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       # taz.de -- Dutschke-Retter Mihail Larsen gestorben: Credo der Französischen Revolution
       
       > Mihail Larsen war führender Kopf der dänischen Studentenbewegung und
       > rettete Rudi Dutschkes Leben. Nun ist er im Alter von 75 Jahren
       > verstorben.
       
   IMG Bild: Mihail Larsen (3. v. links), Dutschke hält das Schild hoch, Aarhus Anfang der 1970er
       
       Rudi Dutschkes dänischer Retter ist tot: Wie erst jetzt bekannt wurde,
       starb der Mann, der dafür sorgte, dass Rudi Dutschke mitsamt seiner Familie
       im dänischen Aarhus Schutz und Trutz erhielt, nach schwerer Krankheit.
       Mihail Larsen, Jahrgang 1947, war nicht irgendwer: Selbst ein Kind aus der
       Arbeiterklasse, war der Anführer und führende Kopf der antiautoritären
       dänischen Studentenrevolte von 1968, Denker, Redner und Aktivist eine Art
       Mischung aus Dutschke, Hans-Jürgen Krahl und [1][Dany Cohn-Bendit] in einer
       Person.
       
       Mihail Larsen sorgte dafür, dass Rudi Dutschke nach dessen Ausweisung aus
       England einen Ruf an die Aarhuser Universität in Jütland erhielt. Er
       brachte ihn, Gretchen Dutschke-Klotz und die Kinder Hosea-Che und Polly
       dort in einer ihm gehörenden Wohnung unter – und half maßgeblich, Rudi
       Dutschke soziale, berufliche und materielle Sicherheit und Geborgenheit zu
       bieten. (Sohn Marek Dutschke kam erst 1980 im Aarhuser Exil zur Welt).
       
       Am 24. Dezember 1979 ertrank Dutschke in der Badewanne dieser Larsen’schen
       Wohnung infolge eines epileptischen Anfalls – [2][Spätfolge des
       Westberliner Mordanschlags und der schweren Gehirnverletzungen von 1968].
       
       Selbst galt Larsen später als einer der führenden, international
       renommierten Ideenhistoriker und politischen Philosophen seines Landes:
       Beeinflusst vom Denken Theodor W. Adornos und Herbert Marcuses, hatte er
       bei Max Horkheimer und nicht zuletzt bei [3][Jürgen Habermas in Frankfurt
       am Main] an der Goethe-Universität und am Frankfurter Max-Planck-Institut
       für Europäische Rechtsgeschichte in den frühen 1970ern studiert, war
       Habermas’ enger Mitarbeiter, forschte und lehrte hernach auch an der
       Universität Berkeley nahe San Francisco in den USA.
       
       ## Galt in konservativen Kreisen als rotes Tuch
       
       Der ausgewiesene Rousseau-, Marx-, Hegel-, Kant- und Habermas-Kenner Larsen
       schrieb zahlreiche vielbeachtete Bücher und Aufsätze, war Mitherausgeber
       zahlreicher Werke zur politischen Philosophie und Demokratietheorie,
       Mitinitiator und Verlagslektor eines angesehenen linken dänischen Verlags
       (Forlaget Rhodos).
       
       Obwohl er wegen seiner herausragenden Rolle als führender Kopf und Stratege
       der dänischen Studentenbewegung beim Marsch durch die Institutionen des
       öffentlichen Diensts in konservativen Kreisen als rotes Tuch galt, allerlei
       Steine in den Weg gelegt bekam, Widerstände überwinden musste, gelang es
       ihm, wenn auch spät, doch noch zum außerordentlichen Professor für
       Ideengeschichte und politische Philosophie zu avancieren: An der
       Reformuniversität Roskilde prägte er eine Ära.
       
       In den letzten Jahren forschte er an der Europa-Universität Florenz in
       Italien. Larsen kämpfte sein Leben lang fürs Credo der Französischen
       Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (und Schwesterlichkeit).
       Jetzt ist Mihail Larsen, der Dutschke in Dänemark von 1971 bis 1979 zu
       einem sicheren Leben im Exil verhalf, am 13. Oktober im Alter von 75 Jahren
       im Kopenhagener Stadtteil Gentofte unerwartet verstorben.
       
       25 Oct 2022
       
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