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       # taz.de -- Blockaden im Faktencheck: Klimaprotest ist nicht zu verbieten
       
       > Ist die Bundesinnenministerin für radikale Klimaschützer*innen
       > zuständig? Und wer kann überhaupt Vereinsverbote anordnen?
       
   IMG Bild: Die Bundesinnenministerin ist sowohl für Vereinsverbote als auch für Verfassungsschutz zuständig
       
       Anlässlich der [1][Klimaschutz-Blockaden] sagte Ex-Justizministerin Sabine
       Leutheusser Schnarrenberger (FDP): „Teil der Aufgabenbeschreibung einer
       Bundesinnenministerin ist es, jegliche radikale Gruppe auf dem Schirm zu
       behalten.“ Stimmt das? 
       
       ## Richtig ist:
       
       Das Bundesinnenministerium ist sowohl für Vereinsverbote als auch für den
       Verfassungsschutz zuständig.
       
       Vereinsverbote kann [2][Innenministerin Nancy Faeser (SPD)] selbst
       anordnen, zum Beispiel wenn die Zwecke oder die Tätigkeit eines Vereins
       „den Strafgesetzen zuwiderlaufen“. Die Gewerkschaft der Polizei hat bereits
       angeregt, ein Verbot der „Letzten Generation“ zu prüfen.
       
       Tatsächlich ist die Hauptaktivität der [3][„Letzten Generation“] derzeit
       die Durchführung von Straßenblockaden. Von den Gerichten wurden diese
       Aktionen bisher zwar durchweg als rechtswidrige Nötigung eingestuft, aber
       nur äußerst milde bestraft. Die Behinderung von Rettungsfahrzeugen ist
       weder intendiert noch kommt sie häufig vor. Ein Vereinsverbot wäre deshalb
       wohl unverhältnismäßig.
       
       Beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat Faeser die Fachaufsicht und
       könnte dem Amt mit Weisungen und Erlassen Vorgaben machen, muss es aber
       nicht. Anders als ihr Vorgänger Horst Seehofer (CSU) ist Faeser hier eher
       zurückhaltend. Das BfV beobachtet Bestrebungen gegen die freiheitlich
       demokratische Grundordnung. Gemeint sind Aktivitäten, die Demokratie,
       Rechtsstaat und Menschenwürde gefährden oder beseitigen wollen.
       
       So stellte das BfV im letzten Verfassungsschutzbericht fest, dass
       Linksextremist:innen versuchen, auf Klimaproteste Einfluss zu nehmen.
       Eine maßgebliche Rolle komme dabei der Gruppe „Ende Gelände“ zu, die sich
       gegen Kohleabbau und für einen „Systemwandel“ engagiert.
       
       Der propagierte „Systemwandel“ bezieht sich allerdings vor allem auf den
       Kapitalismus, der im Grundgesetz nicht explizit geschützt oder gar
       vorgegeben ist. Vielmehr erlaubt das Grundgesetz in Artikel 15 auch die
       Sozialisierung von weiten Bereichen der Wirtschaft. Die Stigmatisierung von
       „Ende Gelände“ durch den Verfassungsschutz ist also fragwürdig.
       
       Zur „Letzten Generation“ hat sich das Bundesamt bisher nicht offiziell
       geäußert. Der Langname der Gruppe „Aufstand der letzten Generation“ klingt
       zwar martialisch, die konkreten Ziele sind aber eher zahm: ein Tempolimit
       auf Autobahnen und ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung. Die
       Organisation stellt mit ihren Straßenblockaden auch die Demokratie nicht in
       Frage, sondern will vor allem Öffentlichkeit für ihre Appelle an die
       Bundesregierung schaffen. Eine Einstufung als extremistische Bestrebung
       liegt daher nicht nahe.
       
       5 Nov 2022
       
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       ## AUTOREN
       
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