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       # taz.de -- Reaktion auf Raketeneinschlag in Polen: Nato behält die Nerven
       
       > Die Ukraine behauptete, Russland habe die tödliche Rakete abgefeuert.
       > Trotz der Anschuldigungen blieben die Nato-Länder ruhig.
       
   IMG Bild: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch
       
       Brüssel taz | [1][Russland hat Polen nicht angegriffen], ist aber dennoch
       verantwortlich für den tödlichen Einschlag einer Rakete nahe der Grenze zur
       Ukraine: Dies sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach einem
       Krisentreffen der Militärallianz am Mittwoch in Brüssel. Es gebe „keinen
       Hinweis auf einen vorsätzlichen Angriff“, betonte Stoltenberg. Vielmehr
       deute alles auf einen Unfall mit ukrainischen Abwehrraketen hin. Die
       Ukraine treffe aber keine Schuld, der Vorfall sei allein auf den
       russischen Angriffskrieg zurückzuführen.
       
       Die Nato-Sitzung war kurzfristig einberufen worden. Die Alliierten wurden
       dabei vom obersten Befehlshaber General Christopher Cavoli und vom
       polnischen Botschafter Tomasz Szatkowski informiert. Beide wiesen die
       Hypothese eines gezielten russischen Angriffs zurück. Es fehlten die für
       eine Attacke üblichen „Charakteristika“, sagte Stoltenberg, ohne auf
       Details einzugehen. Gemeint sind offenbar Parameter wie Flugbahn,
       Geschwindigkeit und andere typische Signale einer angreifenden Rakete, die
       von Abwehrsystemen erkannt werden können.
       
       Der Bündnisfall wurde bei dem Treffen nicht ausgelöst, die Nato ist auch
       nicht in erhöhter Alarmbereitschaft. Das Bündnis sei auf Vorfälle wie in
       Polen vorbereitet, betonte Stoltenberg. Der Luftraum werde ständig
       überwacht, die dafür nötigen Verfahren hätten sich bewährt.
       
       Allerdings konnte Stoltenberg nicht erklären, wieso ukrainische Raketen
       trotzdem in Polen landeten. Er blieb auch Antworten auf die Frage nach
       Falschmeldungen aus der Ukraine schuldig, in denen zunächst von
       „russischen Raketen“ und einem gezielten Angriff die Rede war.
       
       ## Haarscharf am Weltkrieg vorbei
       
       Falsche Behauptungen im Krieg sind gefährlich, in diesem Fall waren sie
       besonders gefährlich. Hätte Russland tatsächlich einen gezielten Angriff
       auf Polen gestartet, so wäre die Nato gezwungen gewesen, den Bündnisfall
       nach Artikel 5 des Nordatlantik-Vertrags auszurufen. Dies hätte den dritten
       Weltkrieg auslösen können, zumindest aber eine weitere gefährliche
       Eskalation des Krieges.
       
       Auch Deutschland wäre dann gefragt gewesen. Allerdings hat sich die Nato
       korrekt verhalten – und die voreiligen Anschuldigungen aus Kiew nicht
       übernommen.
       
       Auch Polen hielt sich zurück. Statt auf Artikel 5 berief sich die Regierung
       in Warschau zunächst auf Artikel 4. Er sieht Konsultationen vor, wenn die
       Sicherheit eines Nato-Mitglieds bedroht ist. Diese Beratungen sind jedoch
       unverbindlich, sie ziehen keine Beistandspflicht nach sich.
       
       Artikel 5 des Nato-Vertrags wurde bisher erst einmal ausgelöst – nach den
       Terror-Anschlägen auf die USA am 11. September 2001. Artikel 4 ist dagegen
       fast schon Routine. Er wurde schon siebenmal in Anspruch genommen, zuletzt
       zu Beginn des Ukrainekriegs am 24. Februar – ohne Folgen.
       
       ## Deutsche Schützenhilfe für Polen
       
       Doch diesmal reicht es wohl nicht einmal dafür. Die bislang gesammelten
       Beweise deuteten darauf hin, dass „die Auslösung von Artikel 4 dieses Mal
       vielleicht nicht notwendig sein wird“, sagte Regierungschef Mateusz
       Morawiecki in Warschau. Die Krisensitzung der Nato in Brüssel dürfte daher
       zunächst ohne Folgen bleiben.
       
       Nachbarland Deutschland allerdings hat Polen bereits als „Sofortreaktion“
       angeboten, Eurofighter zur Verstärkung bei der Überwachung des Luftraums zu
       schicken. Und zwar „ab morgen, wenn Polen dies wünscht“, wie ein Sprecher
       des Bundesverteidigungsministeriums am Mittwoch in der
       Bundespressekonferenz erklärte. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht
       (SPD) wolle dazu noch am selben Tag das Gespräch mit ihrem polnischen
       Kollegen suchen. Wie viele Eurofighter Deutschland schickt, hänge dann von
       Polen ab.
       
       Bundeskanzler Olaf Scholz hatte bereits aus Bali vom G20-Gipfel mit Polens
       Staatspräsident Andrzej Duda telefoniert, um ihm sein Beileid und Mitgefühl
       auszusprechen. Gleichzeitig bemühte sich Scholz umgehend zu deeskalieren.
       „Das ist ein schrecklicher Vorfall und es ist notwendig aufzuklären, wie es
       dazu gekommen ist“, so der Kanzler. Subtext: keine voreiligen
       Schuldzuweisungen.
       
       Die Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Wolodomir Selenski, wonach
       Russland verantwortlich sei, wollte der Sprecher der Bundesregierung später
       am Mittwoch in der Bundespressekonferenz nicht weiter kommentieren. Man
       halte sich zurück, angesichts des massiven Drucks, unter dem die Ukraine
       stehe. Ohne den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wäre es zu diesem
       Vorfall nicht gekommen. Russland habe seine Raketenangriffe auf zivile
       Infrastruktur, wie Elektrizitätswerke und die Wasserversorgung, massiv
       verstärkt. „Das ist keine akzeptable Form der Kriegsführung“, stellte
       Scholz klar.
       
       Mitarbeit: Anna Lehmann
       
       16 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
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