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       # taz.de -- Diskussion über öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Die Gremien der Zukunft
       
       > Rundfunkräte könnten bald mehr Aufgaben bekommen. Beim Dok Leipzig
       > fordert Sachsens Medienstaatsminister einen Sinneswandel.
       
   IMG Bild: Das internationale Festival für Dokumentar- und Animationsfilm in Leipzig
       
       Medienpolitik hat aktuell Konjunktur. Nicht zuletzt wegen der jüngsten
       Skandale bei [1][RBB] und [2][NDR]. Auch in Leipzig beim alljährlichen
       Panel der AG dok, Deutschlands wichtigstem Verband unabhängiger
       Dokumentarfilmer*innen, ging es um die Krise des öffentlich-rechtlichen
       Rundfunks und die Reform seiner Gremien. Welche Position dabei die CDU
       vertritt, war bislang eher unscharf geblieben. Aus Sachsen-Anhalts
       CDU-geführter Koalition kommen zwar immer wieder sektiererische
       Maximalforderungen, doch die sind in der Union nicht Konsens.
       
       Beim AG dok-Panel im Rahmen des Leipziger Dokumentarfilmfestival
       positionierte sich jetzt Sachsens Medienstaatsminister Oliver Schenk (CDU),
       der auch stellvertretender Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder
       ist. Ihm geht es vor allem um die Gremien, die die gesellschaftliche
       Vielfalt widerspiegeln sollen, weshalb ihre Mitglieder von
       gesellschaftlichen Organisationen wie Parteien, Gewerkschaften, Verbänden,
       Kirchen und Vereinen entsandt werden.
       
       Schenk forderte hier nicht weniger als einen Sinneswandel und nahm die
       Entsende-Organisationen direkt in die Pflicht. „Die Rundfunkräte müssen mit
       Menschen besetzt sein, die sich da richtig einarbeiten“, forderte Schenk.
       Es müssten Leute sein, „denen man das auch zutraut. Bislang wird da zu oft
       gesagt, da haben wir noch einen schönen Posten für dich.“
       
       Die Gremienverter*innen bräuchten hier mehr Selbstbewusstsein – und
       ein besseres Standing. „Wir brauchen eine andere Kultur zwischen
       Intendanzen und den Rundfunkräten“, so Schenk. Diese müssten sich „auf
       Augenhöhe“ begegnen. Dazu „brauchen die Gremien aber Qualifizierung und
       Personal, das ihnen zur Seite steht“.
       
       ## Distanz und Initiative
       
       Für [3][die grüne Medienpolitikerin Tabea Rößner] geht es darum, „Gremien
       von den Intendanzen unabhängig zu machen“, sonst sei die Nähe zu groß.
       „Rundfunkräte sind wie Aufsichtsräte, da ist kritische Distanz wichtig.“
       
       Bislang, machte WDR-Rundfunkrätin Petra Schmitz klar, verstünden sich viele
       Gremien „eher als Komanager der Anstalten denn als Kontrolleure“. Doch das
       sei „ein falsches Grundverständnis“, so Schmitz: „Es gibt viele Sachen, die
       können Rundfunkrät*innen eigentlich schon heute machen, sie tun es aber
       nicht. So sei es im WDR-Rundfunkrat „mühselig“ gewesen, eine Stellungnahme
       durchsetzen, die [4][WDR-Intendant Tom Buhrow] kritisierte. „Da herrscht
       die Haltung vor, dass man im Haus Einmütigkeit präsentiert.“ Außerdem gebe
       es zu wenig Austausch zwischen den Gremienmitglieder und Mitarbeitenden.
       „Gremienvorsitz und Hausleitung vermitteln eher, dass Rundfunkrät*innen
       nicht eigeninitiativ im Haus tätig werden sollen.“
       
       Gogo Gensch, bis 2019 beim SWR als Redakteur in leitender Position
       unterwegs, brachte das trocken auf den Punkt: Er habe in seiner ganzen
       Laufbahn genau einmal Kontakt zum Rundfunkrat seiner Anstalt gehabt, als es
       um ein neues Koproduktionsmodell ging. „Es sind in meiner Zeit nie
       Redakteure auf den Rundfunkrat oder umgekehrt Rundfunkratsmitglieder auf
       die Redaktionen zugegangen.“
       
       Für die AG dok liegt hier der Kern des Problems. Um die Gremien der
       öffentlich-rechtlichen Medien zu reformieren und zukunftsfähig zu machen,
       fordert sie, dass Branche und Publikum stärker in den Gremien vertreten
       sein müssten. „Nur durch das Knowhow der Branche und eine Einbeziehung der
       Nutzer*innen lassen sich die bestehenden Defizite langfristig
       kompensieren“, sagte Alice Agneskircher vom AG dok-Vorstand.
       
       Zumal in Zukunft noch deutlich weitreichendere Aufgaben auf die Gremien
       zukommen. Diese Woche wollen Ministerpräsident*innen den neuen
       Medienstaatsvertrag unterzeichnen, laut dem die Rundfunkräte dann ab 2023
       auch für Programmleitlinien und Qualitätsmanagement zuständig sind.
       
       19 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Steffen Grimberg
       
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