# taz.de -- Nachruf auf Sängerin Gal Costa: Die Zauberkraft der Stimme
> Die brasilianische Sängerin Gal Costa ist am Donnerstag in Sao Paulo im
> Alter von 77 Jahren gestorben. Auch als Star blieb sie
> experimentierfreudig.
IMG Bild: Begnadete Sängerin: Gal Costa hier bei einem Konzert in Vigo/Spanien im Sommer 2006
Unter den Tropicalisten war sie die am wenigsten schillernde. In diesem
[1][anarchischen Konglomerat aus Provokation, Dekonstruktion, Revolution
und Quatsch], wie es von [2][den unermüdlichen Ideenmaschinen Caetano
Veloso und Gilberto Gil] im Brasilien der 1960er erfunden und auf Touren
gebracht wurde, stand Gal Costa für gewisse Normalität.
Sie hielt die Verbindung zum musikalischen Mainstream und machte das Gebräu
verdaulich, ja begehrenswert. Ihre Zauberkraft war ihre Stimme und die Art,
wie sie sie einsetzte. Damals stand das Land noch unter dem
[3][übermächtigen Einfluss] des sanft gehauchten Nichtgesangs, wie ihn
[4][João Gilberto konzipiert und als Erkennungsmerkmal der Bossa Nova auch
weltweit durchgesetzt hatte.]
Davor hatte man in Brasilien Vibrato-reich geschmettert, Stimmen mussten
sich gegen Orchester und geltungsbedürftige Solisten durchsetzen. Gal Costa
wählte einen Mittelweg. Ihre Stimme war makellos, sie konnte leise und
intim sein, ohne zu hauchen oder brüchig zu werden. Sie konnte aber auch in
den höchsten Lagen durchdringend und kräftig strahlen, ohne jemals schrill
oder angestrengt zu klingen – wie in ihrem Signatursong „Meu nome é Gal“
oft zum Konzertfinale vorgeführt.
## Wichtige Interpretin
Die 1945 in Salvador da Bahía als Maria da Graça Costa Penna Burgos
geborene Sängerin komponierte nicht selbst, blieb aber von ihrem
gemeinsamen Albumdebüt „Domingo“ (1967) bis zuletzt wichtigste Interpretin
von Songs ihres Mit-Tropicalisten Caetano Veloso. Etliche Stücke überließ
er ihr exklusiv und nahm sie nie selbst auf.
Songs wie „Baby“ wurden in ihrer Interpretation weltberühmt. Auch anderen
Komponisten widmete sie sich fast wissenschaftlich gründlich: Unsterblich
ihre Tributalben an Dorival Caymmi („Gal Canta Caymmi“) und Ary Barroso
(„Aquarela do Brasil“), auf denen sie Songs der Prä-Bossa-Legenden in
eleganten Yacht-Funk transformierte.
Auch als Superstar blieb Gal Costa unberechenbar: Auf ein eher
karnevalistisches Album folgte Kammermusik, gab es für ein
Telenovela-Titellied Radio-Powerplay, arbeitete sie als nächstes an
elektronischen Experimenten. Gal Costa starb am 9. November in São Paulo,
wenige Wochen nach ihrem letzten Konzert im Berliner HKW.
10 Nov 2022
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## AUTOREN
DIR Detlef Diederichsen
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