview mit der Rheinischen Post, der
       Steuervorteil durch das Ehegattensplitting sei ein Anreiz für viele Frauen,
       ihre Erwerbsarbeit nicht auszuweiten und in einem Teilzeitjob zu verharren.
       Fahimi plädiert unter anderem dafür, das Splitting, das ungleich
       verdienende Paare vor steuerlichen Nachteilen schützt, abzuschaffen.
       
       Solche Forderungen haben immer einen Beigeschmack, als wolle man Paaren
       (das können auch gleichgeschlechtliche sein) mit sehr ungleicher Verteilung
       der bezahlten Erwerbsarbeit ihre Lebensform vermiesen. In den allermeisten
       Haushalten hat die ungleiche Verteilung von Erwerbsarbeit zwischen den
       Partner:innen aber etwas mit der unbezahlten Familienarbeit zu tun, die,
       immer noch überwiegend von Frauen, zu Hause geleistet wird. Mitunter sind
       auch die Arbeitsbedingungen im Job der Grund, warum Frauen neben der
       Familie eben keine Vollzeitstelle schaffen. Das lässt sich [3][in der
       Pflege beobachten], wo viele ihre Entlastung durch Teilzeitstellen quasi
       selbst finanzieren.
       
       Man sollte also vorsichtig sein mit der Forderung nach der kompletten
       Abschaffung des Ehegattensplittings, das übrigens keine Bevorteilung,
       sondern nur eine Gleichstellung von Paaren mit hohem Einkommensgefälle
       gegenüber Paaren mit gleichem Verdienst darstellt. Um mehr Frauen in
       Erwerbsarbeit zu bringen, müssen die institutionelle Kinderbetreuung
       ausgebaut und die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in bestimmten
       Dienstleistungsberufen deutlich verbessert werden.
       
       Die Ampel will das monatliche steuerliche Lohnabzugsverfahren bei Paaren
       verändern und die Steuerklasse 5 tilgen, das Ehegattensplitting aber nicht
       grundsätzlich abschaffen. Das Wirtschaftsinstitut DIW geht weiter, es
       fordert die Abschaffung der Splittingvorteile für sehr hohe Einkommen, will
       den Familien mit mittleren oder geringen Einkommen aber keine Einbußen
       zumuten. Das ist ein gangbarer Weg.
       
       12 Oct 2022
       
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