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       # taz.de -- Welthandballer Niklas Landin: „Ich möchte nie Cheftrainer sein“
       
       > THW Kiel-Torhüter Niklas Landin hält die Handball-Bundesliga für zu groß.
       > Er plädiert für weniger Vereine und sieht Vorteile im Playoff-System.
       
   IMG Bild: Verlässt den THW Kiel in der kommenden Saison: Torwart Niklas Landin
       
       taz: Herr Landin Jacobsen, wann haben Sie zuletzt einen Handball ins
       Gesicht bekommen? 
       
       Niklas Landin Jacobsen: Dass ich einen Kopftreffer bekommen habe, ist noch
       nicht lange her.
       
       Das muss sich anfühlen wie ein Faustschlag, oder? 
       
       Das kommt darauf an, wo genau man getroffen wird. Wenn es eher oben an der
       Stirn ist, tut es oft nicht so richtig weh. Aber wenn der Ball direkt auf
       die Nase oder die Augen trifft, ist es schlimmer.
       
       Waren Sie davon im Spiel schon mal kurz benommen? 
       
       Manchmal. Zum Glück geht das schnell weg. Ich kenne aber Handball-Torhüter
       aus Dänemark, die mit Gehirnerschütterungen ausgefallen sind und sogar ganz
       mit dem Handball aufhören mussten, weil sie immer neue gesundheitliche
       Probleme bekamen. Einer kann fast nur noch im dunklen Raum sitzen.
       
       Im Männerhandball sind die Würfe bis zu 130 km/h schnell. Wie kommt man
       überhaupt auf die Idee, sich ins Tor zu stellen und dort zu bleiben? 
       
       Dass ich geblieben bin, war meine Entscheidung, mich dort hinzustellen, die
       Entscheidung meines Jugendtrainers. Er meinte, dass ich das Spiel gut
       gelesen habe und oft richtig stand, wenn der Ball kam.
       
       Kreisläufer wie Ihre Eltern wollten Sie nicht werden? 
       
       Nein, bis heute finde ich, dass Kreisläufer den beschissensten Job haben.
       Das ist so hart, dass sie immer voll in die gegnerische Abwehr reingehen
       müssen. Und die Schiedsrichter können nicht alles sehen, was da am Kreis
       passiert.
       
       Wann war klar, dass Sie viel Talent haben? 
       
       Ich selbst habe es gemerkt, als ich 15 war und ins Sportinternat von GOG
       Håndbold in Oure gewechselt bin. Dann hat auch das Talenttraining vor der
       Jugendnationalmannschaft angefangen und erst da habe ich überlegt, okay,
       vielleicht bin ich ein bisschen besser als der durchschnittliche
       Handballspieler.
       
       Und dann kam der Gedanke, dass daraus auch eine Profikarriere werden
       könnte? 
       
       Ja, nach diesem Jahr Schule hat mir GOG auch einen kleinen Vertrag
       angeboten, damit ich mich langsam daran gewöhnen könnte, Profi zu werden.
       Aber ich wollte lieber nach Hause zu Mama. Bei meiner alten Mannschaft
       fehlte auch noch ein Torhüter. Ich habe damals mit dem Jahrgang über mir
       gespielt. Meine Teamkameraden waren alle viel größer und stärker als ich
       und sie haben auch schon gesagt: „Wenn du nicht nach Hause kommst, dann
       kommen wir und hauen dir richtig auf die Fresse.“
       
       Von Deutschland aus scheint es, als würde in Dänemark bessere Jugendarbeit
       gemacht. Obwohl das Land klein ist, steht es im Handball an der Spitze. 
       
       Es gibt viele kleine Vereine, die das unglaublich gut machen. Sie machen
       die eigentliche Arbeit. Das wird zu oft vergessen und der Fokus nur auf die
       Internate gelegt. Aber dorthin kommen die Spieler erst mit 16 oder 17
       Jahren.
       
       Was ist das dänische Rezept in der Nachwuchsarbeit? 
       
       Ich glaube, dass Dänemark so gut dasteht, liegt am Hype. Früher waren
       v[1][or allem die Frauen in der Nationalmannschaft] unglaublich gut. Jetzt
       sind wir Männer auch oft im Finale internationaler Turniere und die
       Jugendlichen sitzen vor dem Fernseher und träumen vielleicht davon,
       dazustehen. In Deutschland gibt es ja nur einen Sport, der so richtig groß
       ist und das ist Fußball.
       
       Ist Handball in Dänemark beliebter als Fußball? 
       
       Wenn man auf die Zuschauerzahlen im Fernsehen schaut, ja. Bei den großen
       Spielen haben wir zwei bis drei Millionen Zuschauer und wir sind 5,5
       Millionen Einwohner in Dänemark.
       
       Werden Sie dort eher auf der Straße erkannt als in Deutschland? 
       
       Kiel ist eine Handballstadt. Aber in meiner Zeit bei den Rhein-Neckar Löwen
       in Heidelberg war das anders. Bis auf ein paar Fans hatten die da keine
       Ahnung von Handball. Das ist eine Studentenstadt mit vielen Ausländern. Da
       wurde ich nie erkannt. Das war anders, als wenn man in Dänemark unterwegs
       ist.
       
       Und was gefällt Ihnen besser? 
       
       Wenn ich alleine bin, habe ich überhaupt kein Problem damit, ein Foto zu
       machen. Aber wenn ich die Kids dabei habe, finde ich es manchmal schwierig,
       wenn sie ständig herumstehen und auf mich warten müssen.
       
       Sie sind später doch noch Profi bei GOG geworden, zunächst in der Dritten
       Liga. War das eine große Umstellung? 
       
       Ja. Wir hatten selbst eine junge Mannschaft und haben gegen Herren mit
       dicken Bäuchen und grauen Haaren gespielt. Wir haben fast alle Spiele
       verloren. Alles kann man mit Schnelligkeit nicht wettmachen. Und ich selbst
       musste mich darauf einstellen, dass die Männer deutlich härter werfen.
       
       Und dann kam als Nächstes die Champions League. 
       
       Das war unglaublich für mich. Ich habe öfter mal gehört, dass ich mich sehr
       zurückgehalten und fast nichts gesagt habe. Sportlich habe ich mir aber
       gesagt, ich probiere es einfach und wenn es nicht klappt, komme ich eben
       wieder raus. Und dann hat es unglaublich gut funktioniert, obwohl ich im
       Kopf eigentlich noch nicht weit genug für die Champions League war.
       
       Was hat gefehlt? 
       
       Vorbereitung vor dem Spiel. Am Anfang habe ich fast nie Video geguckt. Ich
       wusste nicht wirklich, gegen wen ich gespielt habe.
       
       Und jetzt schauen Sie sich vorher die Würfe der Gegner genau an? 
       
       Ja. Ich schaue selbst Videos zu den Wurfmustern der Gegner und gemeinsam
       mit dem Team, wenn es um unsere Abwehr und die Abstimmung geht. Aber ich
       habe einen guten Deal [2][mit unserem Trainer Filip Jicha]. Wenn es um den
       THW-Angriff geht, kann ich rausgehen. Von unserer Taktik habe ich überhaupt
       keine Ahnung.
       
       Und es interessiert Sie auch nicht? 
       
       Nein, ich kann nur die Namen sagen, aber ich weiß nicht, was da passiert.
       
       Ist es als junger Torwart schwieriger, Spielzeiten zu bekommen, als auf
       anderen Positionen? 
       
       Als Feldspieler kriegst du öfter mal die Möglichkeit hin und her zu
       wechseln als als Torhüter. Aber andersherum, wenn der erste Torhüter nicht
       gut hält, dann musst du rein. Du kannst dich nicht verstecken.
       
       Das muss ein ganz schöner Druck sein. 
       
       Ich spüre das immer noch. Wenn du eine schlechte Torhüterleistung hast,
       gewinnt das Team wahrscheinlich keine zwei Punkte. Für mich sind Druck und
       Erwartungen aber gut. Wenn ich das nicht spüre, bin ich auch nicht zu 100
       Prozent da.
       
       Warum spielen Sie beim THW Kiel? 
       
       Es ist der größte Verein in Deutschland – und [3][die Heimspiele sind
       einfach geil].
       
       Aber ist die Stimmung beim Erzrivalen Flensburg nicht viel besser? Da gibt
       es einen Stehblock, der an Ultras beim Fußball erinnert. 
       
       In Flensburg ist auch nicht bei jedem Spiel so viel los. Beim THW sind die
       Fans konstanter da. Die Halle war – vor den Beschränkungen in der Pandemie
       – immer ausverkauft. Es ist ein geiles Gefühl, vor 10.000 Menschen in die
       Halle einzulaufen. Da ist immer Gänsehaut. Diese großen [4][Arenen werde
       ich vermissen], wenn ich wechsele.
       
       Worauf freuen Sie sich in der kommenden Saison in Aalborg? 
       
       Keine langen Busfahrten mehr. Wir brauchen manchmal zweieinhalb Tage für
       ein Auswärtsspiel, wenn wir von Kiel aus losfahren. Das hast du sehr selten
       in Dänemark.
       
       Insbesondere skandinavische Spieler kritisieren an der Bundesliga, die
       Dichte an Spielen sei zu hoch. Fänden Sie ein Playoff-System wie in
       Dänemark sinnvoll für Deutschland? 
       
       Die Playoffs haben Vor- und Nachteile. Viele Zuschauer schauen in der
       ersten Runde noch nicht zu, sondern erst, wenn es richtig spannend wird. Da
       hat die Struktur in Deutschland natürlich etwas, wenn es in jedem Spiel um
       alles geht. Für die Entwicklung von jungen Spielern ist aber das dänische
       System besser. Die Vereine können es sich eher erlauben, ihnen Spielzeit zu
       geben. Ich würde auch deutschen Nachwuchstalenten empfehlen, mal ins
       Ausland zu gehen, dort ein Star zu werden und dann zurückzukommen.
       
       Braucht es weniger Spiele in Deutschland? 
       
       Ja. Ich würde mir auch wünschen, dass die Bundesliga kleiner wäre.
       
       Was glauben Sie, wie lange Sie noch spielen können? 
       
       Das weiß ich nicht. Früher habe ich gesagt, dass ich nicht viel länger als
       bis 35 spielen will, aber das ist jetzt schon bald. Es fühlt sich nicht so
       lange her an, dass ich ein junges Talent war.
       
       Haben Sie schon einen Plan im Kopf, was nach dem Handball kommt? 
       
       Nee. Ich weiß nur, dass ich nie Cheftrainer sein möchte – dann müsste ich
       doch noch alle Taktiken lernen.
       
       1 Jan 2023
       
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