# taz.de -- Chinas Haltung gegenüber Russland: Heuchlerisches Doppelspiel
> Viele Experten behaupten, dass Peking seinen Kurs gegenüber Moskau
> korrigiert habe. Doch die Fakten sagen etwas anderes.
IMG Bild: Im Zweifel an Moskaus Seite: Chinas Präsident Xi (re.) und Russlands Präsident Putin
Als Olaf [1][Scholz in Peking] war, haben viele Beobachter lobende Worte an
[2][Chinas Staatschef Xi Jinping] gerichtet: Der hatte erstmals seit Beginn
des Ukrainekriegs den „Gebrauch und den Einsatz von Atomwaffen“ öffentlich
abgelehnt. Es handelte sich immerhin um die bis dato deutlichste Kritik
Chinas an Russland.
Doch dass die Volksrepublik ihren Kurs gegenüber Moskau korrigiert habe,
wie viele Experten behaupteten, ist reines Wunschdenken und entbehrt jeder
faktischen Grundlage.
Nach wie vor versucht sich die Volksrepublik an einem heuchlerischen
Doppelspiel: Nach außen gibt man sich als neutrale Friedensnation, die sich
für Verhandlungen und Gespräche einsetzt. Effektiv jedoch hat man sich auf
die Seite Russlands geschlagen. Denn während sich Xi und Putin nur wenige
Tage vor der russischen Invasion „grenzenlose Freundschaft“ versprachen,
hat Chinas Staatschef mit Wolodimir Selenski seit Kriegsbeginn nicht einmal
telefoniert.
In den offiziellen Staatsmedien wird fast ausschließlich die russische
Propaganda übernommen. Als die Vereinten Nationen über eine Resolution
abstimmten, um „eine Grundlage für künftige Reparationszahlungen von
Russland an die Ukraine zu schaffen“, stimmte China – mit Syrien, Nordkorea
und Iran – dagegen. Und erst am Dienstag begrüßte Chinas Außenminister Wang
Yi seinen russischen Amtskollegen mit herzlichem Lächeln und versprach,
„die pragmatische Zusammenarbeit mit Russland vertiefen“ zu wollen.
Natürlich ist Chinas Haltung gegenüber Russland nicht in Stein gemeißelt.
Doch über kurzfristige Verstimmungen steht weiterhin Pekings strategisches
Interesse, die Weltordnung nach den eigenen Vorstellungen umzugestalten.
Und um [3][die westliche Hegemonie zu durchbrechen], braucht es nach
chinesischer Logik unbedingt Russland als Partner.
Dass der Einsatz von Atomwaffen eine rote Linie für das Zweckbündnis
darstellt, ist natürlich gut. Doch eine solche Haltung sollte eine
Selbstverständlichkeit sein – und verdient keinen internationalen Beifall.
18 Nov 2022
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## AUTOREN
DIR Fabian Kretschmer
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