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       # taz.de -- Zwischenwahlen in den USA: Rechte Enttäuschung
       
       > Noch sind nicht alle Stimmen gezählt, doch es zeichnet sich ab: Die
       > Republikaner haben weniger Zugewinne als erwartet.
       
   IMG Bild: Zentrum der Macht: Passant:innen am Kapitol in Washington am Wahltag, dem 8. November
       
       taz | Es war der konservative republikanische Senator Lindsay Graham, der
       noch in der Wahlnacht am deutlichsten formulierte, was sich als Nachricht
       des Tages etablieren sollte: „Das ist definitiv keine republikanische
       Welle, das ist verdammt klar“, sagte er beim Sender NBC wenige Stunden,
       nachdem die ersten Ergebnisse eingetroffen waren.
       
       Auch am Mittwoch war nicht definitiv klar, ob die Republikaner*innen
       ihr Ziel erreichen, die Mehrheit in einer oder gar beiden Kammern des
       Kongresses wiederzuerlangen. Im Senat, wo bislang 50
       Republikaner*innen ebenso vielen Demokrat*innen gegenüberstanden,
       mussten sie lediglich einen Sitz hinzugewinnen, um die Kontrolle zu
       übernehmen. Aber der einzige Wechsel, der in der Wahlnacht selbst sicher
       vermeldet werden konnte, ging genau in die andere Richtung: In
       [1][Pennsylvania] konnte der Demokrat John Fetterman sich gegen seinen
       republikanischen Konkurrenten durchsetzen, den von Donald Trump
       unterstützten Mehmet Oz.
       
       Aber es wird noch Tage, womöglich Wochen dauern, bis die Mehrheit im Senat
       entschieden ist. Vier Rennen waren am Mittwoch noch offen: Nevada, Arizona,
       Wisconsin und Georgia, bis auf Wisconsin alles Senatssitze, die bislang von
       Demokrat*innen gehalten werden. Können die Republikaner*innen
       zwei davon drehen, haben sie die Mehrheit im Senat. Aber wann das klar ist,
       war zunächst gar nicht absehbar.
       
       In Nevada lag die demokratische Amtsinhaberin Catherine Cortez Masto gegen
       Herausforderer Adam Axalt hinten – allerdings machte der Unterschied am
       Mittwochmorgen Ortszeit nur 23.000 Stimmen aus, und nur 75 Prozent der
       Stimmen waren ausgezählt. In Nevada haben alle Wahlberechtigten
       Briefwahlunterlagen erhalten. Eingesandte Stimmen sind gültig, sofern der
       Poststempel spätestens vom Wahltag selbst stammt. Wie viele Wahlbriefe
       womöglich noch unterwegs sind, weiß niemand.
       
       In Arizona lag der demokratische Amtsinhaber Mark Kelly mit immerhin rund
       90.000 Stimmen in Führung, aber es waren lediglich 68 Prozent der Stimmen
       ausgezählt. Zu Beginn des Wahltages hatte es Probleme mit Wahlmaschinen in
       Maricopa County rund um Phoenix gegeben, einem der bevölkerungsreichsten
       Wahlkreise des Bundesstaates.
       
       Rechte Gerüchte 
       
       Sofort hatten republikanische Anwälte, die rechte Gouverneurskandidatin
       Kari Lake und rechte Medien von versuchtem Wahlbetrug gesprochen – und
       obwohl die Probleme schon nach kurzer Zeit gelöst waren, ist es nicht
       unwahrscheinlich, dass ein demokratischer Wahlsieg hier zu Anfechtungen
       führen könnte. Auch 2020 hatten Anwälte im Auftrag von Donald Trump die
       Wahlen in dem Bezirk angezweifelt.
       
       In [2][Wisconsin] lag der republikanische Amtsinhaber Ron Johnson klar in
       Führung, bei nur noch rund einem Prozent fehlender Stimmen schien hier das
       Rennen gelaufen.
       
       Und so könnte wieder einmal der Bundesstaat Georgia das Zünglein an der
       Waage sein. Da führte zwar der demokratische Amtsinhaber Raphael Warnock
       gegen den Footballstar und Politikneuling Herschel Walker – aber keiner der
       beiden kam über 50 Prozent. Nach Georgias Wahlgesetzen bedeutet das, dass
       die Entscheidung in einer Stichwahl fällt – und die ist erst für den 6.
       Dezember angesetzt.
       
       Auch die Mehrheit im Repräsentantenhaus war am Mittwoch noch nicht
       eindeutig – allerdings lagen republikanische Kandidat*innen in so
       vielen der noch ausstehenden Wahlkreisen vorne, dass viele Analysten davon
       ausgingen, dass sie die Grenze von 218 Stimmen wohl überspringen werden.
       Der bisherige Minderheitsführer Kevin McCarthy würde dann den Posten des
       Speaker of the House von der Demokratin Nancy Pelosi übernehmen.
       
       Unter dem Durchschnitt 
       
       Bei den Gouverneurswahlen in 36 Bundesstaaten konnten sich in den meisten
       Fällen die Amtsinhaber*innen behaupten. Mit Spannung wurde auch hier
       auf Arizona geschaut, wo der Sitz offen war: Auf republikanischer Seite
       trat Kari Lake, eine Rechtsaußenkandidatin, die wie kaum eine andere Trumps
       Lüge von der gestohlenen Präsidentschaftswahl verbreitet, gegen Katie Hobbs
       an, die 2020 als Secretary of State in Arizona die Integrität der Wahlen
       gegen republikanische Angriffe verteidigt hatte. Hobbs lag am Mittwoch mit
       lediglich 12.000 Stimmen vorn – weit entfernt von einer klaren Prognose.
       
       Sicher ist, dass die möglichen Zugewinne der Republikaner*innen nicht
       nur unter ihren diesjährigen Erwartungen geblieben sind, sondern sogar
       unter den durchschnittlichen Zugewinnen der Oppositionspartei bei
       Halbzeitwahlen. Die Themen Abtreibungsrecht, was die Demokrat*innen in
       den Vordergrund stellten, und Inflationssorgen, mit dem die
       Republikaner*innen mobilisieren wollten, hoben sich nach Ansicht von
       Analyst*innen gegenseitig auf.
       
       Darüber hinaus wurde selbst in republikanisch geprägten Diskussionsrunden
       spekuliert, welchen Einfluss die massive Einmischung [3][Donald Trumps] auf
       das enttäuschende Ergebnis gehabt haben könnte. Die Partei, so meinten
       einige, müsse ihn endlich loswerden.
       
       9 Nov 2022
       
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