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       # taz.de -- Neuer Klimaprotest in Großbritannien: Schleichen statt Kleben
       
       > Die Klimagruppe Just-Stop-Oil probiert in London eine neue Protestform
       > aus. Autofahrer:innen bringen sie damit immer noch auf die Palme.
       
   IMG Bild: Britische Höflichkeit gegen Klimakatastrophe: Chief Inspector Ranstead (l.) mit Demonstrant
       
       London taz | Vor einem uralten Stadtgarten in London haben sie sich um 8
       Uhr morgens an diesem Dienstag versammelt: zehn Aktivist:innen der
       Gruppe Just Stop Oil, die seit Februar 2022 in Großbritannien alle
       möglichen Aktionen als Protest gegen die weitere Verwendung fossiler
       Energie durchzieht.
       
       Bisher brachten die Klimaproteste Fahrzeuge auf Autobahnen zum
       [1][Stillstand, störten die Ölversorgung, klebten sich an die Rennbahn
       eines Formel-1-Rennens oder an Gemälde] in Londons Nationalgalerie.
       
       Eben Lazarus, ein 22-jähriger Musiker, ist aufgrund solcher Einsätze
       vorbestraft. Seine heutige Aktion soll anders ablaufen, nämlich so, dass
       die Polizei den Protest ohne Konsequenzen durchgehen lassen könnte.
       
       Einige der [2][Just-Stop-Oil-Aktionen hatten zu Kritik geführt.
       Entsprechend] hart ging die Polizei vor. All das führte zum Überdenken.
       „Heute werden wir nur langsam auf der Straße marschieren“, verrät Lazarus –
       weder Sekundenkleber noch eine Besetzung. Ein Marsch sei nach britischem
       Recht erlaubt. Trotzdem wurden am Montag bei einem ähnlichen Marsch zwei
       Aktivist:innen festgenommen.
       
       ## Im Schneckentempo gegen die Klimakrise
       
       In der Nähe des Londoner Stadtmuseums zieht die Gruppe also an diesem
       Dienstag mit Bannern auf die Straße. Gleich am Anfang fährt der Fahrer
       eines Kleinlasters wütend in die Gruppe und rammt Lazarus von hinten, bis
       sein Wagen durchkommt. „Nicht so schlimm wie beim letzten Mal, als ich fast
       überfahren wurde“, erzählt der 22-Jährige.
       
       „No Oil, No Gas, No Coal“, skandiert die Gruppe nun. Und: „Ich gehe lieber
       in den Knast, als zu sterben.“ Ganze fünf Minuten dauert es, bis die
       Polizei mit Blaulicht anrückt. Ein Beamter unterhält sich sofort mit Sean
       Irish, der die Aktivist:innen anführt. Der Polizist will wissen, worum
       und wohin es gehe. Irish antwortet, es gehe um die Klimakrise und es ende,
       wenn die Ziele, Öl und Gas zu stoppen, erreicht seien.
       
       Etwas später hat Irish den örtlichen Polizeichef Rob Ranstead neben sich.
       „Ich bin bereit, diese Demo durchgehen zu lassen, solange ihr
       weitermarschiert“, verkündet er nach verschiedenen Fragen, die Irish nicht
       richtig beantwortet.
       
       Die zehn Aktivisten werden bald von bis zu 30 Beamt:innen mit speziellen
       Kameras verfolgt. Währenddessen lässt die Gruppe mehrmals Linienbusse und
       einen Krankenwagen passieren. So geht es mitten durch das Londoner
       Finanzviertel. Kurz vor der St.-Pauls-Kathedrale, nach einer guten Stunde,
       erklärt Sean den Marsch für beendet.
       
       Polizeichef Ranstead, der immer noch dabei ist, erklärt Irish, dass er
       gerne wissen würde, wo dieser jetzt weiter hingehe. „Zu seiner Sicherheit“
       würden ihm Beamte folgen. Was Ranstead nicht weiß, aber wahrscheinlich
       ahnt, ist, dass ein weiterer Protest im nördlichen Stadtteil Islington
       geplant ist.
       
       ## Innenministerin will mehr verbieten
       
       Festgenommen wurde niemand. Just Stop Oil hat an diesem Tag innerhalb der
       rechtlichen Grenzen protestiert.
       
       Larch Maxey, der sich später dem Protest anschloss, erklärt der taz, dass
       das Problem die Ungewissheit sei, wie das Recht angewandt werde. Er
       schätzt, dass die Polizei die neue Proteststrategie – immer in Bewegung
       bleiben – [3][erst mal tolerieren würde, bis sie sich darauf eingestellt
       hätte] und härter eingreifen werde. So sei es auch gewesen, als er und
       andere im Namen von Extinction Rebellion Knotenpunkte Londons besetzten,
       und bei Aktionen gegen den Bau der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke HS2. Da
       hatte sich Maxey in einem Tunnel verbarrikadiert.
       
       Unter Premierminister Boris Johnson hatte das Parlament auf Betreiben der
       damaligen Innenministerin Priti Patel neue Gesetze verabschiedet, welche
       polizeilichen Einsatzkräften mehr Rechte verleihen, um Proteste
       einzuschränken. Bei „schwerwiegenden Unruhen“, Sachbeschädigungen oder
       „Störung des Lebens der Gemeinschaft“ ist es der Polizei nun explizit
       gestattet, das Demonstrationsrecht zu beschränken.
       
       Der neuen Innenministerin Suella Braverman reicht das nicht. In einer neuen
       Gesetzesvorlage will sie weiter gehen. Laut der britischen
       Zivilrechtsgruppe Liberty sollen das „Aneinanderfestmachen“, Eintunneln,
       die Störung der „essenziellen nationalen Infrastruktur“ und noch viel mehr
       verboten werden.
       
       30 Nov 2022
       
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       aber nicht.