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       # taz.de -- Spaniens Justiz in der Krise: Gerichtspräsident geht
       
       > Seit Jahren kann sich Spaniens Parlament nicht auf eine Nachfolge für der
       > Chef des Obersten Gerichts einigen. Nun ist Amtsinhaber Lesmes
       > zurückgetreten.
       
   IMG Bild: Hat als Vorsitzender des Obersten Gerichtshofs in Spanien hingeschmissen: Carlos Lesmes
       
       Madrid taz | „Und jährlich grüßt das Murmeltier“, könnte die Episode
       heißen, die Spaniens Justiz in den letzten Jahren durchlebt hat. Dreimal
       verabschiedete sich der Präsident des spanischen Consejo General del Poder
       Judicial, des Obersten Justizrats (CGPJ), Carlos Lesmes, bei seinen
       Festreden zum Jahresauftakt. Denn eigentlich wäre seine fünfjährige
       Amtszeit schon 2018 vorbei gewesen. Nur gab es nie eine Ablösung für den
       Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs.
       
       Denn die rechte Oppositionspartei Partido Popular (PP), auf deren Vorschlag
       Lesmes einst ins Amt kam, weigerte sich, mit den Sozialisten von
       Ministerpräsident [1][Pedro Sánchez] eine Erneuerung des CGPJ auszuhandeln
       und dann mit einer Dreifünftelmehrheit durchs Parlament zu bringen. Dabei
       sieht das die Verfassung so vor. Lesmes war gezwungen, im Amt zu bleiben,
       bis er es am Montag endgültig leid war und hinschmiss.
       
       Der Rücktritt des konservativen Richters stürzt die spanische Justiz
       endgültig in eine Krise, die selbst in Brüssel Sorgen bereitet. Denn der
       nichterneuerte Chef des Obersten Gerichtshofs kann seine verfassungsmäßigen
       Verantwortungen nicht wahrnehmen. So wurden etwa Stellen an verschiedenen
       hohen Gerichten, [2][darunter dem Verfassungsgericht], nicht besetzt. Die
       Justiz als solche ist blockiert.
       
       Er trete aus „beruflichen Gewissen“ und aus „Respekt vor der Würde der
       Institution“ zurück, erklärte Lesmes in einer kurzen Ansprache. „Zu bleiben
       würde dazu dienen, mich zum Komplizen dieser Situation zu machen, die ich
       verabscheue und die inakzeptabel ist“, betonte er.
       
       ## Spanische Regierung unter vier Augen mit PP
       
       Auch seine letzte Hoffnung, dass die Parteien nach einem Besuch des
       Justizkommissars der EU, Didier Reynders, am Ende eine Lösung finden
       würden, habe sich zerschlagen. Der EU-Vertreter kam eigens nach Madrid, um
       wegen der Blockade zu vermitteln. „Das hat zu keinerlei positivem Ergebnis
       geführt“, bedauerte Lesmes bei seinem Rücktritt.
       
       Am Montag dann ging alles ganz schnell. Die Vorsitzenden der beiden großen
       Parteien, Ministerpräsident Pedro Sánchez von der sozialistischen PSOE und
       Alberto Nuñez Feijóo von der rechten Partido Popular, trafen sich erstmals
       nach 168 Tagen unter vier Augen.
       
       Es sei „ein letzter Versuch“, sich zu einigen, hieß es vonseiten der
       Regierung. In den kommenden Wochen würden die beiden Parteien gemeinsam
       nach einer Lösung suchen, erklärte auch die PP. Doch wirklich bewegt hat
       sich nichts. PP-Chef Feijóo stellt weiterhin die gleichen Bedingungen für
       ein Ende der Blockadehaltung, wie in den letzten vier Jahren.
       
       ## Kalkül der PP ist klar
       
       Die Konservativen fordern eine vollständige Reform des CGPJ. Die Richter
       sollen sich künftig weitgehend selbst verwalten. Nur noch ein kleiner Teil
       der Mitglieder des Justizrates soll noch vom Parlament ernannt werden. Der
       Rest soll von den RichterInnen gewählt werden.
       
       Das Kalkül der PP ist klar: In den hohen Gerichten und dem CGJP [3][haben
       die Konservativen die Mehrheit]. Die fehlende Erneuerung hat diese bisher
       festgeschrieben.
       
       Interne Wahlen der RicherInnen sind ebenfalls dazu geeignet. Denn nur jeder
       vierte Richter oder jede vierte Richterin, die einem Berufsverband
       angehören, ist bei den fortschrittlichen RichterInnen für die Demokratie
       organisiert. Damit ist klar, wie von Feijóo vorgeschlagenen Wahlen ausgehen
       werden – und das auf Jahrzehnte hinaus.
       
       11 Oct 2022
       
       ## LINKS
       
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