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       # taz.de -- Folge von Corona in Afrika: Nigeria wird ärmer
       
       > Neue Daten belegen eine starke Verarmung der Bevölkerung seit der
       > Pandemie. Das belastet die Regierung vor den Wahlen.
       
   IMG Bild: Zunehmende Intoleranz: Unterstützer der Regierungspartei APC auf einer Wahlveranstaltung in Lagos
       
       Lagos/Abuja taz | Die Armut in Nigeria explodiert. 133 Millionen Menschen –
       63 Prozent der auf 211 Millionen geschätzten Gesamtbevölkerung – leben in
       „multidimensionaler Armut“, [1][hat das nationale Statistikamt NBS
       ermittelt].
       
       Vor vier Jahren lebten noch 83 Millionen Menschen, 40 Prozent der
       Gesamtbevölkerung, unter der absoluten Armutsgrenze, und 54 Prozent lebten
       in Armut gemäß dem [2][„multidimensionalen Armutsindex“ (MPI)] – ein
       statistischer Wert, der Indikatoren wie Zugang zu Bildung und
       Gesundheitsversorgung, Wohn- und Arbeitsverhältnisse zusammenführt.
       
       Als ein Grund für die Zunahme gilt die Coronapandemie, deren Bekämpfung
       viele Arbeitsplätze vernichtete und das Haushaltseinkommen verringerte.
       
       Die Armut ist auch geografisch sehr ungleich verteilt. Am wenigsten Armut
       gibt es im südlichen Bundesstaat Ondo mit 27,2 Prozent der Bevölkerung und
       in der nahen Metropole Lagos, Afrikas größter Stadt, mit 29,4 Prozent. Die
       höchsten Armutsquoten verzeichnen Sokoto im Nordwesten des Landes mit 90,5
       Prozent sowie Bayelsa im ölreichen Niger-Flussdelta mit 88,5 Prozent.
       
       Unwürdige Wohnverhältnisse, [3][Ernährungsunsicherheit], weite Wege zu
       Gesundheitseinrichtungen und Mangel an sanitären Anlagen sind die größten
       Probleme. 68 Prozent aller Kinder im Alter bis zu 17 Jahren leben in Armut,
       in ländlichen Gebieten sogar 90 Prozent.
       
       Erhoben wurden die Daten in allen 36 Bundesstaaten Nigerias zwischen
       November 2021 und Februar 2022 in Zusammenarbeit mit zuständigen
       UN-Agenturen. Die Erkenntnisse sind politisch brisant, stehen doch [4][am
       25. Februar 2023 Präsidentschafts- und Parlamentswahlen] an. Amtsinhaber
       Muhammadu Buhari tritt nach zwei vierjährigen Amtszeiten nicht mehr an.
       
       ## Ein Vermächtnis der Buhari-Jahre
       
       Die Ausbreitung von Armut fällt klar in Buharis Amtszeit und die seiner
       Partei APC (All Progressives Congress), die bis 2015 in der Opposition saß.
       Sie geht mit dem ehemaligen Gouverneur von Lagos, Bola Tinubu, ins Rennen
       gegen Atiku Abubakar von der bis 2015 regierenden PDP (People’s Democratic
       Party).
       
       Auch andere Kandidaten wie Peter Obi von der LP (Labour Party) machen von
       sich reden und ziehen Vorteile aus der Enttäuschung der Menschen mit ihren
       bisherigen Regierungen – APC und PDP teilen sich die 36
       Bundesstaatsregierungen.
       
       Der Dachverband der politischen Parteien Nigerias (CNPP) [5][warnte
       kürzlich] vor einem von Hass und Gewalt geprägten Wahlkampf.
       CNPP-Generalsekretär Willy Ezugwu kritisierte, dass „Regierungsparteien der
       Opposition Zugang zum öffentlichen Raum für ihren Wahlkampf verweigern“.
       Nigeria erlebe eine Militarisierung der Politik und zunehmende politische
       Intoleranz, Hinterlassenschaften der 1999 beendeten Militärdiktatur.
       
       „Solange Politiker nicht verstehen, dass das Wahlvolk über das Schicksal
       aller Kandidaten und Parteien entscheidet, werden die Vorzüge
       demokratischer Regierungsführung diesem Land entgleiten“, so Ezugwu.
       „Nigerianer auf der Straße werden die schädlichen Auswirkungen schlechter
       Regierungsführung erleiden.“
       
       Die LP hat geklagt, dass ihr der Zugang zu Großveranstaltungsorten verwehrt
       wurde. Ihr Spitzenkandidat Obi entging einem Attentatsversuch, ebenso
       PDP-Spitzenkandidat Abubakar. In den nördlichen Bundesstaaten Borno und
       Kaduna wurden PDP-Unterstützer angegriffen und ihre Wahlkampfautos
       zerstört. In den südlichen Bundesstaaten Ogun und Ebonyi wurden Gebäude der
       Wahlkommission INEC angezündet.
       
       „Das ist nicht die beste Art, in einer Demokratie eine Wahl zu gewinnen“,
       sagte dazu der APC-Vorsitzende Eze Chukwuemeka Eze. Er pries Präsident
       Buhari dafür, dass er öffentlich die Nigerianer aufgefordert hat, für
       Parteien und Kandidaten ihrer Wahl zu stimmen. „Das hat Spannungen
       verringert und das falsche Narrativ untergraben, wonach Politik eine Sache
       von Leben und Tod ist“, sagte Eze.
       
       29 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://nigerianstat.gov.ng/news/78
   DIR [2] https://hdr.undp.org/content/2022-global-multidimensional-poverty-index-mpi#/indicies/MPI
   DIR [3] /Kein-Land-fuer-Frauen/!vn5886165
   DIR [4] /Vorwahlkampf-in-Nigeria/!5853606
   DIR [5] https://guardian.ng/politics/cnpp-cautions-politicians-over-hate-speech-acrimonious-political-campaign/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Okoro Chinedu
   DIR Emeka Okonkwo
       
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