# taz.de -- Memoiren eines Schloss-Bauers: Der Biss eines Terriers
> Der Erfinder des rekonstruierten Berliner Stadtschlosses, Wilhelm von
> Boddien, hat seine Memoiren veröffentlicht. Sie sind ein wenig zäh
> geraten.
IMG Bild: Der Wiederaufbau des Berliner Stadtschloss ist sein Lebenswerk: Wilhelm von Boddien
Es gibt wirklich wenige Sachbücher, die mit einer so gigantischen Portion
Eigenlob durchstarten. Unter der Kapitelüberschrift „Was mich antrieb“
beschreibt der 1942 geborene Wilhelm von Boddien in seinem soeben
erschienenen Buch „Abenteuer [1][Berliner Schloss]“, wie er mit seinem vor
30 Jahren gegründeten Förderverein erfolgreich und gegen alle Widerstände
die Rekonstruktion des Schlosses erzwingen konnte. Es ist davon die Rede,
dass er dazu die „Geschmeidigkeit einer Katze, die Sturheit eines Esels und
den Biss eines Terriers“ gebraucht habe.
Wer allerdings glaubt, durch die Lektüre der folgenden Kapitel dieses
Buches zu verstehen, was einen Mann außer Narzissmus noch dazu bewegen
konnte, einer Stadt den Wiederaufbau eines Gebäudes aufzuzwingen, das sie
in großen Teilen nicht vermisst hat, der wird leider enttäuscht werden.
Zwar ist immer wieder von der ominösen „Wunde“ in der Stadtmitte Berlins
die Rede, die im Umfeld des Fördervereins und von konservativen Autoren wie
Joachim Fest und Wolf Jobst Siedler mantraartig beschworen wurde. Warum
aber an dieser Stelle kein anderer Bau als „Pflaster“ taugen durfte: Das
bleibt außen vor.
## Das Unglück Europas
Seinen unfreiwillig komischsten Höhepunkt erlebt „Abenteuer Berliner
Schloss“, als Boddien, der übrigens nach einer kaufmännischen Lehre den
väterlichen Landmaschinenhandel übernahm und später in die Insolvenz
führte, von einer denkwürdigen Begegnung berichtet. 1992 war das, Boddien
war damals bereits um die 50 Jahre alt. Bei einer Pressekonferenz habe er
ausgerechnet durch den Hinweis eines Journalisten über eine Sache
nachgedacht, über die er bis dahin noch nie nachgedacht habe, so schreibt
er. Vom Preußenschloss, so der Journalist, sei doch das Unglück Europas
ausgegangen, dort sei der Erste Weltkrieg erklärt worden, dessen Folge die
Diktaturen Hitlers und Stalins gewesen seien.
Es folgt im Buch kein Wort zu diesem überzeugenden Argument – stattdessen
gibt es abwechselnd Anspielungen darauf, man müsse auch zu den dunklen
Seiten seines historischen Erbes stehen, und Versuche, diese dunklen Seiten
schönzureden. Erst zähe 150 Seiten später die Entscheidung, sich zu einer
der beiden Möglichkeiten zu bekennen: In Form einer Bezugnahme auf den
[2][Streit um den historischen Kuppelspruch] mit seinem
Herrschaftsanspruch, der 2021 die Medien beherrschte. Das Christentum sei
nicht unterjochend, sondern versöhnend gewesen, so von Boddien, „wir
Deutschen“ sollten uns „auf unsere großen Traditionen“ besinnen.
Man fragt sich wirklich, warum der Mann sich wenige Zeilen später so
verletzt zeigt, wenn er erwähnt, er sei öfter mal als Reaktionär bezeichnet
worden.
9 Nov 2022
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## AUTOREN
DIR Susanne Messmer
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