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       # taz.de -- Investor zieht sich zurück: Göttinger Knast wieder zu haben
       
       > Investor will die alte Göttinger JVA doch nicht kaufen. Die Initiative
       > „Soziales Zentrum“ wird wohl trotzdem nicht zum Zuge kommen.
       
   IMG Bild: Leerstehende Immobilie in Sahnelage: Göttingens ehemaliges Gefängnis in der Innenstadt
       
       Göttingen taz | In der Diskussion um die Nachnutzung des ehemaligen
       Göttinger Untersuchungsgefängnisses gibt es eine überraschende Wende: Die
       [1][Firma Trafo Hub aus Braunschweig, die ein Konzept für sogenannte
       „Co-Working- und Co-Living-Spaces“ vorgelegt] und von der Stadt quasi schon
       den Zuschlag für die Immobilie bekommen hatte, zog sich als Käufer und
       Investor zurück.
       
       Ob stattdessen nun die Initiative „Soziales Zentrum“ zum Zuge kommt, die
       den alten Knast mieten und zu einem Gesundheitszentrum für das Quartier
       umrüsten will, ist aber äußerst fraglich.
       
       Grund für den Rückzug der Trafo Hub sind nach Angaben der Stadtverwaltung
       sich verändernde Rahmenbedingungen wie Baukosten- und Zinssteigerungen
       sowie die Auswirkungen des Ukraine-Krieges. Dies habe die Interessenten aus
       Braunschweig vor nicht kalkulierbare wirtschaftliche Risiken gestellt.
       
       Als „empörend“ bezeichnete Göttingens Oberbürgermeisterin Petra Broistedt
       (SPD), dass es auch persönliche Anfeindungen gegen die Trafo Hub gegeben
       habe. „Das ist nicht zu dulden!“, sagte die Bürgermeisterin. Die Trafo Hub
       habe ausdrücklich den Kontakt ins Quartier gesucht mit dem Ziel, zu
       kooperieren und gemeinsame Ansätze zu entwickeln. „Das war offenbar leider
       von keinerlei Erfolg gekrönt“, sagte Broistedt.
       
       ## Investor angefeindet
       
       Trafo Hub-Geschäftsführer Henrik Heß bestätigt die Anfeindungen und
       kritisiert die „gewaltsame Besetzung“ der JVA, die jedoch „ausdrücklich
       nicht das einzige Motiv“ für den Rückzieher gewesen sei.
       
       Eine Initiative namens „Autonome Stadtverwaltung Göttingen“ hatte die
       Immobilie am Abend des 3. Oktober besetzt – allerdings nicht gewaltsam, wie
       Heß meint, sondern gewaltfrei. Auch die Räumung durch die Polizei wenige
       Tage später verlief vollkommen friedlich. Die Besetzer:innen verstanden
       ihre Aktion als Unterstützung für die Pläne der Initiative „Soziales
       Zentrum“ sowie übergreifend als „Kampf gegen die Gentrifizierung“.
       
       Das frühere Untersuchungsgefängnis in der nördlichen Innenstadt gehört seit
       2008 der Stadt und ist seitdem ungenutzt. Bemühungen um eine Nachnutzung
       blieben lange Zeit ohne Ergebnis – Pläne, die JVA etwa zu einem Hostel
       umzubauen, scheiterten an der Finanzierung. Erst im Sommer kam die Debatte
       wieder in Schwung.
       
       [2][Die Initiative „Soziales Zentrum“, in der das Gesundheitskollektiv
       Göttingen, die Falken und Gruppen aus dem Quartier zusammenarbeiten, legte
       ein detailliertes Konzept vor], das Beratungsangebote für Geflüchtete und
       andere Bedürftige vorsieht. Die überfällige Sanierung soll die Stadt
       stemmen – und dafür knapp sechs Millionen Euro bereits bewilligte
       Fördermittel für den Stadtteil verwenden.
       
       Gegen das Votum des Bauausschusses beschloss im Juli der
       Verwaltungsausschuss des Stadtrates mit der Mehrheit von SPD und CDU,
       ausschließlich mit dem Investor Trafo Hub zu verhandeln. Über den
       Verkaufspreis war offiziell zwar nichts verlautet, er sollte nach
       taz-Informationen eher symbolisch sein. Der Initiative „Soziales Zentrum“
       wurde ein benachbartes Gebäude in Aussicht gestellt, das noch von der
       Heilsarmee genutzt wird und äußerst baufällig ist. Mit der Heilsarmee hatte
       die Verwaltung allerdings gar nicht gesprochen.
       
       Die Chancen der Initiative für eine Nutzung der JVA scheinen sich
       ungeachtet des Rückzuges von Trafo Hub kaum verbessert zu haben. Das von
       den Braunschweigern vorgelegte Konzept passe zu der [3][Universitätsstadt
       Göttingen], treffe den Bedarf und sei geeignet, um in der Innenstadt
       umgesetzt zu werden, betonte Broistedt. Die Stadt habe die Chance gesehen,
       „damit eine weitere Vernetzung und Ergänzung des Start-Up-Geschehens in
       Göttingen zu etablieren“.
       
       Stadtbaurat Fritjof Look deutete an, dass zurzeit keine Verhandlungen mit
       der Initiative vorgesehen sind: „Angesichts der dringend anstehenden,
       enormen Investitions- und Bauaufgaben in Schulen, Kulturbauten sowie
       Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Klimaschutz ist eine Sanierung des
       Gebäudes durch die Stadt und über den städtischen Haushalt in den nächsten
       Jahren keine Option.“
       
       [4][Die Initiative will weiterkämpfen]. Der Versuch von Trafo Hub sei an
       „Konzeptlosigkeit, Unwirtschaftlichkeit und der Kritik an der
       Gentrifizierung im Stadtteil“ gescheitert, sagte ein Sprecher am Montag.
       Ähnliches gelte für die Verwaltung.
       
       29 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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