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       # taz.de -- Annektierte Stadt Cherson: Eine russische Flagge weniger
       
       > Berichte werfen Fragen auf: Die russischen Soldaten sind in Cherson nicht
       > mehr sichtbar. Sind sie nur in einem Hinterhalt?
       
   IMG Bild: Eine 67-jährige Frau in ihrem zerstörten Haus in der Region Cherson am 7. November 2022
       
       Kiew taz | Die Informationen sind zum Teil widersprüchlich. Von leichtem
       russischem Gebietsgewinn im Donbass berichtet das US-amerikanische
       Institute for the Study of War (ISW) am Dienstagvormittag. Die Streitkräfte
       der Miliz der „Volkrepublik Luhansk“ (LNR) und die Gruppe Wagner seien am
       Montag in Bilohivka in der Region Luhansk eingedrungen, so das ISW.
       Demgegenüber berichtet der ukrainische Generalstab, der Feind sei in diesem
       Gebiet zurückgeschlagen worden.
       
       Widersprüchlich sind auch die Informationen aus der russisch annektierten
       Stadt Cherson. Schon eine Woche hängt an dem Gebäude der Bezirksverwaltung
       keine russische Fahne mehr. In der gleichnamigen Region warte man auf die
       Befreiung, kommentierte der ukrainische Sender TSN am 3. November die
       heruntergenommene russische Fahne und meldete gleichzeitig, dass die
       ukrainische Armee in der jüngsten Zeit 90 Ortschaften in dem gleichnamigen
       Gebiet befreit habe.
       
       Demgegenüber glaubt Armeesprecherin Nataliya Humenyuk, dass die Russen
       einen Rückzug vom rechten Ufer der Region Cherson nur vortäuschen, um die
       ukrainische Führung in die Irre zu führen. Vieles spricht dafür, dass die
       russischen Streitkräfte inkognito in der Stadt bleiben wollen. So berichtet
       strana.news von russischen Soldaten in Cherson und ringsum am rechten Ufer
       des Dnjepr. Sie hätten sich massenhaft in Wohnungen evakuierter Bewohner
       eingenistet und hielten sich dort in ziviler Kleidung auf.
       
       ## Russland ist bereit für Verhandlungen
       
       [1][Russische Truppen setzten ihre Offensive] in dieser Woche im Gebiet
       Bakhmut, im Abschnitt Awdijiwka-Donezk und im Westen der Region Donezk
       fort, berichtete das ISW. Kritisch ist auch die Lage im Gebiet Tschernigiw.
       Angesichts von 234 Luftangriffen in der vergangenen Woche rufe man die
       Bevölkerung von drei Ortschaften auf, diese zu verlassen, so die
       Bezirksverwaltung von Tschernigiw.
       
       Im russisch annektierten Donezk ist eine 14-Jährige bei einem Angriff ums
       Leben gekommen, meldet strana.news unter Berufung auf russische
       Telegram-Kanäle. Auch andere Wohnhäuser in Donezk und die
       Eisenbahnverwaltung seien beschossen worden.
       
       Währenddessen scheint eine [2][Verhandlungslösung] zwischen der Ukraine und
       Russland in weiter Ferne zu liegen – trotz internationaler
       Vermittlungsversuche. Der letzte Kontakt von Vertretern beider Länder fand
       am 17. Oktober statt, als sich die Menschenrechtsbeauftragten Dmitri
       Ljubinetz aus der Ukraine und Tatjana Moskolkowa aus Russland [3][bei einem
       Gefangenenaustausch an der Front trafen]. Beide haben Zugang zu ihren
       jeweiligen Präsidenten.
       
       Russland sei zu Verhandlungen ohne Vorbedingungen bereit, zitiert
       interfax.ru am Dienstag den stellvertretenden russischen Außenminister
       Andrej Rudenko. Die Ukraine stellt Bedingungen für eine Verhandlung: ein
       vollständiger russischer Abzug aus der Ukraine, Reparationen und Garantien,
       die eine Wiederholung eines russischen Angriffs auf die Ukraine
       ausschlössen. Das erklärte Präsident Selenski in seiner abendlichen
       Ansprache.
       
       ## Ukrainische Pazifistin bekommt vor Gericht recht
       
       Möglicherweise ist Russlands neue Verhandlungsbereitschaft auch der
       Erkenntnis geschuldet, dass der Krieg angesichts wachsender Verluste
       [4][zusehends an Akzeptanz verliert]. So berichtet das russische
       oppositionelle Portal Meduza am Montag von russischen Marineinfanteristen
       aus dem Fernen Osten, die sich in einem Appell an ihren Gouverneur über
       schwere Verluste beklagen. In vier Tagen habe man 300 Mann verloren.
       Hunderte Soldaten waren völlig unvorbereitet und unausgerüstet dem
       feindlichen Beschuss ausgesetzt worden und starben.
       
       Unterdessen hat die ukrainische Pazifistin Elvira (ihr Nachname wird in
       ukrainischen Medien nicht genannt) einen Prozess gegen ihre Universität
       gewonnen. Die Frau, die an der Universität für Agrarwirtschaft in Bela
       Zerkow Veterinärmedizin studiert, hatte im Juli auf Instagram die
       ukrainischen Soldaten aufgefordert, die Waffen niederzulegen.
       
       „Ich spende absichtlich nicht für die Streitkräfte und esse kein Fleisch,
       weil ich gegen das Töten bin, und ich unterstütze den Krieg nicht. Ich sehe
       die vernünftigste Lösung in diesem Krieg darin, dass wir die Waffen
       niederlegen und den Feind mit offenen Armen empfangen. Es klingt seltsam,
       aber es ist das Vernünftigste, was ein vernünftiger Mensch tun kann“, hatte
       sie geschrieben. In einer eigens einberufenen Sitzung hatte sich die
       Leitung der Universität entschieden, Elvira deshalb zu exmatrikulieren.
       
       Im September hatte Elviras Anwalt dagegen Klage eingereicht. Die
       Exmatrikulation sei eine „Diskriminierung aus politischen und religiösen
       Gründen, die gegen die verfassungsmäßigen Rechte verstößt“, ließ Elvira
       über ihren Anwalt mitteilen. Am Montag wies das Gericht die Universität an,
       die Exmatrikulation rückgängig zu machen und die Kosten des Verfahrens zu
       tragen.
       
       8 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Krieg-in-der-Ukraine/!5893047
   DIR [2] /-Nachrichten-im-Ukraine-Krieg-/!5893356
   DIR [3] https://gordonua.com/news/war/lubinec-vpervye-vstretilsya-s-ombudsmenom-rf-i-rasskazal-chto-oni-obsuzhdali-1631468.html
   DIR [4] /Mobilmachung-in-Russland/!5886193
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
       
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