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       # taz.de -- SPD-Oberbürgermeister in Frankfurt: Korruptionsprozess hat begonnen
       
       > Die Staatsanwaltschaft wirft Peter Feldmann vor, sein Amt zum eigenen
       > Vorteil genutzt zu haben. Die Verteidigung kündigt eine Stellungnahme an.
       
   IMG Bild: Der Korruptionsprozess gegen den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) hat begonnen
       
       Frankfurt am Main taz | Unter großem Medienandrang hat vor dem Frankfurter
       Landgericht der Korruptionsprozess gegen den Frankfurter
       [1][Oberbürgermeister Peter Feldmann] (SPD) begonnen.
       
       Der Vorsitzende Richter Wolfgang Gröschel sorgte zunächst dafür, dass nicht
       seine mögliche Befangenheit, sondern die Vorwürfe gegen Feldmann im Zentrum
       des ersten Prozesstags standen. „Sie heißen mit Vornamen?“, befragte er den
       prominenten Angeklagten, und wies ihn in seine Rolle [2][als Beschuldigten]
       ein. Mit einer entschlossenen Intervention hatte Gröschel die Verlesung
       eines Befangenheitsantrag gegen ihn verhindert. Der Antrag sei
       außergerichtlich eingebracht worden, es sei nicht zulässig, den Antrag
       „nochmals zu verlesen“, gab Gröschel zu Protokoll – obwohl der Text bislang
       irgendwo verlesen wurde.
       
       Vorteilsnahme im Amt heißt der Straftatbestand, den die Staatsanwaltschaft
       [3][Feldmann vorhält]. In „stillschweigendem Einvernehmen“ mit den
       Verantwortlichen der AWO habe Feldmann für sich und seine inzwischen von
       ihm getrennt lebende Ehefrau [4][Vorteile angenommen] und sich im Gegenzug
       in seinem einflussreichen Amt für die AWO eingesetzt, so die Argumentation
       der Anklage. Auch gegen Feldmanns Ehefrau wird strafrechtlich ermittelt.
       
       Feldmann war schon bald nach seiner Wiederwahl 2018 als Frankfurter in den
       Strudel der strafrechtlichen Ermittlungen und Schadensersatzprozessen
       geraten, die als AWO-Affäre bundesweit Schlagzeilen machte. Den
       langjährigen Geschäftsführer:innen der AWO in Wiesbaden und Frankfurt,
       Hannelore und Jürgen Richter, wird vorgeworfen, in einem weitverzweigten
       System in die eigenen Taschen gewirtschaftet zu haben, mit horrend
       überhöhten Gehältern und Luxusdienstautos, für sich selbst und ihre
       Seilschaften.
       
       ## Ein Geflecht aus Korruption und Gefälligkeiten
       
       Etwa sollen Arbeitsverträge abgeschlossen und vergütet worden sein, für die
       es keine Gegenleistung gab. Gegen das Ehepaar Richter und ein Dutzend ihrer
       Unterstützer:innen laufen Ermittlungsverfahren, Straf- und
       Zivilprozesse. Durch das Geflecht aus Korruption und Gefälligkeiten sollen
       sie über Jahre hinweg auch bei öffentlichen Auftraggeber:innen
       ungerechtfertigt abkassiert haben.
       
       Ein gemeinsames Abendessen der befreundeten Ehepaare Richter und Feldmann
       im Mai 2015 nennt die Anklage als Beginn des in ihrer Sicht kriminellen
       Bündnisses zwischen AWO und OB. An diesem Abend sei vereinbart worden, dass
       Feldmanns damalige Lebenspartnerin und spätere Ehefrau die Leitung einer
       deutsch-türkischen Kita übernehmen sollte, zu einem für eine
       Berufsanfängerin fürstlichen Salär von 4.500 Euro monatlich plus
       Dienstwagen. Das sei „deutlich überhöht, auch im Vergleich zu anderen
       Gehältern bei der AWO“, so die Staatsanwaltschaft.
       
       Auch eine bezahlte „Hospitanz“ vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn bewertet
       sie als Vorteilsgewährung. Für Feldmanns Wiederwahlkampagne habe Frau
       Richter zudem fast 6.000 Euro Spenden eingetrieben. Mit diesen
       Vergünstigungen sei die Erwartung verbunden gewesen, dass sich der OB in
       seinem Amt „wohlwollend“ für die Interessen der AWO einsetzen würde. Das
       sei auch geschehen, so die Anklage.
       
       ## Auf der falschen Seite agiert
       
       Die Vorgänge und die E-Mails, mit denen die Staatsanwaltschaft die
       „stillschweigende Vereinbarung“ belegen will, beweisen ein enges
       Vertrauensverhältnis. Der Oberbürgermeister beendete interne Mails „mit
       roten und lieben Grüßen“. Hannelore Richter suchte von Feldmann in
       Konflikten mit der städtischen Verwaltung wiederholt Beistand.
       
       „Lieber Peter, wir brauchen Deine Unterstützung“, schrieb sie, als sie das
       Revisionsamt angeblich mit „Schikanen“ überzog und einen „fürchterlichen
       Begleitbrief“ schickte. Statt in dem Streit vor Gericht zu ziehen, „treffe
       ich mich lieber mit meinem OB im Café Mozart“, schrieb Richter freimütig.
       „Gerne werfe ich Dir dienstlich und privat einen Stein in den Vorgarten“,
       bedankte sich die AWO-Chefin kryptisch.
       
       Inzwischen steht wohl fest, dass Feldmann in diesen Konflikten auf der
       falschen Seite agiert hat. Die Bedenken und Einsprüche der städtischen
       Revisoren waren im Einzelfall wohl mehr als berechtigt. Doch hat Feldmann
       wegen zuvor gewährter Vorteile für sich und seine Ehefrau „geliefert“? Das
       bleibt die Kernfrage in diesem Prozess. Feldmann beteuert: „Ich war und bin
       nicht käuflich.“
       
       Beim Verlassen des Gerichtssaals sagte Feldmann: „Ich würde mir eine faire
       und unvoreingenommene Klärung wünschen.“ Das klang wenig hoffnungsvoll.
       Nach dem Prozessauftakt kündigte seine Verteidigung eine ausführliche
       Stellungnahme an, die die Argumentation der Anklage widerlege.
       
       Über den Befangenheitsantrag gegen den vorsitzenden Richter muss nun eine
       Kammer ohne ihn entscheiden. Der Prozess soll am 27. Oktober fortgesetzt
       werden. Zeitgleich läuft in Frankfurt eine Bürgerabstimmung über die von
       den Stadtverordneten beschlossene Abwahl des OB. Nur wenn am 6. November
       mindestens 30 Prozent der wahlberechtigten Frankfurter:innen aktiv für
       dessen Abwahl stimmen, [5][verliert Feldmann sein Amt].
       
       18 Oct 2022
       
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   DIR Christoph Schmidt-Lunau
       
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