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       # taz.de -- Treffen der G7-Außenminister:innen: Weniger Protestierende als erhofft
       
       > In Münster findet die G7-Außenminister:innenkonferenz statt. Die
       > Demos gegen russische Uranlieferungen und für den Frieden waren eher
       > klein.
       
   IMG Bild: Annalena Baerbock mit den G7-Außenminister:innen im historischen Rathaus in Münster
       
       Münster taz | Hunderte Polizeiwagen, Transporter, Polizei-Motorräder, dazu
       unzählige schwarze Vans, schwere Limousinen und eine in Teilen zum
       Hochsicherheitsbereich erklärte Innenstadt: Mit dem Treffen der
       G7-Außenminister:innen hat Deutschlands grüne Außenministerin Annalena
       Baerbock das sonst eher ruhige Münster in den Ausnahmezustand versetzt.
       
       Enttäuscht dürften allerdings viele der Veranstalter:innen der
       insgesamt 13 Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen gewesen sein, die
       für den Zeitraum des angesetzten Gipfeltreffens bis Freitagabend angemeldet
       wurden: Bei einsetzendem Regen gingen am späten Donnerstagnachmittag
       weniger als die erhofften rund 10.000 Demonstrant:innen auf die Straßen
       der heimlichen Hauptstadt Westfalens. Nur zu dem von einem breiten Bündnis
       getragenen Klimaprotest, darunter [1][Fridays for Future und Greenpeace],
       kamen rund 2.500 Menschen, mehr als die angemeldeten 2.000.
       
       „Global Climate Justice“ und „1,5 Grad – bis hierher und nicht weiter“
       stand auf ihren Transparenten. Schon bei der Auftaktkundgebung auf dem
       Schlossplatz forderte der Wissenschaftler Volker Quaschning,
       Hochschullehrer an der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft, eine
       massive Steigerung der Investitionen in Erneuerbare Energie. Die Gruppe der
       sieben großen Industriestaaten USA, Japan, Deutschland, Frankreich,
       Großbritannien, Italien und Kanada, die etwa 10 Prozent der Weltbevölkerung
       ausmachen, seien noch immer für ein Drittel der weltweiten
       Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich, kritisierte der Mitgründer des
       Netzwerks Scientists for Future.
       
       ## Uran aus Russland wird weiter geliefert
       
       Obwohl alle G7-Staaten das Pariser Klimaabkommen mit dem Ziel einer
       Erderwärmung von maximal 1,5 Grad unterzeichnet hätten, steuere die Gruppe
       auf 2,7 Grad zu, hatte die Sprecherin des Bündnisses, [2][Matilda Kohnen,
       schon im Vorfeld] erklärt. Seit 2015 habe etwa Deutschland jährlich nur 26
       Milliarden Euro in die Energiewende investiert, aber pro Jahr fossile
       Energieträger wie Gas, Öl und Kohle im Wert von rund 88 Milliarden Euro
       importiert – davon 17 Prozent aus Russland.
       
       Erst damit sei die Finanzierung des russischen Angriffskriegs auf die
       Ukraine möglich geworden, [3][kritisierte auch Wladimir Sliwjak], Träger
       des Alternativen Nobelpreises. Die Milliarden aus den Energieimporten
       stützten nicht nur Russlands Präsident Wladimir Putin, sondern „Diktatoren
       überall auf der Welt“, erklärte der Mitgründer der russischen
       Umweltorganisation Ecodefense, dem in seiner Heimat Haft droht, weshalb er
       nach Deutschland geflohen ist.
       
       Sliwjak forderte außerdem ein schnelles Ende von Lieferungen von
       angereichertem Uran aus Russland in die [4][Brennelementefabrik im
       emsländischen Lingen], die viele westeuropäische Atomkraftwerke mit
       Brennstoff versorgt. Transporte von Atombrennstoff in zivile Anlagen sind
       von den Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union noch immer
       ausgenommen.
       
       Ein Ende ist hier nicht in Sicht: Zuletzt hatte angereichertes Uran aus
       Russland Lingen am 28. und 29. September erreicht. Und erst an diesem
       Donnerstag meldete [5][die Seite marinetraffic.com], dass der russische
       Atomfrachter Mikhail Dudin von St. Petersburg kommend erneut Kurs auf den
       niederländischen Hafen Rotterdam genommen hat. Von dort wird der russische
       Atombrennstoff per LKW nach Lingen transportiert.
       
       Zu den weiteren Protesten in Münster kamen dagegen nur relativ wenige
       Demonstrant:innen. Bei einer Kundgebung zur Unterstützung der Proteste im
       Iran zählte die Polizei am abgelegenen Hafenplatz nur etwa 100
       Teilnehmer:innen. Und obwohl die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte
       Kriegsdienstgegnerinnen (DFG-VK) mit dem Theologen Eugen Drewermann einen
       Star der Friedensbewegung der Achtziger Jahre aufbot, waren am Abend kaum
       mehr als 100 Menschen bei ihrem Protest unter dem Motto „Verhandeln statt
       schießen! Frieden schließen“ auf dem zentralen Prinzipalmarkt.
       
       ## Brechen der Ukraine wird G7 nicht akzeptieren
       
       In Sichtweite des Münsteraner Rathauses, in dessen Friedenssaal im Jahr
       1648 der Dreißigjährige Krieg beendet wurde und in dem die
       Außenminister:innen der G7 tagen, präsentierte Drewermann seine
       Forderung nach radikalem Pazifismus.
       
       Mehrfach zitierte der 82-jährige Theologe mit Blick auf den Ukrainekrieg
       die Bibelstelle Matthäus 5:39, nach der einem Aggressor „auch die andere
       Wange hingehalten“ werden solle. Frieden könne nur „durch Verhandlungen“,
       nicht durch die „Illusion des Siegfriedens“ des ukrainischen Präsidenten
       Wolodimir Selenski erreicht werden, meinte Drewermann und kritisierte die
       von SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene „Zeitenwende“, die in seinen
       Augen für ein „riesiges Aufrüstungsprogramm“ stehe.
       
       Die grüne Außenamtschefin Annalena Baerbock erklärte dagegen zu Beginn des
       Treffens der Außenminister:innen, die Gruppe der 7 werde Putins „Strategie
       des Brechens der Ukraine“ nicht akzeptieren. Der russische Staatschef
       versuche, die Menschen in der Ukraine „verhungern, verdursten und erfrieren
       zu lassen, indem er gezielt zivile Infrastruktur angreift“, sagte Baerbock
       – und versicherte, die G7 würden das „mit allem, was wir haben, versuchen
       zu verhindern“. Weitere sicherheitspolitische Ergebnisse, etwa mit Blick
       auf China und den Iran, werden am Freitagabend erwartet.
       
       4 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://muenster-klima.info/events/global-climate-justice-diese-welt-gehoert-nicht-nur-den-g7-demo-am-03-11-2022-am-schlossplatz/
   DIR [2] https://muenster-klima.info/g7-demo-03-11-2022/pressemittelung-1/
   DIR [3] /Russischer-Oppositioneller-ueber-Oel-und-Gas/!5855505
   DIR [4] /Treffen-der-G7-Aussenministerinnen/!5892790
   DIR [5] https://www.marinetraffic.com/en/ais/details/ships/shipid:376495/mmsi:371950000/imo:9057329/vessel:MIKHAIL_DUDIN
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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