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       # taz.de -- AfD-Abgeordnete und Brasiliens Rechte: Bolsonaros deutsche Freundin
       
       > Die deutsche AfD-Politikerin Beatrix von Storch pflegt enge Kontakte zur
       > brasilianischen Rechten. Und sie unterstützt die Behauptung des
       > Wahlbetrugs.
       
   IMG Bild: Dieses Foto von 2021 mit Ehemann und Brasiliens Präsidenten vertreibt Beatrix von Storch selbst
       
       Rio de Janeiro taz | Mit einem [1][Tweet] meldete sich die AfD-Politikerin
       Beatrix von Storch am 20. November zu Wort. Dort zu sehen: Fotos von
       Protesten in Brasilien. Nationaltrikots, Fahnen, ein Meer aus Gelb und
       Grün. Dazu schrieb die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD im
       Bundestag: „Wann berichtet die deutsche Presse, was da in Brasilien los
       ist?“ Es war nicht ihr erster Tweet zu Brasilien, und [2][auch nicht der
       letzte].
       
       Ende Oktober hatte der rechtsradikale Amtsinhaber Jair Bolsonaro die
       Stichwahl gegen den Sozialdemokraten Luiz Inácio „Lula“ da Silva knapp
       verloren. Bolsonaro hat bisher seine Wahlniederlage nicht ausdrücklich
       eingeräumt. Seine Partei legte Beschwerde gegen das Ergebnis ein und wollte
       Teile der Stimmen für ungültig erklären lassen. Doch das oberste
       Wahlgericht [3][lehnte die Klage ab], da es „keinerlei Anhaltspunkte für
       Unregelmäßigkeiten“ gegeben habe.
       
       Viele Unterstützer*innen Bolsonaros wollen sich nicht mit der
       Niederlage abfinden und gehen seit der Stichwahl im ganzen Land [4][auf die
       Straße]. Sie blockieren Autobahnen, ziehen vor Militärgebäude. Viele
       zweifeln ganz offen die Wahlergebnisse an, sprechen von einem „großen
       Betrug“. Aus dem Ausland bekamen sie Rückendeckung von [5][Steve Bannon],
       dem international umtriebigen Ex-Chefberater des ehemaligen US-Präsidenten
       Donald Trump. Mit Beatrix von Storch bekommt die Bewegung nun auch
       prominente Unterstützung aus Deutschland.
       
       „Es spricht vieles dafür, dass in Teilen von Brasilien bei den Wahlen
       ‚Berliner Verhältnisse‘ herrschten“, sagte von Storch der taz. Damit spielt
       sie auf die [6][Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus] an, die wegen Pannen
       wiederholt werden muss. Es gibt allerdings keine Anzeichen dafür, dass es
       in Brasilien ähnlich chaotisch ablief. Das Militär, das eigentlich
       Bolsonaro nahesteht, führte stichprobenartig eine parallele Auszählung
       durch und konnte keinen Wahlbetrug feststellen. Selbst zahlreiche
       Verbündete Bolsonaros haben das Ergebnis mittlerweile anerkannt.
       
       ## Vorkämpfer der christlich-konservativen „Konterrevolution“
       
       „Es ist demokratiefeindlich, was Frau von Storch macht“, sagt der
       SPD-Bundestagsabgeordnete Manuel Gava der taz. Gava ist Mitglied der
       Deutsch-Brasilianischen Parlamentariergruppe und reiste Ende Oktober zur
       Wahlbeobachtung nach Brasilien. Die Aussagen von Storchs überraschten ihn
       nicht, sie passten „in die Historie von Trump, Bolsonaro und vielen
       anderen, die es nicht verstehen, demokratische Ergebnisse zu akzeptieren“.
       Gava ist sich sicher, dass von Storchs Kurs keine Folge von Unwissenheit
       sei, sondern „ein ganz bewusst gewähltes politisches Stilmittel, um
       demokratische Strukturen zu zersetzen“.
       
       Dass sich von Storch so direkt über Prozesse in Brasilien äußert, ist keine
       Überraschung. Die Politikerin pflegt enge Verbindungen in das größte Land
       Lateinamerikas, und dort besonders zu rechtsradikalen und erzkonservativen
       Kreisen. Im Juni 2021 reiste sie nach Brasilien und traf dort unter anderem
       den amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro. Ebenso gab es ein Treffen mit
       dessen Sohn, Eduardo Bolsonaro. Der nimmt eine wichtige Rolle in der
       Regierung ein, pflegt viele Kontakte zu rechten Politiker*innen im
       Ausland und gilt als inoffizieller Außenminister.
       
       Von Storch hat auch Verbindungen zur Gesellschaft zur Verteidigung von
       Tradition, Familie und Privateigentum (TFP). Das christlich-aristokratische
       Netzwerk sieht sich als Vorkämpfer einer konservativen „Konterrevolution“
       und will die hierarchischen Strukturen des Mittelalters wiederherstellen.
       1960 wurde die TFP in Brasilien gegründet und war eine wichtige Stütze des
       damaligen rechten Militärregimes. Die Verhinderung einer Agrarreform in
       Brasilien ist seit jeher eines der Hauptanliegen der Organisation, zudem
       fordert sie eine Rückkehr zur Monarchie. Mittlerweile gibt es auch in den
       USA und in Europa zahlreiche TFP-Organisationen.
       
       Beatrix von Storch und ihr Ehemann Sven von Storch sollen seit mindestens
       20 Jahren enge Kontakte zu dem Netzwerk haben, schreibt der Soziologe
       Andreas Kemper in seinem [7][Blog.] Einer der zentralen Ideologen der
       Gesellschaft ist Paul von Oldenburg, der Cousin von Beatrix von Storch. Er
       leitet das Brüsseler Büro der TFP Europa.
       
       ## Abtreibungsrechte und „Genderideologie“
       
       Außerdem hatten die von Storchs im Juli 2021 ein Treffen im Instituto
       Plinio Corrêa de Oliveira in São Paulo. Das Institut wurde nach dem Gründer
       der TFP benannt und gilt als einer der wichtigsten Standorte des
       ultrakonservativen Netzwerkes. Dort trafen sie die beiden
       Vertreter*innen der brasilianischen Königsfamilie Orleans-Braganza, die
       eine Wiederherstellung monarchistischer Strukturen fordert und enge
       Verbindungen zu Präsident Bolsonaro pflegt.
       
       Heute kämpft die TFP schwerpunktmäßig gegen Abtreibungsrechte, die Ehe für
       alle und eine vermeintliche Genderideologie. Über ein Fundraisingsystem
       soll die TFP zwischen 2009 und 2018 mehr als 103 Millionen Euro im Kampf
       gegen eine liberale Genderpolitik in Europa investiert haben. Der
       Antifeminismus ist auch einer der Schwerpunkte von Beatrix von Storch. Sie
       wird der christlich-konservativen Strömung der AfD zugerechnet.
       
       Auch deshalb gibt es etliche Schnittpunkte mit Brasiliens Präsident
       Bolsonaro. Während seiner Amtszeit konnten sich
       christlich-fundamentalistische Kräfte in der Regierung festsetzen, es wurde
       ein Umbau des Staates nach ultrakonservativen Vorstellungen eingeleitet.
       Davon zeigte sich auch der AfD-Politiker Waldemar Herdt beeindruckt, wie er
       der taz im vergangenen Jahr sagte. Der damalige Bundestagsabgeordnete –
       selbst Mitglied einer Freikirche in Osnabrück – reiste ebenfalls 2021 nach
       Brasilien. Dort besuchte er Kirchen und traf sich mit prominenten
       Vertreter*innen der christlichen Rechten.
       
       Auch Sven von Storch, der Ehemann der umtriebigen AfD-Politikerin, hat seit
       Langem enge Verbindungen zu ultrarechten Kräften in Lateinamerika. Der
       Geschäftsmann wurde in Chile geboren und 2016 kursierte sein Name als
       möglicher Bürgermeisterkandidat in seiner Geburtsstadt Osorno. Außerdem
       soll er im vergangenen Jahr den rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten
       Chiles, José Antonio Kast, unterstützt haben. Dieser verlor im Dezember
       2021 die Stichwahl gegen den linken Kandidaten Gabriel Boric.
       
       ## Bolsonaro-Fans mit Hitlergruß unterwegs
       
       Sven von Storch ist außerdem Herausgeber des Blogs „Die Freie Welt“. Dort
       werden seit Wochen Artikel über Brasilien veröffentlicht. Besonders viel
       Platz bekommt die Pro-Bolsonaro-Protestbewegung, für die sogar ein Dossier
       mit zahlreichen Texten angelegt wurde. Zum Teil werden dort knallharte
       Lügen verbreitet. So wird etwa in einem Artikel ein „Brasilien-Kenner“
       zitiert, der von den vielleicht größten Protesten spricht, „die es auf der
       Welt je gegeben hat“. In Wirklichkeit finden zwar immer noch
       Demonstrationen statt, aber die Teilnehmerzahlen haben deutlich abgenommen.
       Ein Vertreter der Autobahnpolizei erklärte unlängst, Anführer*innen der
       antidemokratischen Proteste wegen verschiedener Straftaten verhaften zu
       wollen.
       
       Das scheint Beatrix von Storch nicht weiter zu stören. „Die Brasilianer
       machen von ihrem demokratischen Recht auf Demonstration Gebrauch“, sagt sie
       der taz. Die Teilnehmerzahlen der Proteste stellten alles in den Schatten,
       „was die Klimabewegung je auf die Straße bekommen“ habe. Was von Storch
       nicht sagt: Auf etlichen Demonstrationen wurde ganz offen eine
       Militärintervention gefordert. Das ist in Brasilien strafbar.
       
       Besonders ein [8][Video] ging in den sozialen Medien viral: Es zeigt
       Bolsonaro-Fans, die vor einer Kaserne in der südbrasilianischen Stadt São
       Miguel do Oeste den rechten Arm in die Luft recken und die Nationalhymne
       singen. „Die Verwendung von nazistischen und faschistischen Symbolen durch
       eindeutig rechtsgerichtete ‚Demonstranten‘ ist zutiefst schockierend“,
       schrieb der deutsche Botschafter in Brasilien, Heiko Thoms, auf
       [9][Twitter]. „Diese Geste ist eine Missachtung des Gedenkens an die Opfer
       des Nationalsozialismus und der von ihm verursachten Schrecken.“
       
       Auf Nachfrage wollte Beatrix von Storch nicht beantworten, ob sie Kontakte
       zu den Gruppen hat. In den sozialen Medien folgt sie jedoch rechtsextremen
       Aktivist*innen, die sich an Protesten beteiligten.
       
       ## Vernetzt in Brasilien, isoliert in Deutschland
       
       Jedoch denken nicht alle AfD-Politiker*innen wie sie. Eine Quelle sagte der
       taz, dass ein anderer AfD-Vertreter die Wahlergebnisse im Auswärtigen
       Ausschuss nicht anzweifelte. Der stellvertretende Landesvorsitzende der AfD
       Thüringen Torben Braga, selbst in Brasilien geboren, kritisierte vielmehr
       seine Parteikollegin auf [10][Twitter] und nannte die Proteste „eine
       Schande für das Land“.
       
       Die deutliche Kritik könnte aber auch mit parteiinternen Konflikten
       zusammenhängen. Der ehemalige Sprecher der deutsch-national-völkischen
       Deutschen Burschenschaft gilt als politischer Ziehsohn des Faschisten Björn
       Höcke. Der extrem rechte AfD-Flügel rund um Höcke steht mittlerweile
       [11][auf Kriegsfuß mit Beatrix von Storch], die dem Lager des
       zurückgetretenen ehemaligen AfD-Vorsitzenden [12][Jörg Meuthen] zugerechnet
       wird.
       
       Beatrix von Storch ist seit dem letzten Jahr auch Mitglied der
       Deutsch-Brasilianischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag. Die
       Gruppe soll den politischen Austausch zwischen beiden Ländern stärken und
       Abgeordnete vernetzen. Laut Informationen der taz stellte von Storch bei
       einem Treffen mit der Caritas Brasilien am 30. November erneut die
       Wahlergebnisse in Frage. Die Befürchtung ist, dass sie die
       Parlamentariergruppe nutzen könnte, um die deutsche Brasilienpolitik nach
       ihren Vorstellungen zu prägen.
       
       Allerdings gilt von Storch als isoliert in der Gruppe. Im kommenden Mai
       soll eine Delegation deutscher Politiker*innen nach Brasilien reisen –
       möglich, dass auch Beatrix von Storch mitfährt.
       
       2 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/Beatrix_vStorch/status/1594442277832859650
   DIR [2] https://twitter.com/MatthewTyrmand/status/1597428323549782016
   DIR [3] /Praesidentschaft-in-Brasilien/!5897798
   DIR [4] /Brasilien-nach-der-Wahl/!5888855
   DIR [5] /Ex-Berater-von-Donald-Trump/!5869714
   DIR [6] /Wahlwiederholung-in-der-Hauptstadt/!5893438
   DIR [7] https://andreaskemper.org/2022/11/16/beatrix-von-storch-und-die-tfp/
   DIR [8] https://youtube.com/shorts/-REGWtTWm6g?feature=share
   DIR [9] https://twitter.com/AmbBrasilia/status/1588165148300218368
   DIR [10] https://twitter.com/torben_braga/status/1589409163800907778
   DIR [11] /AfD-Abgeordnete-Beatrix-von-Storch/!5885376
   DIR [12] /Rueckzug-aus-der-AfD/!5832410
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Niklas Franzen
       
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