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       # taz.de -- Jubel bei Deutschlands WM-Gegner Spanien: Wenn die Krise die Seiten wechselt
       
       > Spaniens Fußballer gewinnen in Portugal und stehen im Final Four der
       > Nations League. Bei den Gegnern um Cristiano Ronaldo herrscht
       > Katerstimmung.
       
   IMG Bild: Freude pur: Vorbereiter Nico Williams freut sich mit dem Torschützen Alvaro Morata über den Siegtreffer
       
       Braga taz | Was ein Tor im Fußball nicht alles auslösen kann. Auch wenn es
       vor einem offenen Blick auf Hügel und Nadelbäume fällt wie Álvaro Moratas
       Siegtreffer zum 1:0 von Spanien in der Nations League bei Portugal am
       Dienstagabend. Dass hinter dem Tor keine Fans feierten oder aufstöhnten,
       hatte allein mit der imposanten Architektur des Stadions von Braga zu tun,
       das an den Kopfseiten offen in den Berg geschlagen ist. Aber nicht mit
       mangelnder Brisanz in diesem iberischen Duell.
       
       Die euphorischen Reaktionen auf der einen Seite und die tief deprimierten
       auf der anderen lieferten davon nach dem Schlusspfiff ein akkurates Bild.
       Spanien statt Portugal bestreitet jetzt das Final Four der Nations League
       gegen Kroatien, Italien und die Niederlande. Aber vor allem wechselte das
       in den volatilen Zeiten einer atypischen WM-Vorbereitung besonders
       gefürchtete Wort Krise mal eben die Seiten.
       
       Dabei hatte nicht nur das Prestigeblatt El País vor dem Match noch
       „Lähmung“ und „Mutlosigkeit“ um eine „in all ihren Registern defizitäre
       Auswahl“ konstatiert. Auch in der ersten Stunde von Braga machte
       Deutschlands WM-Gruppengegner da weiter, wo er bei einem 1:2 gegen die
       Schweiz am Samstag aufgehört hatte. Verunsicherte, formschwache und
       geradezu medioker wirkende Spieler schoben sich so ideenlos den Ball zu,
       wie man das zuletzt bei der WM 2018 vor Beginn der Amtszeit von
       Nationaltrainer Luis Enrique gesehen hatte.
       
       Doch dann brachte dieser sukzessive den angestammten Strategen Sergio
       Busquets, dessen hochbegabte Mittelfeldkollegen Pedri und Gavi sowie die
       furchtlosen Youngster Yéremy Pino und Nico Williams auf den Flügeln. Ab der
       70. Minute begann Spanien aufs Tor zu schießen, in der 88. Minute fiel der
       Treffer und wie bei Sport jubelte es von allen Titelseiten: „Episch!“
       
       ## Plötzlich Genie
       
       Und so ist [1][Luis Enrique] jetzt mehr der eigenwillige Kauz, der wie
       gegen die Schweiz fünf Klub-Reservisten in die Startelf stellt, sondern der
       geniale Mängelverwalter, der aus Zutaten ohne die ganz große Klasse eine
       formidable Mannschaft kredenzt. Sogar die Schuld für die erste Halbzeit
       nahm er auf sich, er habe den Spielern mit seiner Warnung vor Ballverlusten
       wohl den Mut zum Angriff genommen. Freilich habe die Anfangself so „den
       Rivalen müde gespielt“. [2][Ähnlichkeiten mit dem WM-Titel 2010], als nach
       dieser Masche alle vier K.o.-Runden-Spiele mit 1:0 gewonnen wurden, müssen
       fürs erste dennoch als eher zufällig gelten.
       
       Zu viele Chancen konzedierte Spanien vorher sogar gegen ein defensives
       Portugal, zu deutlich bleiben die Probleme vor allem im Angriff, wo Luis
       Enrique hoffen muss, dass sich alsbald doch noch ein paar brauchbare
       Partner für Morata herausschälen. Selber können die Nationaltrainer einen
       Profi kaum mehr stark machen, das nächste Länderspielfenster ist schon die
       WM.
       
       Diesen Umstand mag auch ein Portugal verfluchen, das arg in der
       Cristiano-Ronaldo-Falle steckt. Der fünfmalige Weltfußballer ist bei seinem
       Klub Manchester United nur noch Ersatz und wirkt zum ersten Mal in seiner
       Karriere gehemmt und verunsichert. Als Nationalheld, Kapitän und 117-facher
       Länderspieltorschütze hat er aber natürlich trotzdem zu spielen – in Braga
       über die vollen 90 Minuten, obwohl er seine Torchancen teils kläglich
       vergab. Alternativen gäbe es in Fernando Santos’ Kader von Hochbegabten
       reichlich, „mehr Portugal, weniger Ronaldo“ wünscht sich inzwischen nicht
       nur das Sportblatt A Bola.
       
       Die Portugiesen nervt vor allem der Santos’sche Resultatsfußball, den man
       schon in der WM-Qualifikation mit einem späten Gegentor der Serben und so
       dem Umweg über das Playoff bezahlt hatte. Auf die Parallelen angesprochen
       reagierte Santos ebenso gereizt wie auf die Frage, ob er einen Rücktritt
       noch vor der WM erwäge. „Mein Vertrag läuft bis 2024, klarer kann ich mich
       wohl nicht ausdrücken“, sagte er im Steinbruch von Braga, wo sich mal
       wieder zeigte, was ein Tor so alles verändern kann.
       
       28 Sep 2022
       
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   DIR Florian Haupt
       
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