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       # taz.de -- Feiern in Kyjiw: Einfach mal abtauchen
       
       > Um dem Kriegsalltag zu entfliehen, kann man in eine Bar gehen. Gerade
       > wirkt der erste Cocktail – dann ertönt eine Sirene. Luftalarm.
       
   IMG Bild: Einmal mal abschalten: Eine Bar in Kyjiw
       
       Ein schwerer Tag. Eine schwere Woche. Ein schwerer Monat. Ein schweres
       Leben. Ich verabredete mich mit einem Kumpel, um irgendwo hinzugehen und
       abzuhängen. Im Januar 2022 hatten wir darüber gesprochen, uns gemeinsam
       irgendwo auszuruhen. Doch dazu kam es nicht und wir sprachen dann lange
       Zeit nicht mehr miteinander.
       
       Am 27. Oktober schrieb ich ihm und machte den Vorschlag, zur Ablenkung mal
       etwas gemeinsam zu unternehmen. Zu meinem großen Erstaunen stimmte er zu.
       Das hatte ich nicht erwartet. Er schlug sogar selbst einen Ort vor, wohin
       wir gehen könnten. Ich war da leidenschaftslos, ich wollte einfach nur an
       nichts mehr denken und das verstand er sofort.
       
       [1][Wir trafen uns an der Kyjiwer U-Bahn-Station] Arsenalna und gingen in
       einen Park, um eine Dose Kirschbier zu trinken. Nachdem wir darüber geredet
       hatten, was in den vergangenen acht Monaten alles passiert war, gingen wir
       in eine Kneipe. Auf die Frage, warum ich gekommen sei und worauf ich jetzt
       noch Lust habe, fiel mir nur eine Antwort ein, denn einen Neustart benötigt
       ja jeder und auch ich hatte das Gefühl, jetzt genau so einen Knopf zu
       brauchen.
       
       In der Bar bestellten wir Cocktails – einen French 75 und einen Negroni,
       und ich begann in mir zu versinken … Ich löste mich in der Menge auf, in
       der Musik. Plötzlich war da nur noch Leere und ich verschwand.
       
       Wir gingen rauchen und in diesem Moment ertönte eine Sirene. Auf den
       Telefonen ploppten Nachrichten auf – [2][Achtung: Luftalarm]. Das war uns
       komplett egal, doch irgendwie gefiel mir das auch. Gleichzeitig dachte ich:
       Diese Regeltreue kann doch nicht ewig dauern.
       
       Weil die Sperrstunde um 23 Uhr beginnt, mussten wir um 21 Uhr aufbrechen,
       um noch rechtzeitig nach Hause zu kommen. Ich fuhr durch eine Lichtung (ein
       Ort, den Studierende meiner Universität gerne aufsuchen). Dort traf ich
       einen alten Bekannten. Alles endete damit, dass ich verbotenerweise mit in
       sein Wohnheim ging und dort bis zum Morgen weiter feierte.
       
       Nachdem ich vier Stunden geschlafen hatte, ging ich zu meinem Lieblingscafé
       „Ogonjok“ (Funke), in der Nähe eines Bierladens. Ich griff nach einem
       Filter, dreht mir eine Zigarette und dachte daran, dass ich bald nach
       Berlin würde fahren dürfen. Eigentlich wollte ich vor meiner Abreise
       nochmal ins „Ogonjok – eigentlich. Ruhe ist gut, aber etwas tun ist besser.
       
       12 Nov 2022
       
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       ## AUTOREN
       
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