# taz.de -- Deutschlands Deal mit Senegal: Gas ohne Verantwortung
> Deutsche und afrikanische Klimaaktivist:innen protestierten auf der
> Weltklimakonferenz zusammen gegen die Gaspolitik der Bundesregierung.
IMG Bild: Schön wär's: Scholz will von Senegals Präsident Macky Sall vor allem Flüssiggas, nicht Solarstrom
Scharm al-Scheich taz | Mit entschlossenen Gesichtern traten Bundeskanzler
Olaf Scholz und Senegals Präsident Macky Sall damals im Mai vor die
Kameras. Coronapandemie, Klimakrise, Krieg im Sahel – und der Ukrainekrieg
und die Energiekrise in Europa. „Ich will da sehr klar sein“, sagte Scholz
vor der Presse. „Wir wollen natürlich insbesondere mit Senegal nicht nur
über die Frage der künftigen Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen
zusammenarbeiten, also aus Solarkraft, Windenergie und die
Speicherinfrastrukturen, sondern wir wollen das eben auch im Hinblick auf
die LNG-Fragestellung und die Gasförderung hier im Senegal tun.“ Die beiden
Länder hätten begonnen, sich darüber auszutauschen, so der Kanzler weiter.
„Es ist unser gemeinsames Anliegen, dabei Fortschritte zu erzielen.“
Die Szene hallte nach auf der Weltklimakonferenz in Scharm al-Scheich.
„Wenn Sie neue Öl- und Gasfelder auf Ihrem Territorium erschließen, sind
Sie keine Klimaanführer:innen“, hielt die ugandische Klimaaktivistin
Vanessa Nakate den Regierungschef:innen in ihrer Rede auf dem Gipfel
vor. „Wenn Sie fossile Energie im Ausland finanzieren, sind Sie auch keine
Klimaanführer:innen“, so die 26-Jährige weiter.
Mit dem 1,5-Grad-Ziel, das auch in der Abschlusserklärung des ägyptischen
Weltklimagipfels wieder festgehalten wurde, ist die Erschließung neuer Öl-
und Gasfelder schließlich nicht kompatibel. Das kann man in den Berichten
der Internationalen Energieagentur nachlesen.
## „Außergewöhnliche Umstände“
Aktivist:innen der afrikanischen Initiative Don’t Gas Africa
konfrontierten Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) am
deutschen Pavillon des Gipfelgeländes. Sie haben beobachtet, wie Scholz
einen Monat nach seinem Senegal-Besuch beim G7-Gipfel in Elmau in der
Erklärung das Versprechen verwässern ließ, nach Ablauf des Jahres im
Ausland nicht in fossile Energien zu investieren. Für Flüssiggas solle das
„unter diesen außergewöhnlichen Umständen“ nicht gelten.
„Es ist nicht Deutschlands Rolle, für Senegal zu entscheiden, was es
macht“, antwortete Schulze. Deutschland helfe dem Land auf dem Weg zu
Erneuerbaren. „Wenn Senegal beschließt, sein Gas auszubeuten, können wir
nicht streiten“, so die Ministerin. Außerdem investiere Deutschland kein
öffentliches Geld in das Gasprojekt. „Zeigen Sie mir, wo wir investieren!“,
rief Schulze einem Aktivisten zu. „BP investiert dort.“
Der britische Öl- und Gaskonzern BP ist Betreiber des Projekts [1][Greater
Tortue Ahmeyim] in Mauritanien und Senegal. Läuft alles nach Plan, soll
dort Ende 2023 ein neues Terminal einsatzbereit sein, von dem Unternehmen
aus anderen Ländern beliefert werden können. Etwa Deutschland. Hat das also
alles nichts mit Deutschland zu tun – auch wenn der Kanzler
höchstpersönlich den Deal eintütet?
Es scheint die neue Sprachregelung der Bundesregierung zu sein, die gleich
mit Vertreter:innen von vier Ministerien auf dem Gipfel unterwegs war.
Mehrfach war auf dem Gipfel zu hören: Gasgeschäfte sind Sache der
Unternehmen, die das Gas in der Praxis liefern oder einkaufen, nicht die
der Bundesregierung.
Zwei Tage vor Ende des Weltklimagipfels gründeten deutsche
[2][senegalesische Aktivist:innen] in Scharm al-Scheich ein gemeinsames
Protest-Netzwerk „klare Zurückweisung des vorgeschlagenen Gasdeals“. Die
Aktivist:innen nennen sich Senegal-Deutschland Bürgerallianz für
Klimagerechtigkeit. „Wir brauchen die Unterstützung und Hilfe von
Deutschland, aber wir brauchen keine Technologie, die unsere Zukunft
zerstört“, sagt Yero Sarr von Fridays for Future Senegal.
Seit 2017 wurden in Afrika 886.000 Quadratkilometer für die Erkundung neuer
Öl- und Gasfelder genehmigt – eine Fläche, die ungefähr so groß ist wie
Frankreich und Italien zusammen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die die
NGO Urgewald mit verschiedenen Partnerorganisationen am Rande der
Klimaverhandlungen vorgestellt hat. Den Großteil der Projekte betreiben
demnach keine afrikanischen Unternehmen, sondern internationale Konzerne –
wie im Falle von BP und dem Senegal-Projekt. Leanne Govindsamy vom Centre
for Environmental Rights sieht darin ein weiteres Problem, wie sie am Rande
des Klimagipfels sagte: „Ein Großteil der Profite aus den fossilen
Explorationen in Afrika fließt direkt in den globalen Norden.“
21 Nov 2022
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## AUTOREN
DIR Susanne Schwarz
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