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       # taz.de -- Die Digitalisierung ändert einfach alles: Haben ist auch wieder relativ
       
       > Wenn teuer gekaufte Filme oder Musik plötzlich vom Rechner verschwinden,
       > kann das ärgerlich sein. Oder inspirierend. Fast wie im realen Leben.
       
   IMG Bild: Bruno Ganz als Engel in „Der Himmel über Berlin“ von Wim Wenders
       
       Nur einige Wochen ist es her, dass Sony Playstation-Nutzer:innen Filme und
       Serien, die diese einst gekauft hatten, wieder aus ihrem persönlichen
       Online-Videoregal entfernt hat. [1][„Der Himmel über Berlin“], „Apokalypse
       Now“ und mehr als 300 andere Titel – weg. Gekauft ist gekauft? Von wegen.
       
       Der Fall öffnet Raum für Spekulationen: Steckt in Wahrheit die
       DVD-Industrie dahinter? Oder Aufräumikone [2][Marie Kondo]? Und: Wenn
       kaufen nicht mehr besitzen heißt – welche Gewissheiten werden als Nächstes
       erschüttert? FDP für Tempolimit? Tönnies stellt auf vegane Wurst um?
       [3][Greta Thunberg] fliegt zum Schnorcheln auf die Malediven?
       
       Dabei ist es doch kompliziert genug: Schon jetzt geht der Riss bei der
       Beantwortung einiger essenzieller Alltagsfragen mitunter durch Familien,
       Hausgemeinschaften, Freundeskreise: Hund oder Katze? Zahnpasta hinstellen
       oder hinlegen? Nutellabrot mit Butter oder ohne?
       
       Und nun, wo es Internet sei Dank noch mal deutlich einfacher geworden ist,
       Dinge nicht zu besitzen, sondern mit anderen Menschen gemeinschaftlich zu
       nutzen, ist eine weitere Frage dazugekommen: Haben oder leihen?
       
       ## Und der Schnellkochtopf?
       
       Trivial? Von wegen. Die Frage dahinter: Was ist derart wichtig, dass es
       sich im eigenen Besitz befinden muss: Auto nein, Fahrrad ja,
       Kinderspielzeug nein, Schuhe ja? Oder umgekehrt? Was ist mit der
       Bohrmaschine? Mit dem Schnellkochtopf? Und gerade wo in Sachen Haben oder
       Leihen eine gewisse Routine eingekehrt sein könnte, kommt, siehe Sony, noch
       ein Twist dazu: Haben ist relativ.
       
       Das sieht das deutsche Recht ausdrücklich so vor, wenn auch weniger
       philosophisch formuliert. Der Trick: unkörperliche Güter. DVD gleich
       Eigentum gleich darf niemand einfach wieder wegnehmen. Derselbe Film,
       dieselbe Serie, dieselbe Musik gekauft, aber bei dem Anbieter in der Cloud
       liegend? Kann schon mal weg sein. Glücklich, wer vorher die Allgemeinen
       Geschäftsbedingungen gelesen und verstanden hat und alles gleich
       runterlädt.
       
       In Zeiten der zunehmenden Softwareisierung könnten sonst Löschaktionen noch
       Überraschungen bringen. Die intelligente Küchenmaschine greift nicht mehr
       auf die Rezepte zu? Tja, doch Tiefkühlpizza. Der Hersteller des vernetzten
       Auto musste leider, leider das Kartenmaterial des Navigationsgeräts
       sperren? Wenn bloß der Smartphone-Akku nicht schlappmacht. Die Smartwatch
       hat alle Trainingsprogramme gelöscht? Ein Hinweis, mal aus der alten
       Routine auszubrechen. Hauptsache, die Insulinpumpe bekommt keine
       Schwierigkeiten, was die Software angeht. Dann doch lieber etwas weniger
       Himmel über Berlin.
       
       6 Nov 2022
       
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