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       # taz.de -- Günstiger öffentlicher Nahverkehr: Ein Bärendienst für den Klimaschutz
       
       > Das 9-Euro-Ticket hatte viele Fans, bald kann man für 49 Euro im Monat
       > den Nahverkehr nutzen. Doch für die Verkehrswende braucht es andere
       > Maßnahmen.
       
   IMG Bild: Die einen feiern das 9-Euro-Ticket, die anderen kritisieren das Konzept, Zug-Demo im Sommer 2022
       
       Es leben nicht nur arme Menschen in Deutschland. Zum Glück geht es den
       meisten gut. Diese Tatsache wird jedoch schnell vergessen, sobald es um das
       eigene Lieblingsprojekt geht. Dann scheint es nur noch Benachteiligte zu
       geben, die dringend staatlich gefördert werden müssen. Diese seltsame Logik
       zeigt sich auch beim Nahverkehr. Im Sommer gab es das 9-Euro-Ticket,
       demnächst soll ein 49-Euro-Ticket folgen.
       
       Bis heute wird geschwärmt, dass das 9-Euro-Ticket [1][die „soziale
       Teilhabe“ ermöglicht hätte], weil alle BürgerInnen für billig Geld Busse
       und Bahnen besteigen konnten. Um Missverständnisse zu vermeiden: Es ist
       richtig, Arme zu subventionieren, damit auch sie ins Grüne fahren können.
       Aber im Sommer waren nicht nur Bedürftige unterwegs, denn insgesamt wurden
       in 3 Monaten 52 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft.
       
       Immerhin einen guten Grund gab es für den 9-Euro-Unsinn: Noch blöder war
       nämlich der „Tankrabatt“, der alle Autofahrer subventionierte – wobei die
       Besitzer von spritfressenden Luxuskarossen besonders sparten. Es war also
       nur gerecht, dass auch die ÖPNV-FahrerInnen vom Regierungswahnsinn
       profitierten.
       
       Doch die 9-Euro-Fans bringen noch ein zweites Argument vor: [2][Sie
       behaupten, dass der Billig-Fahrschein einen Beitrag zum Klimaschutz
       geleistet hätte], weil AutofahrerInnen auf Bahn und Bus umgestiegen wären.
       Richtig ist, dass viele Züge so überfüllt waren, dass Eltern mit
       Kinderwagen leider keinen Platz mehr fanden und auf dem Bahnsteig
       zurückblieben. Radfahrer konnten Ähnliches erleben. Aber für die
       Überfüllung sorgten nicht nur einstige Autofahrer – sondern auch klassische
       Bahnfahrer, die nun noch mehr Bahn fuhren, um ihr 9-Euro-Ticket
       auszunutzen.
       
       Jetzt soll also das 49-Euro-Ticket kommen. Den Staat wird es pro Jahr
       mindestens drei Milliarden Euro kosten, aber diese Riesensumme ist
       angeblich gut angelegt – um zumindest einige AutofahrerInnen in Busse und
       Bahnen umzulenken. Dieses Lockangebot dürfte funktionieren. Trotzdem ist es
       kein Klimaschutz, sondern behindert ihn sogar.
       
       Das fatale Signal ist nämlich: Klimaschutz ist nur zumutbar, wenn er billig
       ist. Leider ist das Gegenteil wahr. Es wird sehr teuer, die gesamte
       Wirtschaft auf Ökostrom umzustellen. Auch der Nahverkehr ist nicht umsonst
       zu haben; Bahnen und Busse benötigen Personal, Energie und Infrastruktur.
       
       Zudem dürfte der Autoverkehr gar nicht abnehmen, nur weil einige
       Pkw-Pendler in die Bahn umsteigen. Wenn die Straßen leerer werden und
       weniger Staus drohen, könnten viele Nochautofahrer verleitet sein,
       Extratouren zu planen. Dieser Bumerangeffekt ist altbekannt.
       
       Das 49-Euro-Ticket krankt an dem Irrglauben, es würde reichen, den
       BürgerInnen „Angebote“ zu machen, damit der Klimaschutz vorankommt. Wahr
       ist jedoch das Umgekehrte: Man muss das Autofahren erschweren, indem es
       beispielsweise kaum noch öffentliche Parkplätze gibt. Dann steigen die
       Pkw-Nutzer automatisch um. [3][Freiburg hat es vorgemach]t: Dort kostet es
       jetzt bis zu 480 Euro im Jahr, sein Auto abzustellen. Natürlich sollten
       Bahnen und Busse attraktiv sein. Aber dieser Service kostet. Hilfen darf
       nur erhalten, wer wirklich arm ist – und nicht, wer sich künstlich arm
       rechnet.
       
       12 Nov 2022
       
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   DIR Ulrike Herrmann
       
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