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       # taz.de -- Alternativen für WM-Muffel: Ab aufs Pferd
       
       > Man hat es nicht leicht als Mutter eines Pferde-Mädchens. Aber vielleicht
       > gibt es ja doch so etwas wie Freiheit auf eines Rosses Rücken.
       
   IMG Bild: Pferde sind schon schön – aber darauf reiten?
       
       Warum hatte ich mich darauf eingelassen? Natürlich, um dem Kind den
       Gefallen zu tun. Aber schon der Aufstieg war eine einzige Demütigung. Mit
       geübtem Blick hatte der Trainer die Gruppe gescannt und erkannt, wer wohl
       einen ordentlichen Schubs brauchen würde. Ich gehörte dazu.
       
       Nun saß ich oben, und das ganze Tier war bereits in Bewegung, obwohl es
       noch gar nicht losgegangen war. Das aber würde es sofort tun, denn dies war
       eine Reitstunde, wenn auch nur eine Behelfsreitstunde für Mütter von
       Pferdemädchen, um die ganze Herrlichkeit einmal zu nachzuempfinden, die
       unsere Töchter so sehr beschäftigte: die Wunderbarkeit des Reitens.
       
       Es war die Mutter der besten Freundin meiner Tochter, die damals sagte:
       „Komm, wir melden sie für die Ferien beim Reiten an – wenn sie 14 sind,
       hängen sie dann nicht nur bekifft herum.“ Nun waren die Kids damals erst in
       der ersten Klasse und ich hatte noch keinen Gedanken an ihre Pubertät
       verschwendet, aber Reiterurlaube waren Thema unzähliger Bücher aus meiner
       Grundschulzeit gewesen – warum also nicht.
       
       ## Im Zeichen des Pferdes
       
       Seither aber stand mein Kleinstfamilienleben [1][im Zeichen des Pferdes].
       Meine Tochter plante ihr Jahr von Reiterurlaub zu Reiterurlaub. Ausgaben
       wurden neu bemessen: „Die Lampe hat einen halben Reiterurlaub gekostet!“
       Dazwischen war die wichtigste Frage, wie häufig sie reiten könne.
       [2][Reiterhöfe liegen nicht innerhalb, sondern außerhalb von Städten]. Ich
       lohnarbeite, und ich habe kein Auto. Im Ergebnis wurde meine Tochter in
       Rekordzeit autonom mobil; fuhr mit Reithelm, Bahn und Bus und nochmal Bahn
       oder umgekehrt in öde Regionen, wo einsam ein Reitstall sich neben einem
       dampfenden Pferdemisthaufen abzeichnete.
       
       Natürlich aber war ich dann doch gefragt. Wenn ich meine Tochter im Winter
       abholte, weil es so früh dunkel wurde, merkte eine Reitlehrerin an, dass
       andere Mamas ja durchaus auch mal Stalldienste schöben. Und erinnern wolle
       sie mich an den Kuchenbasar im Advent. Andere Mamas schwangen ihre Beine in
       400-Euro-Lederstiefeln aus SUVs und schienen ganze Nachmittage Zeit zu
       haben, Hufe auszukratzen. Wir fanden einen anderen Reiterhof, wo Muttis zu
       meiner Erleichterung sogar eher störten und auch günstigere Stiefel
       getragen wurden.
       
       Dieses eine Mal aber sollte ich reiten, und ich wollte es ja auch. Aus den
       Büchern meiner Grundschulzeit hatte ich Versatzstücke im Kopf – „tadelloser
       Sitz“ oder „wie in den Sattel gegossen“. Im Blick meiner Tochter schräg
       hinter mir las ich, dass ich eher einer auf das Pferd gegossenen Masse
       ähnelte. Doch das Tier war schön, das musste ich zugeben, und so geduldig!
       Und als es losmarschierte, erreichte er mich dann doch, der Funke: ein
       Hauch von Naturerfahrung, eine Idee von Wildheit in der wallenden Bewegung
       unter mir. Freiheit? Vielleicht.
       
       Noch freier allerdings fühlte ich mich, als ich wieder absteigen durfte.
       „Mama, das war nicht so schlecht!“ Unterdrücktes Kichern. Hauptsache, das
       Kind hat seinen Spaß.
       
       5 Dec 2022
       
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