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       # taz.de -- Haushalt für Entwicklungszusammenarbeit: Mehr Geld, doch nicht genug
       
       > Die Etats für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bekommen
       > mehr Budget als gedacht. Angesichts von Armut und Klimakrise trotzdem zu
       > wenig.
       
   IMG Bild: Ihr Etat leidet unter den vielen Krisen: Entwicklungsministerin Svenja Schulze bei einem Besuch in der Ukraine im Mai
       
       Berlin taz | Klimakrise, Inflation, Hungersnöte weltweit. Die Zahl der
       globalen Katastrophen ist ungebrochen hoch. Auch die Folgen der
       Coronapandemie sind weltweit insbesondere in Entwicklungs- und
       Schwellenländern zu spüren. Es geht um Lohneinbußen, um fatale Konsequenzen
       im Kampf gegen tödliche Krankheiten, um Gesundheitssysteme, die sich auch
       im dritten Jahr der Pandemie nicht wieder stabilisiert haben. Hinzu kommt
       der nun seit rund neun Monaten währende [1][russische Angriffskrieg auf die
       Ukraine].
       
       Durch die Blockade an den [2][ukrainischen Häfen] konnten Getreide, Futter-
       und Lebensmittel nicht in großen Mengen exportiert werden. Die
       Hauptleidtragenden: afrikanische Staaten. Die Folge: Sich verschärfende
       Hungersnöte in ohnehin von Dürren und anderen Extremwettern geplagten
       Regionen.
       
       Deutschland ist einer der zentralen Geldgeber weltweit im Kampf gegen
       Armut, Hunger und die Klimakrise. Das Entsetzen unter
       Nichtregierungsorganisationen war daher groß, dass die Mittel für den Etat
       zur Entwicklungszusammenarbeit für 2023 zusammengekürzt werden sollten.
       
       Der Haushaltsentwurf veranschlagte 11,08 Milliarden Euro für das Haus von
       [3][Entwicklungsministerin Svenja Schulze] (SPD), 1,27 Milliarden Euro
       weniger als in diesem Jahr. In der Nacht zu Freitag tagte nun der
       Haushaltsausschuss zu seiner Bereinigungssitzung. Rund 18 Stunden
       verhandelten die Abgeordneten über den gesamten Haushaltsentwurf.
       
       Angesichts der [4][Energiekrise in Deutschland], ausgelöst durch den Krieg
       in der Ukraine, und hohe Ausgaben für [5][soziale Entlastungen] muss auch
       der Entwicklungsetat Kürzungen akzeptieren. Allerdings mit weniger harten
       Einschnitten als gedacht. Vorgesehen sind jetzt 12,15 Milliarden Euro. Für
       humanitäre Hilfe im Ausland sind rund 708 Millionen Euro geplant. Die UN
       bekommen etwa 92 Millionen Euro zusätzlich. Damit werden die Etats für
       Entwicklungszusammenarbeit und der Etat des Auswärtigen Amtes mit je rund
       einer Milliarde Euro aufgestockt. Insbesondere der Ansatz einer
       feministischen Entwicklungszusammenarbeit soll über Hilfen für UN-Programme
       gestärkt werden. Somit will das Ministerium die Zahl der Projekte für
       Frauen und Mädchen steigern.
       
       ## Entwicklungsorganisationen schlagen Alarm
       
       Der Haushalt stünde für soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Freiheit in
       der Zeitenwende, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung der
       haushaltspolitischen Sprecher der Ampel-Fraktionen Sven-Christian Kindler
       (Grüne), Dennis Rohde (SPD) und Otto Fricke (FDP). „Der Angriffskrieg
       Putins auf die Ukraine löst nicht nur unfassbares Leid in der Ukraine aus,
       er verschärft auch massiv die weltweiten Krisen“, heißt es weiter. Der
       finanzielle Beitrag Deutschlands zeige, dass man zur internationalen
       Verantwortung stehe und die friedliche Entwicklung in der Welt stärke.
       
       Obwohl eine größere Lücke in den Budgets verhindert werden konnte, sind
       Nichtregierungsorganisationen nach wie vor alarmiert. Die Abgeordneten des
       Bundestags hätten es sich sicher nicht leicht gemacht, um einen Kompromiss
       zwischen Klimaschutz, [6][Welternährung] und den [7][nationalen wie
       europäischen Herausforderungen] zu finden, sagte Dagmar Pruin, Präsidentin
       von Brot für die Welt und der Diakonie Katastrophenhilfe. Aber: „Wir müssen
       nachdrücklich betonen, dass die bereitgestellten Mittel insgesamt im
       kommenden Jahr nicht ausreichen werden, um Hunger und humanitäre Krisen
       ausreichend bewältigen zu können.“
       
       Deutlich schärfer äußert sich die Entwicklungsorganisation ONE. Für
       Direktor Stephan Exo-Kreischer geht die Budgetplanung an der Realität
       vorbei. Er stellt der Bundesregierung ein „Armutszeugnis“ aus, wenn es um
       die Bewältigung der Krisen der Welt geht. „Das, was von der Ampelkoalition
       vollmundig als Signal für eine friedliche Entwicklung in der Welt verkündet
       wurde, ist leider Augenwischerei“, sagte Exo-Kreischer.
       
       Die Milliarde, die jeweils an das Auswärtige Amt und an das
       Entwicklungsministerium geht, hätte lediglich drastischere Kürzungen
       verhindert. Aus seiner Sicht heraus hätte das Budget durchaus auch aus
       anderen Einzelplänen umgeschichtet werden können. In diesem Jahr stehen dem
       Bundesentwicklungsministerium 12,35 Milliarden Euro aus dem Einzelplan 23
       zur Verfügung. Hinzu kommen rund eine Milliarde für Hilfen für die Ukraine
       und weitere 495 Millionen Euro im Kampf gegen Hunger weltweit.
       
       ## Die Schuldenbremse wird 2023 eingehalten
       
       Insgesamt nimmt der Bund 2023 mehr Schulden auf als von
       Bundesfinanzminister Lindner geplant. Die Neuverschuldung wird demnach von
       138,9 Milliarden Euro im laufenden Jahr auf 45,6 Milliarden Euro im Jahr
       2023 zwar deutlich gesenkt, aber Lindner hatte auf deutlich weniger
       Schulden gehofft: nämlich auf nur rund 17,3 Milliarden Euro.
       
       Laut Beschluss des Haushaltsausschusses will der Bund 476,3 Milliarden Euro
       ausgeben. Das sind etwa 31 Milliarden Euro mehr als von Lindner eingeplant.
       Die [8][Schuldenbremse wird im kommenden Jahr eingehalten]. Drei Jahre lang
       hatte eine Ausnahmeregelung gegriffen. Zunächst aus Pandemiegründen, dann
       durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Voraussichtlich am 25.
       November soll der neue Haushalt im Bundestag beschlossen werden.
       
       11 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Tanja Tricarico
       
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