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       # taz.de -- AfD-Richter Jens Maier: „Kleiner Höcke“ arbeitslos
       
       > Das Dienstgericht Leipzig hat entschieden: Der als rechtsextrem
       > eingestufte frühere AfD-Richter Jens Maier muss in den vorzeitigen
       > Ruhestand.
       
   IMG Bild: Darf nicht im Namen des Volkes urteilen: Jens Maier (rechts), neben Andreas Kalbitz (noch rechter)
       
       Leipzig taz | Hinterher wollte er alles nicht mehr gewesen sein, gesagt
       oder gepostet haben: Jens Maier agierte jahrelang als einer der größten
       Scharfmacher der AfD, hielt rechtsextremistische Reden im Bundestag und in
       Bierhäusern, wollte politische Gegner entsorgen, verharmloste rechten
       Terror und nannte sich selbst „kleiner Höcke“. Der 60-Jährige war Obmann
       des Flügels, gilt dem Verfassungsschutz als Rechtsextremist. Am Donnerstag
       in Leipzig hingegen erschien er nicht einmal persönlich zu seiner eigenen
       Verhandlung am Dienstgericht, sondern ließ sich vertreten vom zeitweiligen
       NSU-Anwalt Jochen Lober und ließ zahlreiche seiner Äußerungen verleugnen.
       
       Am Ende half alles nichts. Das Richterdienstgericht entschied nach
       mehrstündiger Verhandlung in Leipzig, dass Jens Maier nicht mehr Recht
       sprechen darf. Das sächsische Justizministerium hat den AfD-Richter damit
       erfolgreich in den Ruhestand versetzt. Eine Revision gegen das Urteil ist
       zugelassen. Den Streitwert hat das Gericht auf 97.000 Euro festgelegt. Die
       Kosten des Verfahrens muss Maier tragen.
       
       ## Seine Bezüge behält er
       
       Das Gericht begründete das Urteil mit Maiers Tätigkeit als Obmann des
       rechtsextremen AfD-Flügels sowie zahlreichen Äußerungen in
       Social-Media-Beiträgen, während Wahlkampfauftritten und in Reden. Durch
       eine Tätigkeit von Maier im Staatsdienst würde das Vertrauen der
       Öffentlichkeit in die Justiz in hohem Maße Schaden nehmen. Eine Versetzung
       in den Ruhestand sei geboten. Seine Bezüge behält Maier dabei.
       
       In der Regel haben Beamte einen Anspruch auf Rückkehr in den Staatsdienst,
       nachdem sie ein Mandat in Parlamenten wahrgenommen haben. Das für Beamte
       geltende Mäßigungsgebot ruht während der Abgeordnetentätigkeit. Das
       sächsische Justizministerium von Ministerin Katja Meier (Grüne) erkannte
       den Rückkehranspruch Maiers 2022 zunächst an, um dann ein
       Disziplinarverfahren gegen ihn anzustrengen und ihn nach seiner Rückkehr
       auch infolge eines großen zivilgesellschaftlichen Aufschreis dann doch in
       den vorzeitigen Ruhestand zu schicken.
       
       Während der Hauptverhandlung im Leipziger Landgericht machte der
       Vorsitzende Richter Hanns-Christian John klar: Für Äußerungen im Bundestag
       oder dessen Ausschüssen bestehe Immunität, aber Maier müsse sich bei der
       Rückkehr in den Staatsdienst auch Äußerungen anrechnen lassen, die er
       außerhalb des Bundestags während seiner Abgeordnetenzeit getätigt hat, so
       John: „Beamte im ruhenden Dienstverhältnis sind stärker aus ihren Pflichten
       herausgelöst, aber sie sind nicht gänzlich daraus befreit.“ Sie müssten
       nachweisen, jederzeit die Gewähr zu bieten, im Sinne des Grundgesetzes für
       die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten.
       
       Genau das stellte das sächsische Justizministerium während der Verhandlung
       im Fall Maier deutlich in Abrede mit einer umfangreichen Sammlung an
       Zitaten, Social-Media-Posts, Videoaufnahmen von Wahlkampfauftritten und
       Wirtshausreden.
       
       Die Richter*innen hatten diese bereits im Vorfeld gesehen und
       verzichteten in Absprache mit den Verfahrensbeteiligten auf eine Vorführung
       im Saal, etwa der [1][berüchtigten Rede im Ballhaus Watzke], worin Maier in
       Höcke-Manier eine Abkehr von der „Herstellung von Mischvölkern“ und vom
       angeblichen „Schuldkult“ in Bezug auf die NS-Aufarbeitung forderte.
       
       Das Gericht ging jeden vorgelegten Beleg durch: Social-Media-Beiträge, in
       denen Maier kommentiert haben soll: „Wenn Angeklagte ‚AfD-Richter‘
       fürchten, haben wir alles richtig gemacht.“ Einen Tweet, in dem Maier eine
       Kopftuch tragende Frau als „Schleyereule“ und „Gesindel“ bezeichnet haben
       soll. Oder Berichte über eine Compact-Veranstaltung, wo er Verständnis für
       den norwegischen Massenmörder von Utøya geäußert haben soll.
       
       ## AfD-Politiker im Publikum
       
       Zu der Verhandlungen waren auch einige AfD-Politiker gekommen. Als es um
       einen Wahlkampf-Auftritt vor der Dresdener Frauenkirche ging, wo Maier von
       „linker Schmarotzerideologie“ sprach, die auf den „Müllhaufen der
       Geschichte“ gehöre und „Volksverräter“-Rufe provizierte, quittierte der
       sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Roland Ulbrich, der zusammen mit
       Siegbert Droese und weiteren AfD-Politikern im Gerichtssaal saßen,
       kommentierte die Schilderung der „Volksverräter“-Rufen mit einem trockenem:
       „Wahlkampf“.
       
       Jochen Lober, der Verteidiger Maiers, behauptete, dass mittlerweile
       gelöschte Tweets von Mitarbeitern gestammt hätten, dass einzelne Aussagen
       aus dem Kontext gerissen worden oder gar nicht gefallen seien. In Summe
       seien die vorgelegten Fakten des Justizministeriums „Beschmutzungsversuche“
       und eine „Sammlung von Phrasen, Unterstellungen und letztlich Erfindungen“,
       von denen aus seiner Sicht nichts juristisch bestand habe. Auf den
       antidemokratischen Subtext all der belegbaren Bemerkungen ging er nicht
       ein. Auch von Reue keine Spur: „Mein Mandat hat sich nichts vorzuwerfen“,
       sagte Lober im Abschlussplädoyer.
       
       Das sächsische Justizministerium argumentierte, unabhängig davon, wie man
       „Rechtsextremismus“ definierte, stünden die vorgebrachten Äußerungen im
       Spannungsfeld mit dem Amt des Richters, wobei der öffentliche
       Vertrauensverlust überwiege. Maier habe seine Haltung gegenüber Migranten,
       Andersdenkenden, Religionen und Minderheiten gründlich dokumentiert. In
       einem gerichtlichen Verfahren könne er daher nicht unparteilich neutral
       sein und besäße nicht die für den Rechtsstaat erforderliche Integrität.
       „Der Staat muss von seinen Repräsentanten geschützt und nicht bekämpft
       werden“, sagte die Vertreterin der Antragsstellers.
       
       ## Verschärfung nach der „Causa Maier“?
       
       Auch wegen der „Causa Maier“ drängt die sächsische Justiz derzeit auf
       schärfere gesetzliche Regeln für den Fall, dass Rechtsextreme nach einer
       Abgeordnetentätigkeit in den Staatsdienst zurückkehren wollen. Vor der
       letzten Justizministerkonferenz plädierte Justizministerin Katja Meier
       dafür, dass man die Bezüge kürzen könne, falls Dienstgeschäfte vorläufig
       untersagt werden. Ebenso will sie Verjährungsfristen bei
       disziplinarrechtlichen Verstößen verlängern. Darüber müsste letztlich der
       Bundestag entscheiden. Der Rechtsstaat müsse grundsätzlich klären, [2][wie
       mit Verfassungsfeinden umgegangen werde], die in „sensible Bereiche des
       öffentlichen Dienstes“ zurückkehren wollten, begründete Meier.
       
       Das Dienstgericht Berlin hatte in einem ähnlichen Fall entschieden, dass
       die ehemalige [3][AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann]
       wieder als Richterin arbeiten darf. Bei ihr gab es über ihre
       AfD-Mitgliedschaft hinaus deutlich weniger außerparlamentarische Beleg für
       eine verfassungsfeindliche Gesinnung. Ihre rassistischen Reden im Bundestag
       durften laut Gericht aufgrund des Immunitätsschutzes nicht bei der
       Bewertung einfließen. Die Berliner Justizbehörde prüft derzeit noch, ob sie
       dagegen in Berufung geht.
       
       Der Verfassungsrechtler Fischer-Lescarno [4][kritisierte das Berliner
       Urteil deutlich] – sehr wohl sei Malsack-Winkemann eine „Nähe zu
       verschwörungstheoretischen Kreisen mit rechtsextremen Hintergrund“
       nachzuweisen – schließlich sei sie Mitglied der AfD und habe als
       Bundestagsabgeordnete und Richterin sogar im Vorfeld des Sturms auf die
       Reichstagstreppen im August 2020 mit der Querdenken-Bewegung in Berlin
       demonstriert.
       
       1 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /AfD-Richter-in-Dresden/!5443301
   DIR [2] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1168688.jens-maier-striktere-regeln-gegen-rechte-richter.html
   DIR [3] /Entscheidung-des-Dienstgerichts-Berlin/!5884146
   DIR [4] https://verfassungsblog.de/kein-ruhestand-fur-afd-richterin/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gareth Joswig
       
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