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       # taz.de -- Die Verständnisfrage: Klimakrise? Sorry!
       
       > Ältere haben es versäumt, mehr gegen die Klimakrise zu tun. Sollten sie
       > sich bei jungen Menschen entschuldigen?, fragt ein Leser. Ein Azubi
       > antwortet.
       
   IMG Bild: Wir steuern auf eine Katastrophe zu: Ausgetrockneter See in Ungarn im Sommer 2021
       
       In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren
       Verhalten der Fragesteller_in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine
       Person, die antwortet.. 
       
       Alfred Abels, 84, Rentner aus Bremen fragt: 
       
       Liebe junge Menschen, wollt ihr die Entschuldigung von uns Älteren für die
       Klimakrise überhaupt hören?
       
       ***
       
       Tjalf Eydeler, 21, Azubi aus Passau antwortet: 
       
       Nein, wollen wir nicht. Denn was bringt uns das? Wir sitzen mittlerweile zu
       tief in der Scheiße, als dass Entschuldigungen noch etwas helfen. Und du
       als einzelne Person kannst ja auch gar nichts dafür. Die Menschen eurer
       Generation wussten ja lange selbst nicht, was für fatale Auswirkungen
       Treibhausgase haben. Es ist nicht die Aufgabe der Bevölkerung, im Auge zu
       behalten, was die Wissenschaft sagt, und das eigene Leben daraufhin
       anzupassen. Dafür haben wir ja eine Regierung, die auf die Expert:innen
       hören soll. Solange du nicht in einer wichtigen Regierungsposition warst
       und dich aktiv dagegen entschieden hast, auf die Wissenschaft zu hören,
       gibt es keinen Grund, sich zu entschuldigen.
       
       Wenn es jemanden gibt, der sich entschuldigen sollte, dann sind das die CDU
       und die SPD. Aber nicht dafür, dass die Klimakrise begonnen hat, sondern
       dafür, wie damit umgegangen wird. Wir haben ja nicht mehr einfach nur Angst
       vor einer ungewissen Zukunft, wir steuern auf eine Katastrophe zu. Als
       junger Mensch wird man trotzdem noch belächelt: Wir sollen nicht so extrem
       sein und es sei ja absolut verwerflich, dass [1][sich Leute auf die Straße
       kleben] und andere dadurch fünf Minuten später zur Arbeit kommen. Dieses
       Egalsein, das ist etwas, wofür man sich wirklich entschuldigen kann.
       
       Man könnte argumentieren, dass ältere Menschen schuld sind, weil sie diese
       Parteien gewählt haben. Doch viele ältere Menschen haben erst in den
       letzten paar Jahren die Konsequenzen des Klimawandels verstanden. Die haben
       ihre Leben gelebt, das hatte bestimmte Folgen, die sie aber nicht
       einschätzen konnten. Als der Klimawandel dann zum Thema wurde, hieß es, man
       muss Eigenverantwortung zeigen: auf Plastik verzichten und Müll trennen.
       Dabei ist nicht die Bevölkerung das Problem, sondern Unternehmen. Aber die
       Firmen haben natürlich die krassere Lobby, mit der sie die Politik und die
       öffentliche Meinung beeinflussen können. Das hat die Wissenschaft nicht und
       sollte sie auch nicht haben müssen, denn eigentlich liegt es in der
       Verantwortung der Politik, auf diese zu hören und nicht auf die Lobbys.
       
       Klar stehen alle ein bisschen mit in der Verantwortung, auch wir junge
       Wähler:innen. Die [2][FDP war ja bei uns zweitstärkste Kraft]. Es sind
       nicht nur die älteren Generationen schuld. Aber letzten Endes hat vor allem
       die Politik ihren Job nicht gemacht. Der Anteil der Schuld der Bevölkerung
       ist meiner Meinung nach vernachlässigbar.
       
       Wenn du dich dennoch schuldig fühlst, dann helfen uns Taten mehr als Worte.
       Es gibt überall vor Ort Gruppen, die sich mit Klimagerechtigkeit
       auseinandersetzen, auf lokaler wie auf Bundesebene. Wenn man da hingeht und
       sagt: Ich bin zwar nicht 7, sondern 70 oder auch 84 Jahre alt, aber ich
       will helfen, was kann ich tun?, dann freuen sich die Menschen in diesen
       Gruppen ein Loch in Bauch. Denn du hast vielleicht ganz andere
       Möglichkeiten als Leute, die zur Schule gehen oder studieren, bringst
       andere Erfahrungen und Wissen mit. Es gibt sehr viele kleine Aktionen und
       jeder Einzelne hilft. Ich glaube, dass es wichtig ist, aktiv zu werden,
       indem man eben nicht nur Plastikmüll trennt, sondern auch für politische
       Veränderungen auf großer Ebene wirkt.
       
       Haben Sie manchmal auch diese Momente, wo Sie sich fragen: Warum, um alles
       in der Welt, sind andere Leute so? Wir helfen bei der Antwort. Wenn Sie
       eine Gruppe Menschen besser verstehen wollen, dann schicken Sie Ihre Frage
       an [3][verstaendnis@taz.de].
       
       28 Nov 2022
       
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