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       # taz.de -- Deutsch-türkisches Online-Medium: Özgürüz heißt „Wir sind frei“
       
       > Das deutsch-türkische Medium „Özgürüz“ von Can Dündar leistet seit Jahren
       > unabhängigen Journalismus für die Türkei. Nun droht ihm das Aus.
       
   IMG Bild: Lebt im deutschen Exil: Can Dündar
       
       „Warten wir auf das Wahlergebnis und schauen wir dann.“ Mehr als ein Mal
       hat [1][der Journalist Can Dündar] diese Antwort bekommen, als er sich um
       Spenden für die türkische Nachrichtenplattform Özgürüz bemühte, deren
       Chefredakteur er ist. Menschen, die ihn seit sechs Jahren unterstützen,
       weil ihnen die freie Presse in der Türkei am Herzen liegt, haben diese
       Unterstützung zuletzt minimiert. Deshalb ist das Exil-Medium, das von
       Deutschland aus Sendungen in die Türkei und auch an die türkische Diaspora
       in Europa sendet, aktuell mit dem Aus konfrontiert.
       
       Dündar und Correctiv haben die Plattform in Zusammenarbeit gegründet, als
       der Journalist die Türkei verlassen musste, nachdem er aus der Haft
       entlassen worden war. Im Gefängnis saß Dündar, weil er als Chefredakteur
       der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet einen Bericht über türkische
       Waffenlieferungen nach Syrien veröffentlicht hatte. Bei einem
       Telefongespräch erzählt Dündar der taz, dass das allgemeine Interesse für
       die Türkei zuletzt sehr abgenommen habe – und damit eben auch die Spenden
       an Özgürüz. Nachrichten über die Türkei finden sich nicht mehr auf
       Titelseiten, wie das noch vor ein paar Jahren der Fall gewesen ist. Laut
       Dündar hat das auch mit aktuellen globalen Kräfteverhältnissen zu tun.
       
       Vor gar nicht so langer Zeit galt der türkische Präsident Recep Tayyip
       Erdoğan noch als persona non grata in Europa. Aktuell besetzt er [2][eine
       Schlüsselrolle], weil die Türkei sowohl mit der Ukraine als auch mit
       Russland im Dialog steht. Ob beim Getreideabkommen für ukrainische Exporte
       oder bei der Frage der Nato-Mitgliedschaft Schwedens: Die Haltung des
       türkischen Präsidenten ist entscheidend. Dündar mag keine Namen von
       Personen oder Organisationen nennen, aber er sagt, dass sich die
       gegenwärtige Vermittlerrolle der Türkei beim Krieg Russlands gegen die
       Ukraine auch auf manche Spendengeber ausgewirkt habe. Politisch befinde
       sich Europa derzeit in Geiselhaft: „Es geht nicht nur um Deutschland.
       Länder wie [3][Schweden ändern für Erdoğan ihre Verfassung]“, sagt Dündar.
       
       Erdoğan regiert die Türkei mittlerweile seit 20 Jahren. Die
       Präsidentschaftswahl im kommenden Juni ist für ihn enorm wichtig. Seine
       Popularität hat er durch die hohe Inflation und die damit gestiegenen
       Lebenshaltungskosten eingebüßt. Die Oppositionsparteien zeigen sich deshalb
       siegessicher. Und Erdoğan greift auf gewohnte Mittel zurück, um an der
       Macht zu bleiben, und schränkt die Meinungsfreiheit ein. Ein Großteil der
       Print- und TV-Medien in der Türkei befindet sich mittlerweile unter der
       Kontrolle der Regierung. Um auch das Internet zensieren zu können, gilt
       seit Oktober das sogenannte „Gesetz gegen Desinformation“. Der
       entsprechende Artikel 29 erlaubt, Menschen mit bis zu drei Jahren Haft zu
       bestrafen, die Informationen verbreitet haben, die der Staat als Fake News
       bewertet.
       
       ## Glaube an die Zukunft
       
       Unter solchen repressiven Bedingungen brauchen freie Medien mehr
       Unterstützung denn je. Özgürüz wurde in der Türkei nach seiner Gründung
       schon zensiert, bevor es seine Arbeit überhaupt beginnen konnte.
       Mittlerweile gibt es zahlreiche Gerichtsentscheide, die die Einstellung von
       Özgürüz befunden haben. Der Journalist Erk Acarer, der auch für die taz
       gazete gearbeitet hat und heute über Özgürüz sendet, wurde [4][vor zwei
       Jahren vor seiner Berliner Wohnung von Unbekannten angegriffen] und
       verletzt. Mit ihren Radiosendungen und Podcasts erreichen die Reporter von
       Özgürüz trotz aller Widrigkeiten Millionen von Menschen. Das Team mit zehn
       Mitarbeiter:innen hat auf Youtube nahezu 200.000 Abonnent:innen.
       Trotzdem bleibt die Zukunft des Mediums ungewiss.
       
       Dündar scheint trotz der begrenzten Möglichkeiten an eine Zukunft zu
       glauben: „Es geht nicht nur um unsere Leben. Es geht um die Zukunft der
       Türkei. Es geht um freie Presse, Nachrichten und Kommentare. Das ist
       moralisch und politisch wichtig. Deshalb werden wir bis zum Ende
       weitermachen.“ Wenn sie nicht genügend Spenden erhalten, würden sie bis zur
       Wahl im Sommer auch ehrenamtlich arbeiten, sagt er. Was dann passiert,
       sehen wir, wenn das Wahlergebnis feststeht.
       
       Sie können [5][Özgürüz mit einer Spende unterstützen]:
       
       Özgürüz Press gUGIBAN: DE04 4306 0967 1255 8386 00BIC:
       GENODEM1GLSVerwendungszweck: Özgürüz
       
       2 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ausstellung-ueber-tuerkischen-Knast/!5888695
   DIR [2] /Rolle-der-Tuerkei-im-Ukrainekrieg/!5880538
   DIR [3] https://www.sueddeutsche.de/politik/schweden-tuerkei-pkk-terrorismus-versammlungsfreiheit-1.5697917
   DIR [4] /Journalist-ueber-Anschlag-auf-ihn/!5787116
   DIR [5] https://ozguruz.de/spenden/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ali Çelikkan
       
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