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       # taz.de -- Russische Kriegspropaganda: Die „schmutzige Bombe“ des Kremls
       
       > Moskau behauptet weiter, die Ukraine plane die Zündung einer Bombe mit
       > radioaktiven Inhalten. Westliche Staaten weisen diesen Vorwurf zurück.
       
   IMG Bild: Versuchen sich in neuer Kriegspropaganda: Kreml-Chef Putin und sein Verteidigungsminister Schoigu
       
       Berlin taz | Russlands Regierung bleibt auch nach einhelliger Zurückweisung
       durch den Westen und die Ukraine bei ihrer Darstellung, die Ukraine plane,
       eine sogenannte „schmutzige Bombe“ zu zünden, um so den Krieg zu
       eskalieren. Diese These war am Sonntag verbreitet worden. Außenminister
       Sergei Lawrow hatte erklärt, es gebe „konkrete Informationen zu den
       Instituten in der Ukraine, die über entsprechende Technologien verfügen,
       solch eine „schmutzige Bombe“ zu bauen“. Russlands Verteidigungsminister
       hatte sich sogar die Mühe gemacht, mit seinen Amtskollegen in Frankreich,
       Großbritannien und den USA zu telefonieren, um auf die angebliche Gefahr
       hinzuweisen.
       
       Die allerdings wiesen den Vorwurf in einer gemeinsamen Stellungnahme als
       haltlos zurück und übernahmen stattdessen die Lesart des ukrainischen
       Präsidenten Wolodomir Selenski, der darauf hingewiesen hatte, so etwas
       kündige Moskau an, wenn Russland selbst derartige Pläne hätte. Dafür gibt
       es tatsächlich Präzendenzfälle aus dem Syrienkrieg, wo die Propaganda des
       Assad-Regimes im Einklang mit Russland vor angeblichen
       Chemiewaffenattacken der Rebellen warnte – nur um dann selbst solche
       Waffen einzusetzen.
       
       Mit „schmutziger Bombe“ ist ein konventioneller Sprengkörper gemeint, dem
       radioaktive Teile beigemischt werden. Es handelt sich also nicht um eine
       Atomexplosion durch Kernspaltung, wohl aber um eine Detonation mit
       radioaktiver Verseuchung. Vor dem Einsatz solch „schmutziger Bomben“ durch
       Terroristen hatten die USA nach den Anschlägen des 11. September 2001
       wiederholt gewarnt – tatsächlich aber ist eine solche Bombe bislang
       nirgends zum Einsatz gekommen.
       
       Dass der Westen unisono nicht auf die Warnungen einsteigen wollte,
       [1][erzürnt die russische Regierung] offenbar gewaltig. „Dies ist ein
       Ansatz, der alles andere als seriös ist, ein Ansatz, der, so würde ich
       sagen, unangemessen ist angesichts der Schwere der Gefahr, über die wir
       hier sprechen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow russischen
       Nachrichtenagenturen zufolge am Dienstag in Moskau. Ebenfalls am Dienstag
       wollte Russland das Thema auf der Sitzung des UN-Sicherheitsrats vorbringen
       – hinter verschlossenen Türen und weit nach taz-Redaktionsschluss.
       
       ## Plumpe Fälschungen und falsche Bildzuordnungen
       
       Unterdessen haben Netzrechercheure den vom russischen
       Verteidigungsministerium veröffentlichten „[2][Beweisen]“ für solche
       ukrainischen Bestrebungen nachgeforscht – und fanden recht plumpe
       Fälschungen und falsche Bildzuordnungen vor. [3][Benjamin Strick] etwa,
       Rechercheur beim Center for Information Resilience, stellte fest, dass zwei
       der Fotos, die angeblich ukrainische Atomforschungseinrichtungen zeigen
       sollen, in Wirklichkeit aus Russland stammen. Ein weiteres Bild, das
       angeblich ukrainische Atomabfälle zeigen soll, kursiert schon seit
       mindestens sieben Jahren im Netz und wird immer mal wieder anderen Orten
       zugeordnet.
       
       Viele Beobachter fühlten sich auch an die rund um den Kriegsbeginn
       monatelang von Russland lancierte Behauptung erinnert, die USA betrieben in
       der Ukraine geheime Biowaffenlabore – eine haltlose Falschmeldung.
       
       Nach den Vorwürfen hatte Kiew selbst eine Kontrolle durch die
       Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) für zwei Forschungsinstitute
       erbeten, auf deren Arbeit sich Moskau bezieht. Unterdessen meldete der
       ukrainische Kraftwerksbetreiber Enerhoatom, das russische Militär habe
       vergangene Woche an Lagertanks für verbrauchten Kernbrennstoff nicht
       autorisierte Arbeiten durchgeführt. Man nehme an, Russland plane einen
       Terroranschlag mit Kernmaterial und radioaktiven Abfällen.
       
       25 Oct 2022
       
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