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       # taz.de -- „Tatort“ aus Frankfurt: Viele Drogen, aber keine Chemie
       
       > Im „Tatort“ hat eine Gruppentherapiesitzung mit Drogencocktail tödliche
       > Folgen. Das ermittelnde Duo verdächtigt den Organisator.
       
   IMG Bild: Psycholoanalytiker mit abstoßender Aura: Dr. Adrian Goser (Martin Wuttke)
       
       Ein altehrwürdiges Anwesen, alkoholfreier Champagner und völlige Ekstase:
       In diesem Setting sterben bei einer Gruppentherapiesitzung sechs Menschen.
       Schuld sind unerwartet starke [1][Drogencocktails], die sich die Opfer zum
       Zweck der „Selbsterkenntnis durch Grenzerfahrung“ verabreicht haben. Doch
       wer hat die Drinks derart verpfuscht?
       
       Ermittler Paul Brix ist schockiert, als er am Tatort ankommt und eines der
       Opfer erblickt, das sich im Rausch den Penis abgeschnitten hat. Die etwas
       unterkomplexe Rolle des ruhigen, mutigen Mannes, dem alles suspekt ist, was
       nicht in sein gutbürgerliches Weltbild passt, meistert Wolfram Koch mit
       Bravour. Irritierend wirkt dagegen seine Kollegin Anna Janneke, gespielt
       von Margarita Broich, die sich in unrealistischer Abgeklärtheit vom
       abgeschnittenen Penis nicht beeindrucken lässt und lieber total unangepasst
       tut: Das mit dem Drogentrip würde sie auch gerne mal ausprobieren.
       
       Die fehlende Chemie zwischen den Ermittler:innen ist schnell vergessen,
       denn die Geschichte zieht die Zuschauer:innen völlig in ihren Bann.
       Hauptverdächtiger ist der Psychoanalytiker Dr. Adrian Goser (Martin
       Wuttke), der den gemeinsamen Rausch organisiert und als Einziger knapp
       überlebt hat. Unpraktischerweise gibt er vor, sich nicht mehr an die
       schicksalhafte Nacht zu erinnern.
       
       Eine Tatortbegehung mit dem Verdächtigen soll Licht ins Dunkle bringen.
       Spätestens hier wirkt Goser derart unsympathisch, dass Zuschauen wehtut.
       Und doch gelingt es dem Krimi, Gosers abstoßende Aura mit seiner Fähigkeit,
       Menschen für sich zu gewinnen, zu vereinbaren. Diese Figurenzeichnung
       Gosers ist es, die die Spannung des Krimis bis zum Ende aufrechterhält.
       
       ## Alles unter Kontrolle
       
       Rückblenden zeigen, wie Goser die – aktuell als verschwunden gemeldete –
       Performancekünstlerin Ellen (Aenne Schwarz) mit für seine Gruppentherapien
       rekrutiert. Immer tiefer versinkt er derweil in der Wahnvorstellung, mit
       seiner Methodik einem neuen Schritt in der [2][Evolution des Menschen] auf
       der Spur zu sein. Selbst in Lebensgefahr scheint er die Kontrolle zu
       behalten: über sein Elternhaus, seine Gefährt:innen und nicht zuletzt
       den Verlauf der Ermittlungen.
       
       Während wir Zuschauer:innen zwischen Arnold-Schwarzenegger-Analogien und
       Gosers makabren Lachflashs zunehmend am Verstand zweifeln, ist am Ende
       eines klar: Walpenisse sind, wenn es hart auf hart kommt, eine zuverlässige
       Waffe.
       
       16 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
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