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       # taz.de -- Südkoreanische Popband BTS: Boygroup geht zum Militärdienst
       
       > Südkoreas erfolgreichste Popgruppe BTS pausiert für ihren Wehrdienst.
       > Zuvor war über eine Ausnahmeregelung für sie jahrelang debattiert worden.
       
   IMG Bild: BTS bei der Verleihung der Mnet Asian Music Awards 2019 im Nagoya Dome
       
       Peking taz | Die sogenannten Bangtan-Boys verlassen die Konzertbühne und
       ziehen vorübergehend in eine Militärkaserne ein: Am Dienstag hat das Label
       der südkoreanischen Band BTS bekannt gegeben, dass die sieben Mitglieder
       demnächst ihren Wehrdienst antreten werden. Als Erstes beginnt der bereits
       29-jährige Sänger Kim Seok-jin noch dieses Jahr mit seiner patriotischen
       Pflicht. Seine Kollegen werden sukzessive folgen, sodass die K-Pop-Band bis
       2025 wohl pausieren wird.
       
       Damit hat BTS den Schlusspunkt für eine Debatte gesetzt, die Südkoreas
       Medien und das Parlament jahrelang beschäftigt hat. Das gesamte Land fragte
       sich, ob man den Rekordmusikern eine Ausnahme gestatten soll für die
       mindestens anderthalb Jahre dauernde Wehrpflicht.
       
       Tatsächlich scheinen die bisherigen Regeln willkürlich und aus der Zeit
       gefallen. Leistungssportler müssen etwa ihren Dienst an der Waffe nicht
       antreten, wenn sie bei Olympischen Spielen eine Medaille gewinnen. Auch
       klassische Musiker und Spitzenforscher werden in Einzelfällen von der
       Regelung ausgenommen, wenn sie das nationale Prestige erhöhen.
       
       Dabei steht außer Frage, dass seit Jahrzehnten niemand stärker zur globalen
       Bekanntheit Südkoreas beigetragen hat als die BTS-Mitglieder: Seit knapp
       drei Jahren generiert niemand mehr Musikverkäufe, laut Schätzungen haben
       die Jungs allein im Jahr 2020 über 50 Millionen Dollar eingenommen.
       
       ## BTS wirbt für Südkorea vor der UN-Vollsversammlung
       
       Dabei unterstützen sie Südkoreas gesamte Volkswirtschaft, die erfolgreich
       auf der K-Pop-Welle surft. So sorgt die Band nicht nur dafür, dass zuhauf
       junge Touristen nach Seoul reisen wollen, koreanische Kosmetik kaufen und
       sich Filme vom Land am Han-Fluss anschauen. Auch der indirekte Imagegewinn
       für Südkorea ist unbezahlbar, wenn etwa BTS vor der UN-Generalversammlung
       in New York auftritt.
       
       Doch vor allem das [1][derzeit regierende konservative Lager] hatte darauf
       gepocht, dass die Musiker keine Ausnahme erhalten. Der Wehrdienst ist in
       Südkorea schließlich wegen des [2][Konflikts mit Nordkorea] eine
       hochsensible Angelegenheit.
       
       Wenn alle paar Monate bekannt wird, dass ein Schauspieler oder Sohn eines
       Konzernvorstandes die Wehrpflicht umgeht, indem er zuvor eine ausländische
       Staatsbürgerschaft ergattert hat, zieht dies wochenlange negative Presse
       nach sich und kann Karrieren zerstören. Insofern könnte der Move von BTS
       durchaus auch geschäftlich profitabel sein.
       
       Die Einnahmen dürften auch in den nächsten zwei Jahren nicht versiegen.
       Denn das Label hat sich schon auf die Abwesenheit der Sänger vorbereitet
       und dürfte bald vorproduzierte Videos und Merchandiseprodukte lancieren.
       
       Das Geschäftsmodell von K-Pop funktioniert ähnlich wie Investmentbanking:
       Ein Label castet Bandmitglieder schon im zarten Jugendalter, steckt große
       Summen in deren Gesangs- und Tanzausbildung sowie Sprachunterricht und
       Medienmanagement. Erst Jahre später entscheidet sich, ob das bis ins letzte
       Detail durchgestylte Gesamtprodukt die erhofften Gewinne abwirft.
       
       ## BTS sprengt Konventionen des durchgestylten K-Pops
       
       Doch die Boyband BTS hat von Beginn an die Konventionen des K-Pop
       gesprengt. Die sieben Männer waren vor ihrer Popkarriere teilweise als
       Underground-Rapper unterwegs, schreiben bis heute ihre Songs selbst, feilen
       bei der Produktion mit und verzichten bei vielen Live-Auftritten auf
       Playback.
       
       Zudem meiden sie keine gesellschaftskritischen oder Tabuthemen: So setzt
       sich BTS in ihren Lyrics für psychische Gesundheit ein, prangert den
       immensen Leistungsdruck in Südkorea an und kritisiert die strengen
       Gesellschaftskonventionen.
       
       Die extrem loyalen BTS-Fans, auch als „Army“ bekannt, reagierten zunächst
       enttäuscht, äußerten dann jedoch ihre Unterstützung: „Ich bin immer noch
       untröstlich, aber sehr stolz auf die Entscheidung, die sie getroffen
       haben“, schrieb ein Fan. Ein anderer erklärte: „Es ist eine große Ehre für
       BTS, ihrem Land nicht nur als Entertainer zu dienen, sondern auch als
       Staatsbürger.“
       
       18 Oct 2022
       
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