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       # taz.de -- Bundesweiter Warntag 2022: Eine halbe Warnung
       
       > Der bundesweite Warntag am Donnerstag kann lediglich als Teilerfolg
       > gesehen werden. Es mangelte vor allem an Entwarnungen.
       
   IMG Bild: Sirenen über dem Brandenburgischen Petersdorf
       
       Berlin taz | Um 10.59 Uhr schrillte das Handy. Ein unangenehmer Ton,
       begleitet von der Nachricht: „Probewarnung. [1][Bundesweiter Warntag
       2022.]“ Und weiter: „Es besteht keine Gefahr.“ Erst wenn die Nutzer:in
       auf „Ok“ drückte, verstummte der Alarm. Mit der Warnung in deutscher und
       englischer Sprache wollte das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
       Katastrophenhilfe (BBK) testen, wie die Menschen in Deutschland im Notfall
       benachrichtigt werden können. Cell Broadcast wird die Technologie genannt,
       die erstmals in Deutschland genutzt wurde. Dabei wird eine Warnung auf das
       Handy gespielt, wenn das BBK diese entsprechend auslöst.
       
       50 Prozent der Menschen in Deutschland sollten so erreicht werden.
       Vorausgesetzt, die Geräte haben ein entsprechendes Update, um die Meldung
       empfangen zu können, befinden sich nicht im Flugmodus oder im Funkloch. Wie
       viele Menschen Cell Broadcast beim bundesweiten Warntag erreicht hat, wird
       schwer zu ermitteln sein. Es wurde dazu aufgerufen, zurückzumelden, ob die
       Nachricht ankam oder nicht. Erst zu Beginn des kommenden Jahres soll es
       eine Auswertung aller Aktionen geben.
       
       Was aber bereits am Warntag selbst klar wurde: Die Hinweise auf Updates
       oder Voraussetzungen für das Mobiltelefon kamen nicht flächendeckend an.
       Ebenso die durchaus wichtige Information, wie der Alarm wieder abgestellt
       werden konnte. Bei manchen schrillte es also durchaus länger als für die
       Übung gedacht. Trotz Ankündigungen in den Medien und via Social Media ist
       wohl auch der Testlauf an sich nicht wirklich durchgedrungen. Eigentlich
       wollten die Behörden ja vermeiden, dass Menschen verschreckt reagieren auf
       den Testlauf. Und auch bei der Entwarnung haperte es. Denn auf jede Warnung
       muss irgendwann eine Entwarnung folgen, werden die Behörden nicht müde zu
       erwähnen. Auf vielen Geräten aber blieb es bei der Warnmeldung.
       
       ## Auch die App Nina hat gewarnt
       
       Künftig soll Cell Broadcast Teil eines sogenannten „Warnmixes“ werden.
       Zusammen mit Meldungen im Radio und im Fernsehen, mit Anzeigen auf
       Bahnhöfen oder an öffentlichen Infotafeln. Der Deutschlandfunk vermeldete
       die Übung pünktlich in seinen Nachrichten und veröffentlichte auf der
       Webseite auch die Entwarnung. Auch die Nachrichtenagentur AFP verkündete
       via Eilmeldung die Übung. Über die Warn-App Nina wurde ebenfalls die
       Testmeldung verbreitet und gegen 11.45 Uhr wieder entwarnt.
       
       Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, Sabotagefällen
       bei der Bahn oder der [2][Flutkatastrophe im Ahrtal] 2021 ist der
       Bevölkerungsschutz wieder Thema. Und auch der Warntag 2020 hat bei den
       Behörden für Nervosität gesorgt – und in der Bevölkerung für Häme. Damals
       gab es etliche technische Fehler, das System, das die Warnung weiterleiten
       sollte, war überlastet und funktionierte dann nicht wie gewünscht. In
       diesem Jahr kann wenigstens ein Teilerfolg gemeldet werden.
       
       ## Mancherorts blieb’s stumm
       
       Ein problematischer Aspekt ist jedoch die fehlende Barrierefreiheit.
       Alexander Ahrens von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in
       Deutschland hält etwa die Warn-Apps für blinde und sehbehinderte Menschen
       für gut zugänglich, jedoch nicht für gehörlose Menschen. Cell Broadcast
       hält er generell für einen Schritt in die richtige Richtung, da nicht nur
       via Schrift, sondern auch per Vibration oder Lichtblitz gewarnt werden
       kann.
       
       Neben digitalen Warnmitteln setzt das BBK auf analoge Technik. Rund 35.000
       Sirenen gibt es bundesweit. Leider funktionieren nicht alle oder sind an
       zentrale Systeme angeschlossen. Alle Bundesländer machten mit und testeten
       ihre Warninstrumente an diesem Donnerstag. Ob allerdings in den Kommunen
       die Sirenen ausgelöst wurden, war freiwillig – oder schlicht nicht möglich.
       Und so kam es auch, dass so manche Kommune auf die Übung verzichtete. Der
       Tenor: Im Ernstfall sind wir schneller, wenn wir von Haus zu Haus gehen.
       
       Zwar hat der Bund mehr als 80 Millionen Euro beigesteuert, damit Sirenen
       bundesweit aufgerüstet werden. Den Rest sollen die Länder beisteuern – und
       deren Zahlungswilligkeit ist derzeit eher begrenzt nach Coronapandemie,
       Inflation und Energiekrise.
       
       8 Dec 2022
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Tanja Tricarico
       
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