# taz.de -- Kritik am ungerechten Erbschaftsrecht: Reiche erben billig
> Das Erbschaftssteuerrecht bevorzugt Vermögende, kritisiert die
> Organisation Finanzwende. Sie fordert die Abschaffung der Privilegien.
IMG Bild: Wer im goldenes Nest geboren wird, behält auch beim Erben Vorteile
Berlin taz | Wer ein hübsches Sümmchen erbt, muss dafür kräftig Steuern
zahlen – aber wird ein Milliardenvermögen in der Familie weitergegeben, ist
das nicht der Fall. Gegen diese Ungerechtigkeit hat die NGO Finanzwende am
Montag mit einer [1][Aktion vor dem Bundesfinanzministerium demonstriert].
Die Organisation fordert die Abschaffung der [2][Privilegien bei der
Erbschaftssteuer] für große Vermögen.
Vor genau fünf Jahren hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die
Neuregelung von 2016 verfassungswidrig ist, weil sie zu weitgehende
Ausnahmen zulässt. Aber: Das Bundesfinanzministerium zwingt die
Finanzverwaltung per Erlass, dieses Urteil zu ignorieren. Formell ist das
nicht zu beanstanden. „Materiell ist das aus meiner Sicht ein Skandal“,
sagt Joachim Wieland, Professor für Steuerrecht an der Universität für
Verwaltungswissenschaften Speyer. „Wir sind weiterhin in einer Situation,
wo verfassungswidrig Ausnahmen gemacht werden“, betont er.
Über viele Jahre haben Gesetzgeber und Rechtsprechung bei der
Erbschaftssteuer Ping-Pong gespielt, [3][sagt Finanzwende-Vorstand Gerhard
Schick], der von 2005 bis 2018 grüner Bundestagsabgeordneter war. Immer
wieder haben Gerichte Reformen als verfassungswidrig kritisiert, weil sie
Mega-Reiche zu sehr begünstigten. Dass der Gesetzgeber immer wieder solche
Regelungen geschaffen hat, sei der enormen Lobbyarbeit der Vermögenden
geschuldet, sagt Schick. Die Stiftung Familienunternehmen habe auf
Bundesebene und über die Länder immer wieder interveniert, so dass der
Gesetzgeber stets bereit war, erneut die Kritik der obersten Gerichte in
Kauf zu nehmen.
Zwar dürfen bei Summen über 26 Millionen Euro die Empfangenden nicht
steuerfrei davonkommen. Aber wenn sie als bedürftig gelten, können die
Steuern erlassen werden, sagt Julia Jirmann vom Netzwerk
Steuergerechtigkeit. „Bedürftigkeit“ wird von der Finanzverwaltung nicht
mit den Maßstäben der Arbeitsagenturen bewertet. Laut Jirmann wurden 2021
in zehn Fällen Steuern von fast einer halben Milliarde Euro erlassen. Die
Privilegien bei der Erbschaftssteuer führen jährlich zu Einnahmeverlusten
von rund 5 Milliarden Euro.
24 Oct 2022
## LINKS
DIR [1] https://www.finanzwende.de/kampagnen/steuerprivilegien-kippen/aktionen-zur-kampagne/aktion-fuenf-jahre-ueberfaellig/
DIR [2] /Einnahmen-aus-der-Erbschaftsteuer/!5791554
DIR [3] /Volkswirt-ueber-Erbschaftsteuer/!5809291
## AUTOREN
DIR Anja Krüger
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