URI: 
       # taz.de -- Kevin Kühnert über Energiepolitik: „Ich lasse mich nicht aufteilen“
       
       > SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert erklärt sein Selbstverständnis und die
       > Irrwege in der Energiepolitik. Er hält wenig von grünem Lifestyle.
       
   IMG Bild: „Wir sind hier nicht bei ‚Wünsch dir was‘“: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert
       
       taz am wochenende: Herr Kühnert, Sie haben als Jugendlicher den Wehrdienst
       verweigert. Würden Sie das heute auch wieder tun? 
       
       Kevin Kühnert: Ja.
       
       Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fordert, dass die Gesellschaft
       wehrhafter wird. Liegt er falsch? 
       
       Ich habe Zivildienst geleistet. Und so verstehe ich auch Wehrhaftigkeit.
       Dazu gehört mehr als nur in Militär zu investieren. Wir müssen uns auch
       gesellschaftlich wehrhaft zeigen.
       
       Den 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr haben Sie aber
       zugestimmt. 
       
       Weil ich das in der jetzigen Situation für richtig halte. Der Krieg ist nah
       an uns herangerückt. Die Annahme „Das wird schon nicht passieren“ hat sich
       mit Blick auf diesen irrational agierenden Diktator als trügerisch
       erwiesen. Leider.
       
       [1][Scholz hat kürzlich neben einem Panzer für die Fotografen posiert.] Ist
       das für Sie zu viel Nähe zum Militärischen? 
       
       Ich kenne Olaf Scholz mittlerweile gut genug, um zu wissen: sein Wille zur
       dramatischen Inszenierung ist so gering, dass ich hier keine tiefergehende
       Botschaft erkenne.
       
       Offenbar doch.
       
       Wenn Scholz etwas sagen will, dann sagt er es.
       
       Ist Scholz Kurs in Sachen Ukraine richtig? 
       
       Scholz hat aufgrund seiner politischen Erfahrung früh begriffen, dass
       dieser Krieg lange dauern und damit auch unsere Unterstützung lange
       notwendig sein wird. Dass es noch keine große Leistung ist, auf den ersten
       Metern energische verbale Unterstützung für die Ukraine zu leisten.
       
       Unserer Solidarität darf unter schwierigen Umständen nicht die Puste
       ausgehen. Deutschland hält aller Herausforderungen zum Trotz finanziell,
       militärisch und bei der Aufnahme von Geflüchteten sein Level an
       Unterstützung aufrecht. Und das auf die Scholz-Art: unaufgeregt und
       verlässlich. Wenn ich mir angucke, dass in den USA vor den Midterms diese
       Linie von Republikanern und einigen demokratischen Abgeordneten verlassen
       wird, dann ist unser Weg eine beachtliche politische Leistung.
       
       Sie haben Anfang des Jahres, vor dem 24. Februar, versucht, die Debatte um
       Nord Stream 2 für beendet zu erklären. Das war doch ein Griff ins Klo.
       
       Stimmt.
       
       Haben Sie etwas daraus gelernt? 
       
       Die Entscheidung für russisches Gas als alternativlose Brückenenergie auf
       dem Weg ins Zeitalter der Erneuerbaren war ein Irrweg. Dieser hatte viele
       Ursachen: Eine Marktliberalisierung, die dazu führte, die billigste
       Gasquelle zu bevorzugen oder beispielsweise die Verweigerung von einigen,
       alternative Bezugsquellen zu ermöglichen, zum Beispiel den [2][Bau von
       LNG-Infrastruktur]. Im Ergebnis haben wir uns einseitig von russischem Gas
       abhängig gemacht. Die Öffnung von Nord Stream 2 hätte diese Abhängigkeit
       noch verstärkt. Das sehe ich heute ganz klar.
       
       Die chinesische Reederei Cosco hat sich in den Hamburger Hafen eingekauft,
       [3][das Kanzleramt hat dies gegen die Warnungen von Fachministerien
       genehmigt]. Passiert da gerade der nächste Fehler? Der Hamburger Hafen wird
       von einer Anstalt öffentlichen Rechts betrieben, ist damit im Gegensatz zu
       anderen europäischen Beispielen unabhängig und bleibt es auch. Unsere
       grundsätzliche Position ist ganz klar: Wir müssen raus aus einseitigen
       Abhängigkeiten, gerade gegenüber autokratischen Regimen.
       
       Wir müssen uns in ökonomisch und strategisch wichtigen Bereichen aus der
       Abhängigkeit Chinas befreien, etwa bei Seltenen Erden oder Halbleitern.
       Denn da beziehen wir übergroße Anteile aus China und seiner Einflusssphäre.
       Diese Haltung sollte man keinesfalls verwechseln mit einem völligen Abbruch
       jeglichen Handels mit China. Das wäre auch mittelfristig illusorisch. Nicht
       jede potenzielle Investitionsentscheidung taugt zur Schicksalsfrage über
       die Resilienz unserer Volkswirtschaft.
       
       Eine Beteiligung Chinas in Höhe von 25 Prozent an einem Teil des Hamburger
       Hafen ist also in Ordnung. Und was geht nicht? 
       
       Wenn Sie mich fragen: [4][die indirekte Beteiligung an der Chipfabrik Elmos
       in Dortmund, wie sie gerade durch chinesische Investoren angestrebt wird.]
       
       Warum? 
       
       Die Chipproduktion ist ein besonders kritischer Zukunftsmarkt. Wir brauchen
       enorme Mengen, halten aber unter 10 Prozent der Weltmarktproduktion in
       Europa. Das ist viel zu wenig. Elmos ist folglich zwar kein
       Weltmarktführer. Aber hier geht es um das Prinzip. Viele kleinere
       Beteiligungen an mittelmäßig relevanten Unternehmen machen am Ende auch
       eine relevante Beteiligung aus. Hier sollten wir die Tür gezielt zumachen.
       
       Gehört kritische Infrastruktur in s gesamt in staatliche Hand? 
       
       Ja, so wie der Hamburger Hafen in staatlicher Hand liegt, woran sich ja
       nichts ändert. Für andere Verkehrsinfrastrukturen ist das ebenso
       unbestritten. Es muss jetzt akut darum gehen, den Zugriff von der falschen
       Seite zu verhindern.
       
       Der Staat hat während der Pandemie und danach gezeigt, dass er Willens und
       in der Lage ist, sich strategisch zu beteiligen, damit Strukturen nicht
       zusammenbrechen, zum Beispiel bei der Lufthansa oder bei Uniper. An anderer
       Stelle wurde gar verstaatlicht. Und natürlich sollten wir in bestimmten
       Bereichen nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Beim
       5G-Netz und der Beteiligung chinesischer Firmen sehen wir die Gefahr. Der
       Preis spricht für Huawei, der Selbstschutz dagegen. Uns sollte der Schutz
       etwas wert sein.
       
       Die generelle Verstaatlichung aller vital wichtigen Infrastruktur finden
       Sie richtig? 
       
       Mir geht es ums Grundprinzip. Wir brauchen mehr am Gemeinwohl orientierte
       öffentliche Einflussnahme, wo es möglich und nötig ist.
       
       Und wo ist es nötig? 
       
       Wir sind hier nicht bei „Wünsch dir was“. Wenn ich jetzt etwas Konkretes
       benenne, wird unser ganzes schönes Interview auf diese Antwort reduziert.
       Das wäre doch schade.
       
       Spricht da jetzt der Generalsekretär der SPD, der Bundestagsabgeordnete
       Kevin Kühnert oder der Juso? 
       
       Ich lasse mich nicht aufteilen.
       
       Beim Juso-Bundeskongress musste sich SPD-Chef Lars Klingbeil anhören,
       [5][er rede wie der Pressesprecher von Olaf Scholz.] Haben Sie sich
       gedacht: Das hätte ich als Jusochef früher auch so gesagt? 
       
       Ich werde nicht kommentieren wie die Jusos auftreten sollen. Das habe ich
       mir als Juso-Vorsitzender immer verbeten, das mache ich jetzt andersrum
       auch nicht.
       
       Und warum die scharfe Kritik am SPD-Chef? 
       
       Solche Kongresse haben ihre eigene Dramaturgie. Alle Gäste nur zu bejubeln,
       passt nicht zum Selbstverständnis eines kritischen Jugendverbandes. Das war
       früher so, und so ist es richtigerweise noch immer. Das führt gelegentlich
       zu spontanen Entladungen. Hier hat es meines Erachtens nach den Falschen
       getroffen. Lars Klingbeil war zusammen mit Saskia Esken und Rolf Mützenich
       maßgeblicher Treiber, als es darum ging, die Abschöpfung von
       Zufallsgewinnen bei Energiekonzern durchzusetzen. Ein Parteivorsitzender,
       der sich der Regierung unterwerfen würde, hätte dazu weder den Mut noch die
       Kraft gehabt.
       
       Jetzt klingen Sie ein bisschen wie der Pressesprecher von Lars Klingbeil. 
       
       Nein, wenn ich jemanden sachlich begründet unterstütze, bin ich deswegen
       doch nicht dessen Pressesprecher.
       
       Stephan Weil hat der Ampel in Sachen Gasumlage widersprochen – auch deshalb
       hat die SPD gut bei den Landtagswahlen in Niedersachsen abgeschnitten. Muss
       die SPD im Bund auch häufiger eigene Akzente setzen? 
       
       Das machen wir doch. Nicht nur bei der Gewinnabschöpfung, sondern auch bei
       der Feststellung, dass in der Wärmeversorgung die Übernahme einer
       Abschlagszahlung im Dezember nicht reicht. Im Ergebnis wird nun wohl die
       Gaspreisbremse auf Februar vorgezogen. Die Partei hat sich zudem dafür
       eingesetzt, dass auch Rentner und Studierende die Energiepreispauschale
       noch bekommen. Diese Debatten kamen aus der SPD, auch von Stephan Weil.
       Wahlkämpfe sind Zeiten verdichteter Kommunikation. Man kriegt permanent
       Rückmeldung von verschiedenen Leuten. Das schärft den Kompass.
       
       Und warum hört man von SPD zum Thema Umverteilung so wenig? 
       
       Da widerspreche ich. Umverteilung spielt doch seit Monaten eine zentrale
       Rolle – nur nicht immer im klassischen Gewand als Steuerdebatte, sondern
       wenn es um den sozialen Ausgleich bei den Entlastungen geht. Bei vielen
       Entlastungen ging es zunächst darum, im Eiltempo die riesigen notwendigen
       Summen zu mobilisieren. Das hat gut funktioniert – und die FDP ist dabei
       über manchen Schatten gesprungen. Schrittweise wird nun geklärt werden
       müssen, wie die Lastenverteilung organisiert werden soll und welcher
       Steuer-Mix dabei für größtmögliche Gerechtigkeit sorgt.
       
       Wieso traut sich die SPD sich nicht, laut und offensiv Reiche stärker zur
       Kasse zu bitten? 
       
       Die SPD will Lücken bei Betriebsvermögen in der Erbschaftssteuer schließen
       und wir halten eine Reaktivierung der Vermögenssteuer für sehr große
       Vermögen von Krisenprofiteuren für dringend geboten, auch weil Einkünfte
       aus Arbeit und Vermögen in Deutschland hochgradig ungleich behandelt
       werden. Aber diese SPD-Position ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse im
       Bundestag bislang nicht durchsetzbar – so wenig wie andersherum Christian
       Lindners Steuerpläne. Wir werden aber nicht müde, für unseren Weg zu
       kämpfen.
       
       Aber seit dem 24. Februar und der Energiekrise gibt es eine neue Lage. In
       Spanien gibt es eine Vermögensabgabe. Warum ist das mit einem SPD-Kanzler
       nicht möglich? 
       
       Auch Olaf Scholz steht für die Steuerkonzepte der SPD ein, er hat sie
       mitentwickelt. Aber auch er kann die Mehrheiten im Parlament nicht
       verzaubern, sondern muss werben und argumentieren. Wir werden [6][auf dem
       SPD-Debattenkonvent an diesem Wochenende] deshalb erneut über Fragen der
       Verteilungsgerechtigkeit diskutieren.
       
       Beim Debattenkonvent geht es um die Energiewende. Eine These der SPD
       lautet: Die gelingt nur, wenn Chancen und Lasten gerecht verteilt sind. Ist
       das der Fall? 
       
       Es gibt Fortschritte. Ein Beispiel: Manuela Schwesig hat für
       Mecklenburg-Vorpommern verfassungsfest in Karlsruhe durchgekämpft, dass
       Windparkbetreiber den Anwohner*innen und Anrainerkommunen mindestens
       eine Beteiligung von 20 Prozent an ihrer Gesellschaft anbieten müssen. Das
       ist verteilungsgerecht und schafft Akzeptanz in der Bevölkerung. Andere
       Bundesländer können sich daran ein Beispiel nehmen.
       
       Jetzt kommt ein aber… 
       
       Problematisch ist, wie wir mit manchen Regionen umgehen, die von der
       Energiewende direkt betroffen sind. Ich war zuletzt viel in der Lausitz
       unterwegs, wo noch Braunkohle gefördert und verstromt wird. Was ich
       mitgenommen habe ist: In solchen Strukturwandel-Regionen braucht es vor
       allem eines – Verlässlichkeit, nicht hü oder hott.
       
       Das erleben viele dort gerade ganz anders. Erst wurde der Kohleausstieg für
       2038 festgelegt. Kaum war die Tinte trocken, gab es die Debatte um einen
       früheren Ausstieg. Dann beginnt Putins Krieg – und jetzt betteln wir die
       Beschäftigten dort an, die wir gerade mit Volldampf in die Transformation
       geschickt haben, ihren Kraftwerksblock wieder anzuschmeißen, um damit die
       akute Energiekrise zu bewältigen. Bei dieser launischen Sprunghaftigkeit
       sagen dort manche: Wenn ihr uns so zum Spielball macht, könnt ihr eure
       Transformation alleine machen. Solche Alarmsignale sollten wir wahrnehmen.
       
       Und nicht versuchen, vor 2038 aus der Kohle auszusteigen? 
       
       Es gibt klar festgelegte Stichtage und qualitative Kriterien, anhand derer
       der schlussendliche Zeitplan entschieden wird. Statt alles daran zu setzen,
       diese Kriterien zu erfüllen, führen manche eine Wohlfühl-Diskussion, in der
       sie sich mit Jahreszahlen gegenseitig unterbieten. Das ist
       Politik-Simulation.
       
       Beim SPD Debattenkonvent steht der klimaneutrale Umbau im Fokus. Im ersten
       Halbjahr 2022 wurden nur 350 neue Windanlagen in Deutschland genehmigt. Wo
       bleibt da der Doppel-Wumms?
       
       Der Bund baut die Anlagen ja nicht selber. Die Ansage war immer: Die
       Regierung schafft schnell die nötigen Gesetze für mehr Tempo beim Ausbau.
       Deshalb können Bundesländer künftig nicht mehr mit eigenen Knebel-Regeln
       den Ausbau von Windanlagen verhindern und müssen zwei Prozent der Fläche
       für Erneuerbare ausweisen. Das wird auch die skandalöse
       Windenergie-Blockade von Herrn Söder in Bayern lösen. Aber machen wir uns
       nichts vor: ein Land wie Bayern, das noch immer voll von Landespolitikern
       ist, die den Ausbau regenerative Infrastruktur vor Ort verhindern, wird es
       schwer haben, irgendetwas zu entfesseln. Hier geht es auch um eine
       Mentalitätsfrage.
       
       Die SPD hat selbst lange an alten Arbeitsplätzen festgehalten und
       Transformation verhindert… 
       
       Erfolgreiche Transformation heißt nicht, dass exakt gleiche Tätigkeiten
       konserviert werden. Das war in der Industriegeschichte nie so. Sonst würden
       wir noch heute an der Spinning Jenny arbeiten. Es geht darum, gute
       Industriearbeitsplätze zu schaffen, die Lebensperspektiven für Mensch und
       Umwelt schaffen, und nicht darum, noch eine Kohlegrube zum Weltkulturerbe
       zu machen.
       
       Dann muss die SPD klarer sagen. 
       
       Wir sind mehrheitlich keine Gesellschaft von Veränderungsverweigerern. Aber
       die Leute haben einen Anspruch darauf zu wissen, ob aus guten
       tarifgebundenen Industriearbeitsplätzen bald irgendein Hilfsjob wird. Oder
       ob wir neue Wertschöpfung mit neuer Industrie und guten Arbeitsplätzen
       entstehen lassen. Das hat nichts mit Veränderungsverweigerung zu tun,
       sondern mit Lebensperspektiven.
       
       Gehört zur Wahrheit nicht auch, dass wir wieder Verzicht lernen müssen?
       Weil die Zeiten von billiger Energie und satten Globalisierungsgewinnen
       vorbei sind? 
       
       Einspruch! Wenn wir in der Rezession eine Zeit lang weniger haben, darf das
       nicht heißen, dass alle einfach anteilig weniger bekommen. Das ist
       ungerecht und widerspricht allem, für was die SPD steht. Wenn
       Industriebetriebe Deutschland wegen Blackoutgefahr, zerrissener
       Lieferketten oder hoher Energiepreise verlassen, hat das Klima übrigens gar
       nichts davon. Die produzieren dann anderswo mit lascheren Ökostandards. Die
       SPD verfolgt deswegen auch [7][keine wohlfeile Degrowth-Strategie.] Wir
       sind kein nostalgischer Arbeitskreis für Subsistenzwirtschaft. Wir stehen
       zu industrieller Wertschöpfung.
       
       2,8 Prozent globales Wachstum jedes Jahr bedeutet, dass die Warenflut im
       Jahr 2100 rund 16 mal höher ist als aktuell. Ist das vernünftig? 
       
       Das BIP ist eine Rechengröße für Waren und Dienstleistungen im Land. 5
       Prozent Wachstum heißt nicht 5 Prozent mehr herkömmliche Produkte in
       Plastikverpackung. Es gibt Wachstum ohne rauchende Schlote und Verbrennung
       von Öl, Kohle und Gas.
       
       Wenn VW wächst, bedeutet das, mehr und teurere Autos zu verkaufen. 
       
       Im Zeitalter der E-Mobilität bedeutet Wachstum im Automobilsektor vor
       allem, dass wir lernen müssen, Batterien nicht nur zu bauen, sondern auch
       in die Kreislaufwirtschaft zu überführen. Nur so können wir [8][den
       Lithiumverbrauch deckeln und enormen Raubbau an der Natur verhindern].
       Wachstum heißt dann nicht, mehr Lithium zu verbrauchen, sondern aus alten
       Batterien neue Speichermedien zu machen.
       
       Also Wachstum für die Ewigkeit? 
       
       Nicht als Fetisch. Aber gerade im Übergang ins regenerative Zeitalter
       brauchen wir als Industrienation Wachstum, Innovation und technologische
       Sprünge, um CO2-Emissionen zu senken. Das entscheidet auch, ob andere
       Länder beim ökologischen Umbau mitziehen. Mir hat sich ein Beispiel echt
       eingebrannt: das Hüttenwerk von ArcelorMittal in Bremen macht etwa die
       Hälfte der CO2-Emissionen des Bundeslandes Bremens aus.
       
       Wenn dort künftig Stahl mit grünem Wasserstoff produziert wird, hat Bremen
       mit einem Schlag seine Emissionen radikal reduziert. Das ist Fortschritt in
       einem Ausmaß, gegen das keine private Selbstoptimierung anstinken kann. Ja,
       wir müssen teilweise auch unsere Lebensweise verändern, das muss nichts
       Schlechtes sein. Wir sollten das jedoch nicht zum Lifestyle verklären.
       
       Weniger fliegen, weniger konsumieren, alles zweitrangig? 
       
       So habe ich es nicht gesagt und nicht gemeint. Aber wir stehen unter
       Zeitdruck. Jeder, der schon mal in letzter Sekunde eine Arbeit abgeben
       musste, weiß, dass dann zählt: first things first. Das Wichtigste zuerst.
       Und das heißt, dort politisch einzugreifen, wo in kurzer Zeit das maximale
       erreicht werden kann. Deshalb geht es uns um eine glasklare Gesetzgebung
       für den Ausbau-Turbo bei den Erneuerbaren und darum, die
       Wertschöpfungsketten schnell CO2-neutral zu machen. Wir sollen und können
       daneben auch über Verzicht reden, aber bitte nicht auf dem Level von
       Waschlappen. Da ist dann die Ebene des Klamauks erreicht.
       
       Herr Kühnert, [9][vermissen Sie manchmal Twitter?]
       
       Nein, wirklich nicht.
       
       Als Ex-Bild-Chef Julian Reichelt getwittert hat „Kevin Kühnert ist ein
       kleingeistiger, zickiger Putschist“ haben sie spontan geantwortet „Aber
       immerhin bin ich nicht Julian Reichelt“ Fehlt Ihnen das nicht? 
       
       So was kann man auch ohne Twitter haben. Ich bin übrigens immer noch happy,
       nicht Julian Reichelt zu sein. Aber ohne Twitter bin ich vor allem freier
       im Kopf.
       
       Wieso? 
       
       Auf Twitter bekommt man unmittelbar Feedback. Nach fünf Sekunden kommt die
       erste Rückmeldung. Obwohl ich mir bewusstgemacht habe, dass diese schnellen
       Antworten von einer wenig repräsentativen Gruppe kommen, hat es zu einer
       Verzerrung meiner Wahrnehmung geführt. Es hat punktuell beeinflusst, ob ich
       Positionen vertreten habe oder nicht. Das ist in der Politik nichts Gutes
       und davor schütze ich mich jetzt.
       
       4 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.n-tv.de/mediathek/bilderserien/politik/Politiker-die-in-Kriegsgeraete-klettern-article23546752.html
   DIR [2] /Streitgespraech-ueber-LNG-Terminals/!5882830
   DIR [3] https://www.tagesschau.de/inland/kabinett-zu-cosco-einstieg-103.html
   DIR [4] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100074948/chip-fertigung-in-dortmund-i-sagt-habeck-doch-nein-zum-elmos-verkauf-nach-china-.html
   DIR [5] /Juso-Bundeskongress/!5888628
   DIR [6] https://debattenkonvent.spd.de/
   DIR [7] https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/degrowth-eine-realistische-vision/
   DIR [8] https://www.dw.com/de/zunehmender-lithium-abbau-verst%C3%A4rkt-wassermangel-in-chiles-atacama-w%C3%BCste/a-5203945
   DIR [9] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/kuehnert-twitter-101.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Lehmann
   DIR Stefan Reinecke
       
       ## TAGS
       
   DIR Kevin Kühnert
   DIR SPD
   DIR Infrastruktur
   DIR Energiekrise 
   DIR GNS
   DIR SPD
   DIR Luftverkehr
   DIR Resilienz
   DIR Mecklenburg-Vorpommern
   DIR fossile Energien
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR NRW-SPD
   DIR China
   DIR Gaspreise
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kevin Kühnert über 160 Jahre SPD: „Schröder hat sich entschieden“
       
       Von Askese hält Kevin Kühnert wenig. Er wirbt lieber für den aktiven Staat
       in der Öko-Transformation. Ein Gespräch über Umverteilung, Ex-Vorsitzende
       und 160 Jahre SPD.
       
   DIR Personalrekrutierung nach Flughafenchaos: Wenn einfach niemand kommt
       
       Die Luftverkehrsbranche wollte ihre Personalprobleme mit rund 2.000
       Beschäftigten aus der Türkei lösen. Nicht einmal 100 Visa wurden
       ausgestellt.
       
   DIR Krisen und Energiesicherheit: Mehr über Jüterbog reden
       
       Lasten und Nutzen der Ökotransformation sind regional ungleich verteilt.
       Statt über Verzicht sollte mehr über Fortschritt gesprochen werden.
       
   DIR Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering: Attacke als Strategie
       
       Mecklenburg-Vorpommerns Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering steht wegen
       seiner Russlandnähe weiter in der Kritik. Einsichtig zeigt er sich nicht.
       
   DIR Protest von Klimaschützer*innen: Bauplatz für LNG-Terminal besetzt
       
       In Brunsbüttel entsteht ein LNG-Terminal – gestern besetzten
       Aktivist*innen die Baustelle. Sie fordern den Ausbau erneuerbarer
       Energien.
       
   DIR Debattenkonvent der SPD: Sozialdemokraten in gerechter Mission
       
       Die SPD schlägt Pflöcke für künftige Wahlen ein – mit Klimaneutralität und
       Umverteilung. Unklarheit herrscht beim Thema Rolf Mützenich und
       „Terrorliste“.
       
   DIR SPD-Debattenkonvent am Wochenende: Reizthemen China und Steuern
       
       Die SPD will mit einem Debattenkonvent in Berlin die Basis beteiligen. Im
       Mittelpunkt sollen die Energiewende und der digitale Wandel stehen.
       
   DIR Deutsch-chinesische Beziehungen: Peking will ein „Weiter so“
       
       Chinesische Kommentatoren schätzen Kanzler Scholz als relativ pragmatischen
       Politiker. In den sozialen Medien wird er aber vor allem mit Häme bedacht.
       
   DIR Entlastungspaket der Bundesregierung: Die Gaspreisbremse wird eingebaut
       
       Energie ist für viele Bürger:innen und Unternehmen kaum noch bezahlbar.
       Ein bisschen hilft jetzt die Bundesregierung. Ein FAQ.