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       # taz.de -- Coronamaßnahmen in China: Null-Covid-Politik dreht durch
       
       > In China sollen Touristen in Xinjiang arbeiten und Passanten ohne „grünen
       > Code“ landen im Isolationszelt. Es wird immer absurder.
       
   IMG Bild: Wer keinen „grünen Gesundheitscode“ vorweisen kann, wird in Peking kurzerhand festgesetzt
       
       Peking taz | Als die Lokalregierung von Ürümqi am Wochenende zur
       Pressekonferenz rief, präsentierte sie stolz einen Ratschlag an die
       Abertausenden chinesischen Touristen, die während der jüngsten Ferien
       unverhofft in der abgeriegelten Provinzhauptstadt von Xinjiang gestrandet
       sind. Da die Gäste aufgrund des Coronalockdowns nicht in ihre Heimat
       zurückkönnen, sollen sie doch am besten in Xinjiang nach Arbeit suchen. Die
       gesamte Region ist derzeit schließlich isoliert, sämtliche Zugverbindungen
       sind gekappt.
       
       Was von den Propagandamedien als wirtschaftlich smarte Maßnahme publiziert
       wurde, ließ selbst den stoisch erprobten Chinesen den Kragen platzen: „Die
       Wahrheit ist, dass wir unser Hotelzimmer, das wir weiterhin selbst bezahlen
       müssen, nicht einmal verlassen dürfen“, beschwert sich ein User auf Weibo.
       Ein anderer meint: „Wer zum Teufel hat sich nur diesen Plan ausgedacht?“
       
       Nur eine Woche vor dem historischen 20. Parteikongress in Peking droht die
       Coronalage in China erneut außer Kontrolle zu geraten. Die täglichen
       Infektionszahlen liegen auf dem höchsten Niveau seit über drei Monaten.
       Zwar sind sie im internationalen Vergleich mit etwas über 1.000 pro Tag
       geradezu verschwindend niedrig. Doch da die Volksrepublik weiterhin an der
       Null-Covid-Strategie festhält, schickt jede einzelne Infektion zehntausende
       Menschen in Zwangsquarantäne.
       
       In Schanghai droht sich der zweimonatige Lockdown [1][vom Frühjahr nun zu
       wiederholen]. Derzeit sind es zwar bislang nur einzelne Viertel, die von
       Gesundheitspersonal mit grünen Gittern umzäunt werden. Doch die Situation
       eskaliert.
       
       ## Lockdown im Hotel
       
       Der Brite Peter Lee erfuhr kürzlich während der Mittagspause, dass seine
       Wohnanlage in einen 48-stündigen Lockdown versetzt werde. Da er sich gerade
       in einem Restaurant befand, entschied sich der Expat kurzerhand, für zwei
       Nächte in ein benachbartes Hotel zu ziehen. Wie Lee auf Twitter schildert,
       wurde wenige Stunden später auch das Hotel nach einem positiven Coronafall
       abgeriegelt. Jetzt sitzt er dort für sieben Tage fest.
       
       Viele der immer strengeren Coronamaßnahmen entfernen sich auf geradezu
       absurde Weise von jeder wissenschaftlichen Grundlage. In Schanghai und in
       Peking lassen sich beispielsweise seit einigen Wochen „temporäre
       Quarantäneecken“ im öffentlichen Raum beobachten. Das sind kleine
       Einpersonenzelte, um Passanten in U-Bahn-Stationen oder an
       Straßenkreuzungen, die keinen „grünen Gesundheitscode“ auf ihrem Smartphone
       vorweisen können, kurzerhand festzusetzen. Dort müssen die Leute dann
       entweder auf ihren negativen PCR-Test warten – oder auf den Quarantänebus,
       der sie in zentralisierte Isolationslager bringt.
       
       In China kann sich jeder mit der Angst identifizieren, dass auf dem
       digitalen Gesundheitszertifikat plötzlich ein „Pop-up“ auftaucht. Das
       bedeutet: Man wurde als möglicher Kontakt eines Corona-Infizierten
       identifiziert. Dann ist man von einer Minute auf die andere vollkommen
       [2][vom öffentlichen Leben abgeschnitten], kann nicht einmal mehr den
       Supermarkt um die Ecke besuchen.
       
       Das örtliche Nachbarschaftskomitee entscheidet dann, wie weiter vorgegangen
       wird: in fast allen Fällen sieben Tage Heimquarantäne. Auf der
       Online-Plattform Weibo haben sich die kritischen Diskussionen über den
       scheinbar willkürlichen Gesundheitscode derart gehäuft, dass die Zensoren
       sämtliche Diskussionen löschen, ja selbst Suchanfragen darüber mittlerweile
       ins Leere laufen.
       
       10 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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