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       # taz.de -- Klimakrise im Senat: Volksentscheid ja, Termin nein
       
       > Innensenatorin Spranger (SPD) hält parallele Wahl und Abstimmung am 12.
       > Februar für „nicht machbar“. Klima-Inititiative prüft rechtliche
       > Schritte.
       
   IMG Bild: Das Sammeln hat sich gelohnt: Beim Begehren „Berlin klimaneutral 2030“ kommt es zum Volksentscheid
       
       Berlin taz | Der Klima-Volksentscheid kommt, genug gültige
       Unterstützerunterschriften [1][sind nun bestätigt] – bloß der Termin bleibt
       offen, weil im rot-grün-roten Senat weiter umstritten. Innensenatorin Iris
       Spranger (SPD) hält eine von Grünen und Linken gewünschte Abstimmung
       parallel zur Wiederholungswahl am 12. Februar für „nicht machbar“.
       Hauptgrund laut Landeswahlleitung: Die Stimmzettel dafür könnten erst Mitte
       Januar fertig sein, müssten aber wegen der dann startenden Briefwahl schon
       am 2. Januar vorliegen.
       
       Für Regierungschefin Franziska Giffey (SPD) bräuchte es jene zusätzlichen
       Klärungen durch die Innenverwaltung gar nicht mehr, die „einige
       Senatsmitglieder“ noch erbeten hätten: „Schon aus heutiger Sicht ist die
       Sachlage sehr eindeutig“, sagt sie in der Pressekonferenz nach der
       Senatssitzung. Bereits vorige Woche war Giffey [2][so zu verstehen
       gewesen], dass die Entscheidung schon an diesem Dienstag fallen sollte.
       
       Landeswahlleiter Stephan Bröchler hatte vor den Journalisten zuvor auf
       Gespräche mit einer Druckerei wegen der Stimmzettel verwiesen und gesagt:
       „Der Termin 2. Januar ist schlicht nicht zu halten.“ Dass es am Papier und
       am Druck liegen soll, klinge so banal, räumte er ein – aber daran hängt
       nach seiner Darstellung die ganze Abstimmung.
       
       Bröchler musste sich fragen lassen, warum er einen parallelen Termin bei
       seinem Amtsantritt im Oktober noch für möglich hielt. Da habe er
       tatsächlich gesagt, das sei wünschenswert, antwortete Bröchler. Aber die
       Strukturen und Abläufe gaben das offenbar nicht her. Stimmzettel noch
       während der laufenden Unterschriftensammlung für das Volksbegehren
       vorzubereiten soll auch nicht möglich gewesen sein – „es war nicht so klar,
       kommt der Volksentscheid zustande oder nicht“. Auch mit der konkreten
       Vorbereitung der Wiederholungswahl habe man erst nach dem Urteil des
       Verfassungsgerichts am 16. November anfangen können.
       
       ## Quorum für Volksentscheid
       
       Bei der Initiative, die hinter dem Volksbegehren „Berlin klimaneutral 2030“
       steht, drängt man vor allem wegen der im Abstimmungsgesetz vorgesehenen
       Quorumregelung auf eine Zusammenlegung mit den Wahlen zum Abgeordnetenhaus
       und den zwölf Bezirksverordnetenversammlungen. Denn damit ein
       Volksentscheid gültig ist, muss eine Mehrheit der Abstimmenden dafür
       votieren; diese Mehrheit muss aber mindestens 25 Prozent der
       Wahlberechtigten umfassen. Die Erfahrung aus früheren Solo-Volksentscheiden
       jenseits von Wahlen zeigt: Diese Hürde ist sehr hoch.
       
       Daher erhöht die Initiative, die Berlin bereits bis 2030 und nicht wie vom
       Senat vorgesehen bis 2045 klimaneutral machen und dazu das
       Energiewendegesetz des Landes ändern will, den Druck auf den Senat. Zwar
       seien Volksentscheide und Wahlen verfassungsrechtlich gleichrangig; dennoch
       werde der Klima-Volksentscheid nicht gleichzeitig vorbereitet. Warum,
       bleibe unklar, sagte Jessamine Davis, Sprecherin des Volksentscheids.
       
       Laut Davis scheint nun die Terminfrage völlig in der Schwebe zu sein. „Der
       Landeswahlleiter will keinen Volksentscheid am 12. Februar, er kann aber
       offenbar auch keinen separaten Abstimmungstermin innerhalb der nächsten
       vier Monate sicherstellen.“
       
       Das stellte Innensenatorin Spranger in der Pressekonferenz anders dar: Sie
       peilt einen Termin Anfang April an. Der liegt noch innerhalb der im Gesetz
       vorgegebenen 4-Monats-Frist, weil die erst ab der Veröffentlichung des
       Ergebnisses im Amtsblatt am 2. Dezember läuft. Anders soll es nur kommen,
       wenn die vom Bundestag beschlossene Wiederholung der Bundestagswahl – in
       nur jedem sechsten der Berliner Wahllokale – bereits bis August ansteht.
       
       Beim Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“, das parallel zur
       Abgeordnetenhauswahl am 26. September 2021 stattfand und anders als die
       Wahl nicht angefochten wurde, war die damalige Wahlleitung aus Sicht der
       Klima-Initiative vorausschauender: Dort sei der Druckauftrag für die
       offizielle Broschüre zum Volksentscheid [3][bereits während der
       Sammelphase] ausgeschrieben worden. Am 25. Juni 2021 wurden die letzten
       Unterschriften eingereicht, 93 Tage später der Volksentscheid parallel zu
       den Wahlen abgehalten.
       
       Die Klima-Initiative hatte am 14. November ihre letzten Unterschriften bei
       der Innenverwaltung eingereicht. Der Wahltermin ist am 12. Februar – die
       Fristen seien von der Länge vergleichbar. Davis kündigte daher an: „Wir
       prüfen derzeit, ob wir rechtliche Schritte einleiten.“ Daran arbeite „eine
       Gruppe von Anwältinnen und Anwälten“.
       
       Auch die Initiative Mehr Demokratie sieht die Landeswahlleitung in der
       Pflicht, Entscheid und Wahlen zusammenzulegen. „Es war abzusehen, dass das
       Volksbegehren erfolgreich sein wird“, sagte ihr Landesvorstandssprecher
       Oliver Wiedmann. „Dass sich die Verwaltung nun von der Entwicklung
       überrascht zeigt und unvorbereitet dasteht, ist nur schwer
       nachvollziehbar.“
       
       29 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
   DIR Bert Schulz
       
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