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       # taz.de -- Steigende Mieten in Deutschland: Linke für Kündigungsmoratorium
       
       > Was tun gegen die steigenden Kosten fürs Wohnen? Die Linke fordert unter
       > anderem einen besseren Kündigungsschutz und einen bundesweiten
       > Mietendeckel.
       
   IMG Bild: „Ein Armutszeugnis für ein reiches Land“: Linken-Politikerin Caren Lay am Montag in Berlin
       
       Berlin taz | Mit etwas versteinerter Miene trat die Wohnungsexpertin der
       Linkspartei, [1][Caren Lay,] am Montag vor die Kameras. „Wir haben die
       traurige Situation, dass es im letzten Jahr 29.000 Räumungen von Wohnungen
       gegeben hat“, erklärte Lay, die im Justizministerium nachgefragt hatte. Das
       sind im Schnitt fast 80 pro Tag. „Ein Armutszeugnis für ein reiches Land“,
       findet Lay. Schließlich bedeuteten Zwangsräumungen „nicht selten
       Wohnungslosigkeit“.
       
       Die meisten gab es im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW (8.656), gefolgt
       von Bayern (3.432) und Sachsen (2.667) – das gemessen an seiner
       Einwohnerzahl „Räumungsmeister Ostdeutschlands“ sei. In Bayern aber habe es
       sogar 20 Prozent mehr Zwangsräumungen gegeben als im Vorjahr. Dabei ist die
       Zahl insgesamt rückläufig (2020: 30.731).
       
       Ziel müsse sein, „die Zahl der Zwangsräumungen deutlich zu reduzieren und
       perspektivisch auszusetzen“, forderte Lay. Sie nahm diese Zahlen zum
       Anlass, um das Winterpaket der Linkspartei, „Warm und sicher wohnen“,
       vorzustellen. Denn neben den steigenden Energiekosten, die derzeit viele
       Haushalte belasten, steigen auch die Mieten ungebremst weiter.
       
       „Ein Kündigungsmoratorium ist jetzt dringend nötig“, forderte Lay.
       Tatsächlich hatte es zu Beginn der Pandemie ein befristetes
       Kündigungsmoratorium gegeben, [2][in der aktuellen Krise] ist das aber
       nicht der Fall. Zudem müsse der Kündigungsschutz verbessert werden, so Lay.
       Wer seine Mietschulden nachzahlt, sollte nicht gekündigt werden dürfen.
       Bisher gilt bei ordentlichen Kündigungen aber: Auch eine Nachzahlung der
       Mietrückstände kann die Kündigung nicht abwenden. „Das ist ein
       Grundkonstruktionsfehler im Mietrecht“, beklagte Lay und forderte, diesen
       Fehler dringend zu beheben.
       
       Der Bundesregierung und vor allem Olaf Scholz (SPD) warf sie Untätigkeit
       vor, den Mietenanstieg zu bremsen. Die Linkspartei fordere daher einen
       bundesweiten Mietenstopp. Dieser müsse auch [3][für Indexmietverträge]
       gelten, die derzeit für Diskussionen sorgen. Bei diesen Mietverträgen ist
       die Miete direkt an die Inflation gekoppelt. Mittelfristig brauche es einen
       „atmenden Mietendeckel“ und den Aufbau eines nicht profitorientierten
       Wohnungssektors. Es sei „unerlässlich, dass wenigstens eine Partei im
       Bundestag aus Sicht der Mieter*innen den Wohnungsmarkt regulieren möchte
       und Politik vom Standpunkt der Schwächsten betreibt“.
       
       ## Armutsrisiko Miete
       
       Tatsächlich sind vor allem Menschen, die zur Miete wohnen, besonders
       armutsgefährdet. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine
       Frage der Linkenpolitikerin Susanne Ferschl hervor: Im Jahr 2020 betrug die
       Armutsrisikoquote von Mieter*innen 21 Prozent, bei Eigentümer*innen
       waren es 10,9 Prozent. Das Armutsrisiko ist demnach für Mieter*innen
       fast doppelt so hoch wie bei Menschen, die im Wohneigentum leben.
       
       „Der Unterschied ist auf den bekannten Zusammenhang zwischen Einkommen und
       Vermögensbildung zurückzuführen“, heißt es dazu in der Antwort der
       Bundesregierung. Die Regierung verwies aber darauf, dass die
       Armutsrisikoquote in Deutschland insgesamt unter dem EU-Durchschnitt liegt.
       Im EU-Schnitt sind 26,6 Prozent der Mieterhaushalte armutsgefährdet und
       13,4 Prozent derjenigen, die im Eigentum leben.
       
       Damit will sich die Linkenpolitikerin Ferschl aber nicht zufrieden geben.
       „Während die Reallöhne in Deutschland kontinuierlich sinken, steigen im
       Gegenzug die Mieten unaufhörlich“, erklärte sie gegenüber der taz. Für
       Ferschl ist deshalb klar: „Die Mieten müssen runter, die Löhne rauf.“
       
       „Ein Armutszeugnis für ein reiches Land“
       
       5 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jasmin Kalarickal
       
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