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       # taz.de -- Parlamentswahl in Dänemark: Rücktritt trotz Sieg
       
       > Dänemarks Ministerpräsidentin hat überraschend gewonnen. Aber statt ihre
       > bisherige Regierung fortzusetzen, will sie offenbar etwas Neues
       > ausprobieren.
       
   IMG Bild: Hat überraschend die Wahl in Dänemark gewonnen: Mette Frederiksen
       
       Kopenhagen taz | „Respect“ schmettert der jazzige Soulklassiker von Aretha
       Franklin aus den Lautsprechern auf Schloss Christiansborg in Kopenhagen, wo
       das dänische Parlament tagt und die Sozialdemokraten am Mittwoch ihren
       Wahlsieg feiern. Die Parteivorsitzende und amtierende Ministerpräsidentin
       Mette Frederiksen kämpft sich sichtlich gerührt durch eine begeisterte
       Menge aus johlenden Parteigenossen zur Presse, die mit Mikrofonen und
       blitzenden Kameras auf sie wartet. Ihre Partei hat das beste Wahlergebnis
       der vergangenen 20 Jahren eingefahren.
       
       Nun kann Frederiksen entscheiden, mit wem sei weiterregieren möchte: mit
       den linken Parteien wie bisher oder in einem breiten links-rechts Bündnis,
       wie sie in ihrem Wahlkampf versprochen hat. Um breite
       Koalitionsverhandlungen zu ermöglichen, reichte sie am Mittwochmittag ihren
       Rücktritt als Ministerpräsidentin bei Königin Margrethe II. ein. Die
       Monarchin wird jetzt einen der Parteichefs mit der Regierungssondierung
       beauftragen.
       
       Seit 2019 führt Frederiksen in Dänemark eine Minderheitenregierung an. Aber
       mehrere der Parteien dieser Minderheitsregierung haben große Rückschläge
       verbucht. Lange sah es in den Umfragen danach aus, dass Frederiksen ihre
       Regierung nicht weiterführen könnte.
       
       Aber entgegen allen Wahlumfragen ist es Frederiksen geglückt, erneut eine
       Mehrheit für den sogenannten roten Block der linken Parteien zu gewinnen –
       allerdings nur knapp. Im dänischen Parlament, dem Folketing, gibt es
       insgesamt 179 Mandate und das Bündnis hat die Mindestmehrheit von 90
       Mandaten gewonnen. Frederiksens Sozialdemokraten sind die größte Partei,
       mit 27,6 Prozent 50 Mandate.
       
       ## Schwere Verhandlungen stehen bevor
       
       „Wir sind jetzt die einzige große Volkspartei Dänemarks“, verkündete eine
       stolze Mette Frederiksen Mittwochnacht. Das verdankt sie aber auch [1][der
       bürgerlichen Opposition im „blauen Block“], die in der vergangenen
       Legislaturperiode zersplitterte und nun aus insgesamt sechs Parteien
       zwischen 13,5 und 2,5 Prozent besteht.
       
       Zwischen den Lagern sitzt der frühere zweimalige Regierungschef Lars Løkke
       Rasmussen, dessen neue Partei, Moderaterne, 9 Prozent und entsprechend 16
       Sitzen bekam. Erst im Juni wurde die Partei gegründet und möchte weder rot
       noch blau sein, sondern lieber lila.
       
       Weil das Ergebnis so knapp war, zog sich die Auszählung bis tief in die
       Nacht. Das verlegte auch die Elefantenrunde, die traditionell nach der Wahl
       beginnt, auf 2 Uhr. Bei der Debatte mit den 14 Parteivorsitzenden wurde
       schon Mittwochnacht schnell klar, dass dem kleinen Königinnenreich Wochen
       oder sogar Monate mit schweren Verhandlungen bevorstehen. Denn trotz ihrer
       roten Mehrheit besteht [2][Mette Frederiksen darauf], eine große
       links-rechts überschreitende Koalition auszuprobieren.
       
       Ihre Wahlkampagne mit dem Slogan: „Zusammen durch schwierige Zeiten“ lief
       darauf hinaus, den Wählern eine pragmatische, konstruktive Politik der
       Mitte anzubieten. „Wenn Sozialdemokraten etwas sagen, dann halten wir uns
       auch daran“, erklärte Frederiksen.
       
       Eine potenzielle Links-rechts-Koalition würde sich wahrscheinlich
       zusammensetzen aus: Sozialdemokraten, Moderaterne, der bürgerlich-liberalen
       Venstre und vielleicht der progressiv-liberalen Radikale Venstre.
       
       ## Nicht die größte Kompromissbereitschaft
       
       Allerdings steht der Venstre-Vorsitzende Jakob Ellemann-Jensen einem
       solchen Projekt sehr skeptisch gegenüber. Die 23 Mandate seiner Partei
       wären aber für eine Mehrheit nötig. Er glaube einfach nicht daran, dass
       Mette Frederiksen wirklich zu Reformen der Wohlfahrtsgesellschaft bereit
       sei, sagt Ellemann-Jensen.
       
       Doch jetzt, wo die selbstbewusste Regierungschefin der vergangenen
       dreieinhalb Jahre de facto auch einen anderen, „roten“ Weg gehen könnte,
       wird ihre Kompromissbereitschaft den potenziellen Koalitionspartnern
       gegenüber nicht die allergrößte sein.
       
       Letztes Update um 16.40 Uhr
       
       2 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Rikke Detlefsen
       
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