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       # taz.de -- Medienskandal in Österreich: Gegen das „rote Zeckenparadies“
       
       > Weiterhin erschüttert der Korruptionsskandal Österreich. Nun sind zwei
       > Chefredakteure wegen kompromittierender Chats freigestellt.
       
   IMG Bild: „Rausgenommen!“: Rainer Nowak, Chefredakteur und Herausgeber der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“
       
       Oft haben sie [1][die Chat-Affäre], die seit zwei Jahren Peinlichkeiten aus
       dem Leben der konservativen Spitzenpolitik in Österreich zu Tage fördert,
       kommentiert. Rainer Nowak, Chefredakteur der bürgerlichen Tageszeitung Die
       Presse, und Matthias Schrom, Chefredakteur des Fernsehkanals ORF2. Jetzt
       wurden sie selbst von kompromittierenden Chats eingeholt, die die
       Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft (WKStA) auswertete. Beide wurden
       am Montag von ihren Arbeitgebern bis auf Weiteres freigestellt. Matthias
       Schrom trat am Mittwoch mit sofortiger Wirung zurück.
       
       Nowak war offenbar in ständigem Austausch mit [2][Thomas Schmid], der als
       Generalsekretär im Finanzministerium die Fäden für den politischen Aufstieg
       von Sebastian Kurz zog und Anlaufstelle für politische Postenbesetzungen
       war. Schmid, so legen die Chatverläufe aus den Jahren 2015 bis 2019 nahe,
       pflegte sich bei Nowak zu beschweren, wenn ihm ein Artikel oder eine
       Formulierung in seiner „Lieblingszeitung“ nicht passte.
       
       „Rausgenommen die Formulierung“, rapportierte Nowak etwa am 4. April 2018.
       Im Gegenzug unterstütze Schmid Nowaks Ambitionen auf die Generaldirektion
       des öffentlich-rechtlichen ORF. „Unbedingt!!!“, antwortete Schmid am 26.
       März 2019.
       
       Vom Einzug Nowaks in [3][die Chefetage des ORF] erwartete sich Schmid
       offensichtlich eine parteipolitische Säuberung im Sinne der ÖVP. Ein Dorn
       im Auge war ihm beispielsweise der Nachrichtenmoderator Tarek Leitner, der
       bei Interviews gerne kritische Fragen stellt. „Als GD (Generaldirektor;
       Anm. d. Red.) wirst ihn dann verräumen“, wünschte sich Schmid. Der ORF, wie
       es der Investor und ÖVP-Großspender Alexander Schütz in unnachahmlicher
       Eleganz formulierte, sei ein „rotes Zeckenparadies“, das „allen auf die
       Nerven“ gehe.
       
       ## „Dortige Berichte nicht schön“
       
       Vor allem der erste Kanal. Diese Einsicht verdanken wir ORF2-Chefredakteur
       Matthias Schrom, der am 24. Februar 2019 eine Beschwerde des damaligen
       Vizekanzlers Heinz-Christian Strache entgegennahm. Anlass war ein Gespräch
       über Antisemitismus in den Spätnachrichten, bei dem die FPÖ nicht gut
       wegkam.
       
       Schrom erklärte sich bedauernd für unzuständig: „Du weißt, ich bin ja nur
       für ORF2 zuständig. ORF1 (das noch viel linker ist) gehört ja Lisa Totzauer
       (und Wolfgang Geier).“ Totzauer, die politisch der ÖVP zugeordnet wird, war
       zu dieser Zeit Channel-Managerin von ORF1, Geier Chefredakteur. Strache
       insistierte, sein Kontaktmann müsse sich die beiden zur Brust nehmen „Die
       sollten schon merken, dass sie auch nicht unter dem Radar sind. Die
       dortigen Berichte sind uns gegenüber nicht schön.“ Schrom versprach eine
       entsprechende Intervention. Schrom verteidigte sich jetzt, er habe bloß
       Strache besänftigen müssen, da die ÖVP-FPÖ-Regierung den ORF [4][via
       Privatisierung liquidieren wollten].
       
       Seltsam sind einige Reaktionen aus der Zeitungsbranche. Rudolf Mitlöhner
       vom [5][ÖVP-nahen Kurier] stimmt ein in den Chor derer, für die im ORF „die
       klare Mehrheit der Journalisten deutlich rot-grün-affin ist“. Für die ÖVP
       reiche es nicht, mit ihrer Mehrheit im Stiftungsrat den Generaldirektor
       einzusetzen. Vielmehr bedürfte es „eines langfristigen strategischen
       Vorgehens“.
       
       9 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Sebastian-Kurz-in-Oesterreich/!5887027
   DIR [2] /Die-These/!5890147
   DIR [3] /Wahl-zum-neuen-ORF-Generaldirektor/!5788128
   DIR [4] /Senderchef-vorm-Untersuchungsausschuss/!5726383
   DIR [5] https://kurier.at/meinung/die-oevp-und-der-orf/402209787
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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