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       # taz.de -- Abzug russischer Truppen: Russland räumt Cherson
       
       > Die Stadt wurde erst annektiert – jetzt ziehen die Russen ab. Für die
       > Ukraine ist das ein bedeutender Sieg, Putin hingegen kommt in
       > Schwierigkeiten.
       
   IMG Bild: Ausgebranntes russisches Militärfahrzeug in Dnipropetrovsk. Kommt Putin in Bedrängnis?
       
       Kiew taz | Die russischen Truppen verlassen die ostukrainische Stadt
       Cherson. Erst am [1][30. September hatte Russland die Stadt annektiert].
       Über den Rückzug der Truppen berichten ukrainische und russische Medien
       übereinstimmend.
       
       „Sicherlich keine einfache Entscheidung“, kommentierte der russische
       Armeegeneral und Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine,
       [2][Sergei Surowikin], den Rückzugsbefehl von Verteidigungsminister
       Schoigu. Aber es mache Sinn, das Leben der Soldaten und die Kampfkraft der
       Truppe zu erhalten. Gleichzeitig sei es sinnlos, ein gewisses Gebiet am
       rechten Ufer des Dnepr halten zu wollen, zitiert der ukrainische Dienst von
       BBC den General.
       
       Die russischen Truppen, so die BBC, hinterließen in Cherson Attrappen von
       Soldaten und Teile der Russen bewegten sich auch aus Mariupol Richtung
       Russland zurück. Surowikin habe gegenüber seinem Verteidigungsminister
       Schoigu aber auch berichtet, dass man am rechten Dnepr-Ufer der Region
       Cherson ukrainische Angriffe zurückschlage und dem Feind dort schwere
       Verluste zufüge. Die ukrainischen Verluste, so der General, seien siebenmal
       höher als die russischen.
       
       Gleichzeitig war am Mittwoch Nachmittag auch im bisher besetzten
       Snihurivka, einer Ortschaft an der administrativen Grenze zur Region
       Cherson, die ukrainische Flagge gehisst worden. Mit dem Abzug der
       russischen Truppen aus Cherson werde auch der Beschuss von Mykolayiv
       weniger werden, hofft Armeesprecherin Natalja Gumenjuk im ukrainischen
       Fernsehen.
       
       ## Persönliche Lage für Putin
       
       Doch auch nach dem Abzug der russischen Truppen aus Cherson bleibt
       abzuwarten, wann die ukrainischen Behörden und Truppen die Stadt wieder
       betreten können. Vor ihrem Abzug hätten die Russen alles vermint:
       insbesondere Wohnungen und die Kanalisation, schreibt Michail Podoljak,
       Berater des Chefs der Präsidialadministration, auf seinem Twitter-Account.
       
       Er fürchtet, dass die russische Artillerie die Stadt nun aus der Entfernung
       zerstören wolle. So sehe also die „russische Welt“ aus, so Podoljak: „Man
       kam, raubte, feierte, mordete Zeugen, zerstörte die Häuser und ging
       wieder.“
       
       Politisch ist das ist ein „grandioser Sieg für die Ukraine“, ordnet das
       Portal strana.news den Abzug der Russen aus Cherson ein. „Und gleichzeitig
       eine Niederlage Russlands und Putins persönlich.“ Die Kampfmoral der
       russischen Gesellschaft und der Armee werde durch den Rückzug aus Cherson
       sicherlich nicht gestärkt. Und sollte es noch weitere Niederlagen und
       Rückzüge geben, werde auch Putin in Bedrängnis geraten. Dann stelle sich
       die Frage, ob der russische Präsident die Situation noch unter Kontrolle
       habe.
       
       Noch ist der Rückzug der russischen Truppen aus Cherson aber nicht
       abgeschlossen. Dies werde auch einen gewissen Zeitraum in Anspruch nehmen,
       argumentiert Juri Butusow, Chefredakteur von Censor.net. Schließlich seien
       einige Brücken nicht mehr befahrbar. Da es nur wenige mögliche
       Evakuierungswege gebe, so Butusow, seien bei den russischen Truppen Chaos
       und Panik vorprogrammiert. „Und es liegt in unserem Interesse, dies noch zu
       verstärken“, zitiert das Portal nv.ua Butusow.
       
       ## „Katastrophale Lage“ bei Svatove und Kremenna
       
       Unterdessen ist am Mittwoch Kirill Stremousow, der Vizechef der von Moskau
       eingesetzten Verwaltung von Cherson, bei einem Autounfall ums Leben
       gekommen. Dies bestätigte Wladimir Saldo, Chef der Besatzungsverwaltung von
       Cherson. Die Videobotschaft über den Tod von Stremousow sei allerdings vor
       dem Bekanntwerden des Todes von Stremousow aufgenommen worden, berichtet
       strana.news
       
       Während man die Rückzug der Russen aus Cherson als Erfolg für die Ukraine
       verbuchen kann, sieht es an anderen Orten weniger gut aus für das Land. So
       wurde am Donnerstagmorgen in der Nähe von Saporischschja ein
       landwirtschaftlicher Betrieb mit zwei S-300-Raketen beschossen.
       Gleichzeitig spricht der Chef der Bezirksverwaltung von Luhansk, Sergej
       Gaidai, von einer „katastrophalen Lage“ in der Nähe von Svatove und
       Kremenna, wo russische Truppen konzentriert seien.
       
       Indessen ist Russland auch von innen zunehmend geschwächt. Dutzende von
       Ehefrauen und Müttern aus der Region Kursk, deren Männer für den Krieg
       eingezogen wurden, sind in dem russischen Grenzort Ort Valuyki, 125
       Kilometer nördlich von Svatove, in der Region Belgorod eingetroffen. Sie
       fordern, so berichtet der ukrainische Dienst von BBC, den Abzug ihrer
       Angehörigen aus der Kampfzone um Svatove in der Region Luhansk.
       
       Ihre kurzen Gespräche mit ihren Söhnen und Ehemännern bestätigten die
       Berichte über [3][schwere Verluste in den Einheiten], die unmittelbar nach
       ihrer Entsendung in die Ukraine an die Front geschickt worden waren.
       Soldaten, so berichten die Frauen, die versucht hätten, sich von der Front
       zurückzuziehen, habe man mit Erschießung gedroht.
       
       ## Russische Soldaten verlassen die Front
       
       Nach Angaben der Angehörigen waren mindestens Tausend Männer aus dieser
       Region, die im Oktober mobilisiert worden waren, nach einer zweiwöchigen
       Schulung in Woronesch am 1. und 2. November an die Front geschickt worden.
       
       Ihr Mann habe sie vor zwei Tagen angerufen, berichtet eine Frau namens
       Kateryna der BBC. Er habe mit anderen Soldaten die Front verlassen,
       verstecke sich derzeit in einem Dorf, wo er an Hunger und Durst leide. Nur
       ein Mobiltelefon habe eine Einheit von 150 Soldaten, berichtet die Frau.
       Und mit diesem hätten die Männer nur einmal kurz ihre Familien anrufen
       können.
       
       Sieben Männern, die sich geweigert hatten, an die Front zu gehen, berichtet
       eine weitere Frau der BBC, habe der Kompaniechef die Hände fesseln lassen,
       ihnen mit grüner Farbe ein Kreuz auf die Stirn malen lassen und sie
       geschlagen. Man habe gehört, so die Frau, dass die sieben erschossen worden
       seien.
       
       10 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Bernhard Clasen
       
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