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       # taz.de -- Zwischenwahl in den USA: Besser gleich Micky Maus wählen
       
       > Nur zwei Parteien zur Wahl reichten unserer Autorin nicht, um sich auf
       > den Weg zur Urne zu machen. Sie hätte sich mindestens eine dritte Option
       > gewünscht.
       
   IMG Bild: Val Demings beim Kampf um einen Senatssitz für die Demokraten in Florida Anfang November 2022
       
       Ich habe bei dieser Wahl nicht mitgewählt. Ich habe mich seit 2004 (damals
       noch als naive 21-Jährige) an keiner Wahl mehr beteiligt, obwohl ich als
       US-Bürgerin das Recht dazu hätte. Mein Radikalismus gebot mir, mich aus
       Prinzip nicht an Wahlen zu beteiligen. Ich lehnte das Zweiparteiensystem
       ab, das Wähler*innen nur die Entscheidung zwischen zwei Gruppen der
       herrschenden Klasse lässt, die nichts anderes sind als riesige
       internationale korrupte Netzwerke.
       
       Eigentlich wollte ich es dieses Jahr aber anders machen. In Versuchung
       wurde ich geführt, weil in Florida viele der jüngst strittigen Themen im
       Mittelpunkt standen. Ich habe den Stimmzettel und die Kandidat*innen
       sorgfältig studiert. Am Ende blieb keine ernsthafte Kandidat*in und kein
       Referendum übrig, das ich nachdrücklich unterstützen konnte. Die einzige
       Ausnahme war die Kandidatin der Socialist Workers Party in Florida, Rachele
       Fruit.
       
       Aber das würde sich so oder so wie ein Protestvotum anfühlen, da hätte ich
       meine Stimme auch Micky Maus geben können. Die Warnung vor einem Zerbrechen
       der Demokratie hören wir immer dann, wenn Parteien unsicher oder
       unzufrieden mit den Ergebnissen sind. Im Vorfeld der Wahl bestanden die
       Demokrat*innen darauf, dass es bei dieser Abstimmung um die Demokratie
       selbst gehe. Man solle den Gegnern der Demokratie eine Niederlage
       verpassen.
       
       Aber mit den Optionen, die zur Wahl standen, wurde die Demokratie verhöhnt.
       Die Ergebnisse der Zwischenwahlen brachten aber keine klare Entscheidung.
       Nichts hat sich wirklich geändert. Die Bedrohung durch eine [1][„rote
       Welle“ der Republikaner] materialisierte sich nicht (Florida war eine
       Ausnahme, aber es wurde erwartet, dass DeSantis & Co siegen würden). Und
       Donald Trump, der eigentliche Verlierer der Zwischenwahlen, tritt 2024
       erneut an und bleibt Favorit für die Nominierung der Republikaner.
       
       ## Patt dauert an
       
       Die Demokraten haben es nicht geschafft, jemanden herbeizuzaubern, der
       „[2][Sleepy Joe“ als Kandidat für 2024] ersetzen könnte. Die Pattsituation
       zwischen den beiden Parteien dauert an, während sich die Erschöpfung durch
       die Kulturkriege, die panischen Warnungen vor Faschismus oder vor der
       Wokeness einschleicht. Die Bedrohung der Demokratie wächst, da die
       Befürchtungen, Trump könnte ins Weiße Haus zurückkehren, neue Nahrung
       erhalten.
       
       Die Furcht vor [3][Trump wird vom FBI] und den Demokraten missbraucht, um
       grundlegende Verfassungsrechte auf Meinungsfreiheit und das Recht auf
       Privatsphäre anzugreifen. Wird die Linke diesem Weg, Trump als
       Rechtfertigung für die Einschränkung von Verfassungsrechten zu benutzen,
       mitgehen? Wird die Linke die Bedenken der Arbeiterklasse und der
       Sozialisten ignorieren, dass ihre Rechte und Privilegien das nächste Ziel
       dieser neuen Maßnahmen gegen Trump sein werden?
       
       Angesichts der drohenden Rezession und der sich verschlechternden
       Arbeitsbedingungen vermute ich, dass sich die Lage für die Demokratie und
       die Arbeiterklasse nur noch verschärfen wird, wenn der Kampf um die
       Präsidentschaft 2024 wieder entbrennt. Es müsste eine realistische Chance
       für eine dritte Partei geben, damit ich doch noch zur Wahl gehe.
       
       Ich hätte wahrscheinlich für [4][Bernie Sanders] gestimmt, wenn er der
       Kandidat gewesen wäre – aber die Vorstellung, dass die Demokratische Partei
       ihm jemals eine Chance geben würde, war ein Wachtraum. Ich hätte gerne für
       eine Kandidatin einer dritten Partei wie Jill Stein von den Grünen
       gestimmt, aber sie hatte ja keine Chance. Ich hätte gern die Option, für
       eine sozialistische Partei der USA zu stimmen, aber die gibt es auch nicht.
       
       Aus dem Englischen von Stefan Schaaf
       
       20 Nov 2022
       
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