URI: 
       # taz.de -- Zahlen zu Abschiebungen aus Berlin: Nachts geht es am einfachsten
       
       > Linkspartei-Abgeordnete Elif Eralp kritisiert hohe Abschiebezahlen nach
       > Moldau und zur Nachtzeit: Koalition halte sich nicht an eigene
       > Versprechen.
       
   IMG Bild: Ein Plüschtier im Kinderzimmer des Abschiebegebäudes auf dem Flughafen Schönefeld (Feb. 2017)
       
       Berlin taz | Die rot-grün-rote Koalition schiebt weiter fleißig ab: Von
       Januar bis Ende August gab es insgesamt 570 „Rückführungen“ aus Berlin.
       Dies geht aus bislang unveröffentlichten Antworten der Innenverwaltung auf
       eine schriftliche Anfrage der Abgeordneten Katina Schubert und Elif Eralp
       (beide Linkspartei) hervor, die der taz exklusiv vorliegen. Damit hat der
       Senat sogar die [1][Zahlen vom Vorjahreszeitraum] übertroffen (516
       Abschiebungen). Zudem wurden im Zeitraum 1. Januar bis 13. September 93
       Personen „anlässlich von Abschiebemaßnahmen“ zwischen 21 Uhr abends und 6
       Uhr morgens von der Polizei abgeholt. Solche „Nachtabschiebungen“, die
       insbesondere für Kinder, Ältere und kranke Menschen als sehr belastend
       gelten, seien „nicht akzeptabel“, sagte Eralp der taz.
       
       Tatsächlich hat R2G im Koalitionsvertrag vereinbart, „auf nächtliche
       Abschiebungen“ solle „verzichtet werden.“ Dass dennoch etwa jede 6.
       Abschiebung zur Nacht stattfindet, begründet die Innenverwaltung
       regelmäßig, so auch in dieser Antwort, mit organisatorischen Gründen. „Die
       Festnahmen zur Nachtzeit erfolgen aufgrund von verbindlichen Vorgaben der
       Zielstaaten zu Abflug- und Ankunftszeiten“, so Staatssekretär Torsten
       Akmann in der Antwort.
       
       Allerdings heißt es im Aufenthaltsgesetz (§ 58 Absatz 7), dass die
       Organisation einer Abschiebung kein Grund ist, die Wohnung eines Ausländers
       nachts zu betreten. [2][Bereits im März wies der Berliner Flüchtlingsrat
       daher darauf hin], dass nächtliche Abschiebungen mit dieser Begründung
       rechtswidrig seien.
       
       Die meisten Menschen, die 2022 bis Ende August abgeschoben wurden, waren
       Staatsbürger*innen von Moldau (169), Bosnien und Herzegowina (118),
       Serbien (44), Polen (26) und Russland (24). Ob sie tatsächlich in ihr
       Herkunftsland abgeschoben wurden, geht aus der Antwort nicht hervor, denn
       die Zielländer von Abschiebungen würden „statistisch nicht erfasst“, so
       Akmann.
       
       ## Kein Asyl für Rom*nja aus Moldau
       
       Eralp kritisert vor allem die hohe Zahl von abgeschobenen Moldawier*innen,
       von denen die meisten vor Beginn des Ukrainekrieges im Januar und Februar
       abgeschoben wurden. Das kleine Land südlich der Ukraine ist eines der
       ärmsten in Europa, seit einigen Jahren kommen von dort relativ viele
       Flüchtlinge, dieses Jahr ist Moldau unter den „Top 10“ der
       Asyl-Herkunftsländer.
       
       Die Geflüchteten aus Moldau sind oftmals Rom*nja, die [3][laut
       Hilfsorganisationen wie Pro Asyl und Berliner Flüchtlingsrat systematisch
       diskriminiert] werden. Dennoch werden ihre Asylanträge in Deutschland nie
       anerkannt und in der Regel ohne sorgfältige Einzelfallprüfung als
       „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt.
       
       Da die [4][Republik Moldau bereits zu Beginn des Ukrainekrieges ihren
       Luftraum sperrte], wurden von April bis Juli keine Menschen dorthin
       abgeschoben, allerdings wurden 17 Moldawier*innen nach der
       Dublin-III-Verordnung in andere EU-Länder zurückgeschoben. Seit August sei
       der Luftraum jedoch wieder offen, erklärte die Innenverwaltung auf
       taz-Anfrage, sodass in diesem Monat 10 Menschen dorthin abgeschoben wurden,
       zudem 3 Personen in EU-Länder. „Die Wiederaufnahme der Durchsetzung der
       gesetzlichen Ausreisepflicht ist auch mit Blick auf die angespannte
       Unterbringungsbringungssituation für Geflüchtete in Berlin alternativlos“,
       so Sabine Beikler, Sprecherin der Innenverwaltung.
       
       Eralp dagegen sieht Abschiebungen von Rom*nja dorthin besonders kritisch.
       „Die Bundesregierung muss, auch angesichts der historischen Verantwortung
       Deutschlands, eine humanitäre Bleiberechtslösung für diese Gruppe vorsehen
       und ich erwarte vom Berliner Senat, dass er, wie im Koalitionsvertrag
       verabredet, zeitnah eine entsprechende Bundesratsinitiative vorlegt“, sagte
       sie.
       
       4 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/S18-28163.pdf
   DIR [2] /Abschiebungen-aus-Berlin/!5836901
   DIR [3] https://www.proasyl.de/news/diskriminiert-und-abgelehnt-romnja-aus-moldau/
   DIR [4] https://www.proasyl.de/news/ukrainische-kriegsfluechtlinge-in-moldau-zwischen-solidaritaet-und-weiterreise/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
       ## TAGS
       
   DIR Abschiebung
   DIR Flüchtlingspolitik
   DIR Asylpolitik
   DIR Elif Eralp
   DIR Abschiebung
   DIR Schwarz-rote Koalition in Berlin 
   DIR Sinti und Roma
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Asyl
   DIR Pflegekräftemangel
   DIR Abschiebung
   DIR Abschiebung
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Abschiebung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Abschiebung am Flughafen Hamburg: Ein Beobachter reicht nicht aus
       
       Manche Abschiebung hätte früher abgebrochen werden können, heißt es im
       Abschiebe-Monitor. Zudem gehörten Abholung und Flug künftig mitbeobachtet.
       
   DIR Koalitionsvertrag von CDU-SPD in Berlin: Backlash bei der Vielfalt
       
       CDU und SPD verschlechtern das Leben für Migrant*innen, Geflüchtete und
       Minderheiten, sagen die Linke Elif Eralp und der Migrationsrat.
       
   DIR Abschiebungen nach Moldau: Wieder mal die Angst
       
       Wenn der Winterabschiebestopp endet, könnte es bald zu Massenabschiebungen
       kommen, etwa von Rom*nja nach Moldau. Ein Bündnis fordert ihr Bleiberecht.
       
   DIR Rot-Grün-Rot streitet über Abschiebungen: Geflüchtete zweiter Klasse
       
       Berlins Innensenatorin will noch schnell 600 Menschen aus Moldawien
       abschieben, weil man Unterkünfte für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine
       brauche.
       
   DIR Asyldrama in Hamburg: Gefährliche Abschiebung bei Nacht
       
       19-Jähriger flüchtete vor Ausländerbehörde aus Fenster im 5. Stock und fiel
       in die Tiefe. Der Afghane sollte nach Kroatien, nun ist er in der Klinik.
       
   DIR Abschiebung in Bayern: In die Falle gelockt
       
       Die Ausländerbehörde in Passau versprach einem Iraner, dass er seine
       Arbeitserlaubnis erhalte. Als der Mann aufs Amt kommt, wird er
       festgenommen.
       
   DIR Deutsche Flüchtlingspolitik: Abschiebezahlen steigen wieder
       
       Deutschland schickt wieder deutlich mehr Flüchtlinge zurück. Bedenken wegen
       Corona haben die Behörden nicht.
       
   DIR Familientrennung in Niedersachsen: Abschiebung ohne Papa
       
       Ein Bündnis gegen Abschiebungen protestiert in Northeim dagegen, dass
       Familien von Behörden getrennt werden, teilweise sogar, wenn Eltern krank
       seien.
       
   DIR Zivilcourage gegen Abschiebepolitik: Kein Abflug für Abschiebungen
       
       2018 scheiterten 506 Abschiebungen an PilotInnen. Der Bundespolizei-Chef
       übt Kritik, Pro Asyl lobt die „Zivilcourage“.
       
   DIR Abschiebungen in Deutschland: Sie dürfen nicht bleiben
       
       Die Bundesländer haben 42 Prozent mehr Asylbewerber abgeschoben als im
       ersten Halbjahr 2014. Besonders betroffen sind Menschen aus dem Westbalkan.